Nutzungsbeschränkungen nicht rigoros genug beseitigt:Telecom-Anwender beäugen die neue TKO kritisch

11.07.1986

MÜNCHEN - Verhaltener Optimismus beziehungsweise Skepsis kennzeichnen die ersten Reaktionen auf die vom Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost verabschiedete Telekommunikationsordnung (TKO). Einhellig auf Ablehnung stößt dagegen das gleichzeitig beschlossene Verbot privater Modems für analoge Netze. Hier wollen die Postministerialen das mit Brüssel ausgehandelte Modemkonzept zur Not per Kabinettsbeschluß durchsetzen.

Begrüßt wird von Anwender- und Expertenseite an der neuen TKO, die die Bedingungen und Gebühren für die Benutzung von Fernmeldeeinrichtungen festlegt, daß die bisher separaten vier Teilbereiche Fernmeldeordnung (FO), Direktrufverordnung (VFsDx), Telegrammordnung (TO) und die Verordnung über das öffentliche Direktrufnetz für die Übertragung digitaler Nachrichtendienste (DirRufV) zusammengefaßt und gestrafft wurden. Die Vorbehalte gegen die Anfang 1988 in Kraft tretende Telekommunikationsordnung folgen allerdings nach Recherchen der COMPUTERWOCHE auf dem Fuße.

Zu überstürzte Verabschiedung

Ein Kritikpunkt lautet, man habe bei der Modifikation nicht rigoros genug durchgegriffen. Dazu Hans-Joachim Bendlin, Mitglied der Deutschen Telecom: Grundsätzlich begrüßen die Antender eine Vereinfachung des Verordnungswerkes. Allerdings hätten sie sich gewünscht daß es im Zuge der Vereinfachung auch zu einer Entrümpelung von überholten Vorschriften gekommen wäre, die in der Praxis eh nie aufgegriffen wurden, wie zum Beispiel der Paragraph 6 der Direktrufverordnung.

Der TKO-Experte glaubt zudem, daß die neue Verordnung voreilig verabschiedet beziehungsweise ohne ausreichende geistige Reflexion durchgeboxt wurde: "Viele Dinge sind da aus Zeitgründen einfach durchgegangen." Auch habe man die einschlägigen Vorschläge der Regierungskommission Fernmeldewesen nicht ausreichend berücksichtigt. Zu der aus seiner nicht überstürzten Verabschiedung sei es wohl in erster Linie deshalb gekommen, weil sich der Postminister damit in seiner Legislaturperiode ein Denkmal setzen wolle.

Weiterhin eine Fülle von Beschränkungen

Skepsis gegenüber der Telekommunikationsordnung kommt auch aus den Reihen des Verbandes der Postbenutzer. Vorstandsvorsitzender Wilhelm Hübner kategorisch: "Die TKO ist für den Anwender genauso unverständlich wie das, was wir jetzt haben. Wir fordern seit Jahren ein Gesetzeswerk, das jeder Mensch lesen, verstehen und begreifen kann. Darüber hinaus beinhalte die Neufassung wiederum eine Fülle von Beschränkungen, für die es keine Rechtsgrundlage gebe. So dürften kleine Büro- und Serviceunternehmen nach wie vor Kunden ihren Fernkopierer nicht zur Verfügung stellen und in einer DV-Anlage Leitungen mehrerer Netze zusammenschalten. Außerdem sei man in Deutschland nicht berechtigt, Agenturen aufzubauen. Dadurch könne man Fernschreiben nicht sammeln und sie dann - so wie dies anderswo möglich ist - in andere Länder vermitteln.

Bei der TKO, die laut Postministerium nach ihrer erstmaligen Vorstellung im Dezember vergangenen Jahres noch in einigen Punkten geändert wurde, scheiden sich die Geister auch an der Frage, inwieweit eine nutzungsunabhängige Tarifierung bei Festverbindungen von Vorteil ist oder nicht. So meint Walter Grau, Gruppenleiter Telekommunikation bei der Colonia Versicherung: "Die Post strebt ja eine Gebührenharmonisierung an, und da ist sicherlich ein Schritt die nutzungsabhängige Tarifierung, die auf der anderen Seite von uns als Anwender auch sehr kritisch betrachtet werden muß. Denn das ist ja eine Gebührenschraube, an der man wunderbar drehen kann." Die Dinge, die die Post heute festlege, müßten zu einer gewissen Planungssicherheit führen. Wenn man beispielsweise die Gebühren jedes Jahr ändere, dann könnten sich die Netzumstellungen der Anwender nicht amortisieren.

