Objektorientierung, OLE und C-Interface sind in Zukunft ein Muss Datenbanken - Der Showdown im Xbase-Geschaeft hat begonnen

18.11.1994

Der Markt fuer PC-Datenbanken entwickelte sich in den letzten Jahren zum Teil sehr hektisch und unuebersichtlich. Rainer Becker* wagt einen Ausblick auf die naechste Runde des Wettkampfs im Bereich der Xbase-Datenbanken.

Mit Tabellenkalkulationen wie "Visicalc" fuer Apple II oder "Lotus 1-2-3" fuer IBM-PCs wurden die Kleincomputer arbeitsplatzfaehig. Doch auch Datenbanken gewannen sehr frueh einen grossen Anwenderkreis. Einer der fruehen Quasistandards ist "Xbase" mit dem Veteranen "Dbase". Von je her sind also Entwicklungssprachen der vierten Generation (4GL) auf PCs stark verbreitet.

Hauptmerkmal der 4-GL-Tools ist die Integration von Datenbank, Benutzeroberflaeche und Entwicklerwerkzeugen mit einer einfach gehaltenen Programmiersprache. Zu den Standard-Tools gehoeren Maskengenerator, Menuegenerator und ein Berichtsgenerator inklusive Etikettendefinition. Diese Funktionen fanden auch in Xbase Eingang. Eindeutig definiert war die Xbase-Sprache jedoch nie. Ein ANSI-Komitee bemueht sich zwar seit laengerem darum, doch die Entwicklung schreitet nach wie vor schneller voran als die Normierung.

Von grosser Marktbedeutung in dem Bereich der PC-Datenbanken waren lange Zeit die Firmen Ashton-Tate mit Dbase und Nantucket mit "Clipper". Daneben gab es - und gibt es teilweise noch - viele weitere Produkte auf dem Markt, wie beispielsweise "Dbman", "Arago/Quicksilver", "Adimens", "Q&A" und "Foxbase" von Fox Software. Durch den extrem hohen Marktanteil von Ashton-Tate war Dbase lange Zeit die meistverwendete Datenbank.

1991 und 1992 allerdings begann ein Wettlauf der grossen PC- Software-Anbieter um den Datenbankmarkt. Man hatte festgestellt, dass Anwender aufgrund des damit verbundenen hohen Umstellungsaufwandes kaum bereit sind, ihre Datenbank zu wechseln. Altkundenbereich blieb also wichtig, und hier waren hoehere Marktanteile schnell durch den Kauf von anderen Anbietern erreichbar. Mittlerweile bestimmen Borland, Microsoft und Computer Associates infolge ihrer Uebernahmen den Markt. So hat sich Borland Ashton-Tate mitsamt Dbase einverleibt. Microsoft uebernahm Fox Software inklusive Foxpro, und Computer Associates holte sich Nantucket plus Clipper.

Kaufrausch der Giganten im Kampf um Marktanteile

Die erste und groesste dieser Transaktionen war die Akquisition von Ashton-Tate durch Borland. Dabei verhob der Kaeufer sich beinahe, da Ashton-Tate sowohl vom Umsatz als auch von der Mitarbeiterzahl her deutlich groesser war. Positiver Seitenaspekt fuer die anderen Xbase-Anbieter war die vom amerikanischen Kartellamt im Zusammenhang mit der Uebernahme angeordnete Beilegung der von Ashton-Tate angezettelten juristischen Auseinandersetzung ueber die Rechte am Dbase-Dateiformat (DBF) und der Xbase-Sprache. Borland erklaerte die Dateistruktur und die grundsaetzlichen Befehle der Xbase-Sprache fuer Allgemeingut und hatte ein gewisses Verstaendnis dafuer, dass Dbase als Quasi-Clone des Datenbanksystems "Vulcan" von JPL nur bedingt Rechte fuer sich reklamieren konnte.

Borland lag schon vor dem Kauf von Ashton-Tate mit der Datenbank "Paradox" gut im Rennen. Die Windows-Version von Paradox konnte sich durchsetzen - trotz der von den Altanwendern stark bemaengelten Inkompatibilitaet zur DOS-Ausfuehrung. Durch den Kauf erhielt Borland auch die Rechte an der Client-Server-Datenbank "Interbase", die in den USA gut verkauft wird, unter anderem in Kombination mit Paradox, in Europa aber kaum Marktbedeutung hat. Nur Dbase fuer Windows, von dem man sich aufgrund des bei der Uebernahme noch sehr hohen Marktanteils von Dbase bei den DOS- Anwendern ein riesiges Geschaeft versprochen hatte, wurde und wurde nicht fertig. Um an die hier benoetigte Technologie zu gelangen, kaufte Borland eine Serie von kleineren Anbietern. Dazu gehoerten der Compiler "Wordtech", ein Berichtsgenerator namens "Reportsmith" sowie der Programmiereditor "Brief".

