Oeffnung der Kabelfernsehnetze mit im Visier Neues EU-Gruenbuch soll das Ende des Netzmonopols beschleunigen

04.11.1994

STRASSBURG (CW) - Eine Ueberraschung ist es nicht mehr, nun ist es aber amtlich: Die EU-Kommission wird dem Rat der EU-Telecom- Minister am 17. November vorschlagen, bis 1998 nicht nur die Telecom-Dienste, insbesondere den Telefondienst, sondern auch die Netzinfrastrukturen zu liberalisieren. Dies betonte EU-Kommissar Karel van Miert am Rande einer Kommissionssitzung in Strassburg.

Der streitbare, fuer Wettbewerbsfragen zustaendige EU-Kommissar kuendigte nach Angaben des Wirtschafts-Informationsdienstes "vwd" ferner an, dem Ministerrat auch eine Oeffnung der Fernsehkabelnetze - moeglicherweise unter Zuhilfenahme von Artikel 90 des EG- Vertrages - zur Diskussion zu stellen. Zuvor hatte die EU- Kommission bereits in einer Mitteilung an die jeweiligen Regierungen der Mitgliedslaender die Abschaffung aller noch bestehenden Monopole im Bereich Telekommunikation ab 1998 befuerwortet. Diese Empfehlung ist auch Gegenstand eines Gruenbuches, in dem die Bruesseler Kommissare Grundsaetze fuer die Oeffnung der europaeischen Telecom-Maerkte sowie einen festen Zeitplan fuer deren Umsetzung ausgearbeitet haben.

Das Gruenbuch soll die Grundlage entsprechender Beratungen der zustaendigen Minister am 17. November in Bruessel bilden. Wie es in der Umgebung des fuer Industrie und Telekommunikation zustaendigen deutschen EU-Kommissars Martin Bangemann hiess, sei es das Ziel gewesen, umgehend auf die Forderung des Ministerrats nach einer Konkretisierung des sogenannten "Bangemann-Berichts" einzugehen. Mit einem zweiten, noch vor Ende des Jahres vorzulegenden Gruenbuch will die Kommission eine, wie es in Bruessel nun hiess, vertiefende Diskussion nach der vollen Liberalisierung der Telecom-Maerkte im Hinblick auf einen unbehinderten Zugang einleiten.

Was die Vorschlaege des Gruenbuches zur Netzinfrastruktur im einzelnen angeht, gibt sich die Kommission optimistisch. So haetten bis dato zoegernde Mitgliedsstaaten, darunter Spanien, Belgien, Griechenland und Portugal eingesehen, dass sie mit ihren Forderungen hinsichtlich laengerer Uebergangsfristen zu den "Verlierern am Markt" gehoeren wuerden. Im uebrigen haette Spanien bereits zu erkennen gegeben, dass es auf die urspruenglich in Aussicht gestellte Uebergangsperiode bis 2001 verzichten wolle.

In ihrem Papier verweist die Kommission darauf, dass das bestehende Regelwerk den Ausbau transeuropaeischer Netze behindere und der Vollendung eines EU-internen Telecom-Marktes im Wege stehe.

Nach den im Gruenbuch fixierten Vorschlaegen der Kommission soll die vollstaendige Liberalisierung der Netzinfrastrukturen, inklusive Zulassung neuer Betreiber, zum 1. Januar 1998 vollzogen werden. Dies gilt fuer die Bereiche Datenuebertragung und sonstige Nicht- Sprach-Verbindungen, Sprachuebertragung fuer geschlossene Benutzergruppen (Corporate Network), Satelliten- und Mobilfunk sowie den oeffentlichen Telefondienst. Ferner plaediert die Kommission dafuer, dass alternative Telecom-Infrastrukturen - etwa die der Kabelfernsehanbieter, der Eisenbahnen und Energieversorger - schon ab 1995 fuer bereits teilliberalisierte Dienste zugaenglich gemacht werden.