Teilweise sind die Nutzer der Meinung, daß man sich in der Frage der Tarifierung nicht zu stark an die Telefongebühren anlehnen solle. Es sei umstritten, von einer alten und herkömmlichen Telefongebührenstruktur eine Ableitung auf digitale und diensteintegrierende Systeme vorzunehmen. Für Hans-Joachim Bendlin sieht es hier so aus, als ob "das Fernmeldenetz praktisch der einzig wahre Dienst ist und alle anderen Dienste sich von der Tarifstruktur her an diesem Dienst orientieren müssen".

Aus der Sicht des gelben Riesen führt die Gebührenharmonisierung in der jetzt beschlossenen Form zu erheblichen Kosteneinsparungen für den Kunden: so sprängen jährlich Vergünstigungen von 320 Millionen Mark heraus. Wie bereits bekannt, beziehen sich die Umänderungen im wesentlichen auf die Telefongebühren. So sinkt zum Beispiel die monatliche Grundgebühr für Standapparate auf 24,60 Mark. Außerdem soll künftig keine Gebühr mehr für Anrufbeantworter und für die Vermittlung der Zählimpulse für die Gebührenanzeige erhoben werden.

Bedingungen und Gebühren für ISDN

Als völlig neuen Bestandteil enthält die Verordnung Bedingungen und Gebühren für die Nutzung des ISDN, das ab 1988 eingeführt und fünf Jahre später flächendeckend zur Verfügung stehen soll. Der TKO-Erstentwurf unterscheidet sich allerdings erheblich von der jetzigen Version. Dazu Gert Sommerfelt, Sprecher im Bonner Postministerium: "Die Gebühren für einen ISDN-Anschluß sollten zunächst 54 Mark und für jeden weiteren Dienst 10 Mark betragen. Das hat man nun auf eine Einheitsgebühr von 74 Mark gebracht, und zwar unabhängig der Anzahl der benutzen Dienste." Damit würden die Nutzer im Endeffekt besser fahren.

Modemkonzept abgeschmettert

Im Gegensatz zur TKO konnte im Postverwaltungsrat in der Modemfrage keine Einigung erzielt werden - und darüber sind nicht nur die Anwender, sondern auch die Post vergrämt. Einer offiziellen Verlautbarung zufolge bezeichnete Minister Schwarz-Schilling die Entscheidung des Kontrollgremiums, private Modems nicht zuzulassen, als wenig hilfreich für die Bundespost und die Bundesregierung. Damit würde im eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt. Die von der Post in über drei Jahren erarbeitete und erzielte Kompromißlösung mit der Kommission der Europäischen Gemeinschaft sei eine vernünftige Reaktion auf die aus Brüssel geforderten Liberalisierungsschritte. Auch die Sachverständigen für das Nachrichtenwesen im Verwaltungsrat haben - so heißt es weiter - mehrfach deutlich gemacht, daß es keine sachlichen Gründe gebe, der Vorlage nicht zuzustimmen.

Schwarz-Schilling will nun die Beweggründe des Postverwaltungsrates abwarten. Er schließt nicht aus, von der Möglichkeit im Postverwaltungsgesetz Gebrauch zu machen, gegen das Votum eine Entscheidung des Kabinetts herbeizuführen. Diese Absicht unterstützt auch der Verband der Postbenutzer. So müssen eine Zulassung privater Modems notfalls erzwungen werden, weil die Bundespost ansonsten mit Sicherheit vom Europäischen Gerichtshof verurteilt würde.

Postverwaltungsrat wird Inkompetenz vorgeworfen

Zurückgeführt wird die Fehlentscheidung des Postverwaltungsrates aus der Sicht der TKO-Experten unter anderem auf die "Inkompetenz dieses Gremiums in Sachen Fernmeldewesen". Die Mitglieder seien zum Teil gar nicht in der Lage, das Fernmeldewesen in der Bundesrepublik umfassend zu beurteilen. Außerdem wird zu bedenken gegeben, daß im Postverwaltungsrat die Postgewerkschaft stark vertreten sei, die aus Furcht vor dem Verlust von Arbeitsplätzen den Status quo erhalten möchte. Man könne und sollte in diesem Punkt aber besser damit argumentieren, daß durch ein Beharren auf dem Modemmonopol der Post der Aufbau von Arbeitsplätzen in der freien Wirtschaft verhindert wird. Das Verbot müsse als Innovationsbremse bewertet werden. Leif Glanert, Manager Technical Support bei Texaco Europe Computer + Information Systems, in diesem Zusammenhang: "Das Equipment von der Post ist konservativ und hausbacken und wirft uns gegenüber dem internationalen Niveau um fünf bis acht Jahre zurück."