Die Produkte wurden mehr oder weniger eingestellt, die jeweils vorhandenen Entwickler und Sources in das Dbase-Projekt uebernommen. Ein Teil der Anwender konnte mit einem Update-Angebot gewonnen werden. Trotz dem Erwerb von Reportsmith wird Dbase fuer Windows mit dem Berichtsgenerator "Crystal Reports" ausgeliefert.

Microsoft hat schon einen gescheiterten Versuch im Datenbankmarkt hinter sich, entwickelte aber lange an einer weiteren eigenen Windows-Datenbank. Unter dem Namen "Access" konnte diese mit einem Kampfpreis von 99 Dollar und als Beipack zum Office-Paket bald eine Million Mal verkauft werden. Auch wurde eine gewisse Zahl von professionellen Entwicklern gewonnen, die Produkte in der Programmiersprache "Access Basic" schreiben. Durch den Einbau der aus Foxpro uebernommenen "Rushmore"-Technologie konnte die Verarbeitungsgeschwindigkeit von Access in der neuen Version deutlich verbessert werden.

Den Zutritt zum Xbase-Markt verschaffte sich Microsoft allerdings durch den Kauf von Fox Software zu einem Preis von rund einer Million Dollar pro Mitarbeiter. In kuerzester Zeit gelang die Fertigstellung der Windows-Version sowie weiterer code-kompatibler Varianten fuer DOS, Mac, Power-Mac und Unix, und die Zahl der verkauften Lizenzen verzehnfachte sich. Alle Kunden von Fox Software konnten nach kurzer Konfusion uebernommen sowie einige Anwender von Clipper und Dbase von einem Umstieg ueberzeugt werden.

Dies geschah zum Teil durch eine perfektionierte Form des Cross- Updates. Da Foxpro als Neulizenz deutlich teurer verkauft wurde als Access in der Einfuehrungsphase, lag der Gesamtumsatz der beiden Produkte ungefaehr gleich hoch.

Nach amerikanischen Statistiken liegt Access mit Paradox gleichauf. Im Xbase-Markt senkte Borland drastisch die Preise, aber Dbase konnte spaetestens durch die Preissenkung bei Foxpro auf 99 Dollar bezueglich der Anzahl der Neuinstallationen ueberholt werden. "Superbase", eine der ersten Windows-Datenbanksysteme, sowie die Datenbank "Adimens" sind die ersten Opfer der starken Verbilligungen. Die Marktbedeutung der uebrigen Anbieter ist stark gesunken.

Der Uebernahme von Clipper durch Computer Associates folgte eine grosse Verwirrung der Anwendergemeinschaft, da zuerst einmal die Entwicklungsaktivitaeten verlagert wurden und man nur halbherzig auf das bestehende Team zurueckgriff. Da lange keine oder zumindest nicht ausreichende Informationen zu den Anwendern gelangten, sind die umsteigebereiten Entwickler zu Foxpro oder in Richtung C abgewandert. Zum Teil veraergerte man die Anwender auch erheblich, in dem man zum Beispiel fuer Vorabvorfuehrungen einen Eintritt von 75 Mark verlangte und dafuer eine Stunde Slide-Shows zur Strategie sowie jeweils eine halbe Stunde eine Tatzelwurm-Anwendung laufen und den Sourcecode dieser "typischen Datenbankanwendung" durchscrollen liess. Nach diversen Verschiebungen ist die angekuendigte neue Windows-Version unter dem Namen "Visual Objects" mittlerweile erschienen.

Einem Anfall von Kaufrausch unterlag auch Novell. Der Netzspezialist kaufte von Borland die Tabellenkalkulation "Quattro Pro" sowie eine grosse Anzahl von Paradox-Lizenzen. Dies ermoeglichte mit der Uebernahme von Wordperfect die Erstellung eines eigenen Office-Pakets. Das eigene Datenbanksystem "Btrieve" wird zwar weiterhin mit Netware ausgeliefert, aber die gesamte Entwicklungsmannschaft wurde in eine neugegruendete Gesellschaft ausgelagert, an der Novell nur noch zur Haelfte beteiligt ist. Novell betritt also die Office-Arena und wird sich am Datenbankmarkt nur als Distributor engagieren.

Borland war oft nur die zweite Wahl

In dem Markt der Bueropakete hatte Borland immer nur Me-too- Produkte wie die Textverarbeitung "Sprint", die verschiedene Textverarbeitungen emulieren konnte, oder die Tabellenkalkulation Quattro Pro als 1-2-3-Clone. Diese erfreuten sich bei kostenbewussten Privatanwendern grosser Beliebtheit, konnten sich aber in Grossfirmen und Konzernen nur begrenzt durchsetzen, da man dort lieber gleich das Originalprodukt kaufte. Ausserdem war Borland wegen seiner nicht optimalen Finanzlage fuer viele Grossfirmen ohnehin nicht mehr unbedingt die erste Wahl.

Novell als finanzstarke und angesehene Gesellschaft hat seit der Uebernahme der bei Grosskunden im Bereich Textverarbeitung stark vertretenen Firma Wordperfect gute Chancen, in den Office-Bereich einzudringen beziehungsweise das durch Netware bereits vorhandene Kundenpotential weiter zu nutzen.

Dazu traegt nicht zuletzt die Entwicklung einer eigenen Austausch- Schnittstelle bei. Novell setzt die Suche nach Maerkten ausserhalb des angestammten Netzwerkbereichs durch weitere Zukaeufe fort und wird somit zum Hauptkonkurrenten von Microsoft gleich auf mehreren Geschaeftsfeldern. Bezueglich Windows hat man sich allerdings zu einem Schmusekurs entschlossen, der DR-DOS ein Ende bereitet. Damit ist reinen DOS-Anwendern der einzige Ausweg versperrt, wenn Microsoft den Klassiker nicht mehr weiterentwickelt.

Fuer alle grossen Xbase-Dialekte wurden fuer das Jahresende neue Versionen angekuendigt. Sie werden einen erheblichen Entwicklungssprung darstellen und die objektorientierte Programmierung in den Xbase-Markt bringen.

Darueber hinaus sind neue Ausfuehrungen von Access und Paradox geplant beziehungsweise gerade erschienen. Microsoft und Borland versprechen Abwaertskompatibilitaet ihrer neuen Produkte zu den Vorgaengerversionen. Bei Clipper ist eine Kompatibilitaetsbox vorgesehen.

Von Informix, Oracle, Gupta und anderen bekannten Datenbankanbietern hoert man Geruechte ueber Plaene, in den PC- Massenmarkt vorzudringen. Informix konzentriert sich auf verteilte Datenbanken und die Nutzung von Parallelrechnern im Bereich mittlerer Datentechnik bei hoher Portierbarkeit des Datenbanksystems. Oracle unternimmt Versuche im Multimedia-Bereich zum Beispiel mit einem datenbankbasierten Videoverteilungssystem. Gupta will "SQL Windows" in hohen Stueckzahlen im PC-Markt unterbringen. Mehrere zehntausend Freiexemplare wurden via Internet verteilt, dazu kamen bundesweite Praesentationen.

Die wichtigsten Produkteigenschaften, mit denen alle Anbieter werben sind:

- Lauffaehigkeit unter Windows/GUI,

- Objektorientierung,

- Zugriff auf Fremddatenbanken,

- C-Interface,

- Ereignissteuerung,

- Einbindung von OLE/DDE

sowie

- Erstellung von EXE-Dateien.

Loesungen fuer Profis und Endanwender

Fuer den Zugriff auf Fremddatenbanken verfolgen die einzelnen Anbieter verschiedene Strategien und Loesungen. Borlands IDAPI bildet dabei eine Obermenge zu ODBC, wird aber bisher nur von Borland selbst eingesetzt, waehrend es fuer ODBC von Microsoft eine Vielzahl von Drittanbietern und damit eine gute Marktakzeptanz gibt.

Von den grundsaetzlichen Eigenschaften her unterscheiden sich die bisherigen Produkte in wenigen, wenn auch fuer Entwickler sehr wichtigen Punkten. Ebenso liegen die angekuendigten neuen Features nahe beieinander, obwohl jeder Anbieter Alleinstellungsmerkmale besitzt.

Paradox und vor allem Dbase fuer Windows werden als Gesamtloesungen fuer User vom Endanwender bis zum Profiprogrammierer angeboten. Microsoft hingegen plaziert Access als Endanwenderdatenbank mit Office-Integration und Foxpro als Xbase-Entwicklerdatenbank und Cross-Plattform-Tool sowie gegebenenfalls als Client-Server-Front- end.

Microsoft hat mit Foxpro und Access seinen Marktanteil bereits gesichert und nutzt Foxpro mittlerweile eher zur Vertriebssteigerung fuer Office-Pakete, CA und Borland verlieren tendenziell Marktanteile, haben aber jeweils eine grosse Gemeinde immer noch wartender Anwender. Bei Borland wird sich innerhalb kuerzester Zeit erweisen, ob die Geduld der User ausreichte.

Da alle drei neuen Versionen im Xbase-Bereich die Objektorientierung einfuehren und damit zu erheblichen Umstellungen zwingen, werden viele Anwender die neuen Produkte kritisch vergleichen, da die Umstellung zu einem Konkurrenzprodukt eventuell nur geringfuegig weniger aufwendig ist als der zur neuen Version der bisher verwendeten Datenbank.

Zum Jahreswechsel werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die neuen Versionen von Clipper und Foxpro verfuegbar sein oder zumindest offengelegt werden, auch wenn vielleicht der Vertrieb noch nicht beginnt. Alle drei Anbieter sind auf wirksames Marketing angewiesen. Vielen Anwendern der Vorversion ist die Objektorientierung schlicht unbekannt, und sie koennen auch viele andere neue Faehigkeiten der einschaetzen.

Startvorteil fuer Microsoft

Microsoft hat einen gewissen Startvorteil, da eine Zwischenversion von Foxpro bereits fest im Markt etabliert ist, wohingegen Borland und CA ihren Anwendern einen etwas groesseren Entwicklungsschritt zumuten muessen. Allerdings hat Borland durch das bereits objektorientierte Paradox mehr Erfahrung in der Umsetzung von neuen Ansaetzen bei der Datenbankprogrammierung. Allen drei Anbietern ist gemein, dass sie in die neuen Versionen diverse "Zukunftstechnologien" einbauen, aber noch immer eine Menge von Standardfunktionen anderer relationaler PC-Datenbanken wie beispielsweise "Powerbuilder" und "Advanced Revelation" oder ihrer groesseren Brueder von Informix, Oracle und Ingres vermissen lassen.

Wer die meisten neuen Kunden gewinnt, ohne zu viele alte zu verlieren, wird massgeblich von der Kommunikationsarbeit der Anbieter und natuerlich der Stabilitaet der Produkte abhaengen. Ein eindeutiger Sieger ist wohl auf keinen Fall zu erwarten, und das ist gut fuer die Anwender.

Neben einer Xbase-Datenbank haben die Anbieter zum Teil noch ein endanwenderorientiertes Modell im Angebot. So bietet Microsoft Access, Computer Associates "Dbfast". Auf der anderen Seite werden hauseigene Server-Datenbanken offeriert, um eine Aufstiegsmoeglichkeit der User in den Client-Server-Himmel aufzeigen zu koennen. Microsoft liefert SQL Server, Borland Interbase.

Datenbank-Engines als separate Angebote

Elementarer Punkt der Strategie ist jedoch die Verwendung einer separaten Datenbank-Engine, die dann von mehreren Produkten des jeweiligen Anbieters genutzt werden kann. So ist Microsofts "Jet- Engine" mit Access, Foxpro, Visual Basic, Visual C++ und Office kompatibel. Borland wiederum liefert die Dbase-Engine fuer Dbase, Paradox, Borland C++ und Pascal sowie Quattro Pro.

Dies senkt natuerlich die Entwicklungs- und Wartungskosten, erhoeht aber gleichzeitig den Nutzen des Know-hows fuer den Anwender des Systems. Microsoft geht von der Strategie her noch weiter und plant das gleiche Prinzip fuer die Entwicklungswerkzeuge. Berichtsgenerator, Maskengenerator und andere Werkzeuge sollen ueber die Programmiersprachen und Datenbanken vereinheitlicht werden. Dann wuerden Visual C, Visual Basic und Foxpro als Programmiersprachen die gleichen Tools verwenden wie auch Access und damit Entwicklungs- und Wartungskosten drastisch sinken.

Unter den Stichworten "Shared Forms", "Shared Tools" und "Unified Engine" wird man darueber in Zukunft mehr hoeren. Besonders interessant ist die einheitliche Einbindung eines Data-Dictionary in alle genannten Sprachen und Datenbanken. Darueber hinaus steht Microsoft der Weg offen, die neue Datenbank-Engine in das Betriebssystem zu integrieren und so fuer eine nahezu 100prozentige Verbreitung zu sorgen. Wie sich die anderen Anbieter dagegen wehren wollen, steht noch in den Sternen.