Gebremste Reiselust dämpft Wachstum

Nur wenige Tourismusanbieter suchen neue IT-Profis

01.03.2002
Von Katja Müller
Die Tourismusbranche steckt in der Krise, und in einigen IT-Abteilungen der Konzerne gibt es bereits Einstellungsstopps. Doch die computergesteuerten Geschäftsprozesse bedürfen nach wie vor der Innovation und Wartung. Firmen wie TUI, Thomas Cook und DB Systems bieten IT-Spezialisten derzeit beste Chancen für den Einstieg.

Drei Wochen vor Beginn der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin ist die Stimmung in der Branche verhalten optimistisch. Etwa 9000 Aussteller aus 180 Ländern und Regionen, knapp 1000 weniger als im Rekordjahr 2001, werden erwartet. Dennoch: Die großen Konzerne wie Thomas Cook oder Lufthansa sagten ihre Teilnahme ab.

Quelle: The European Commission
Quelle: The European Commission

Schuld an der Misere sei neben den Anschlägen des 11. September vor allem die gebremste Reiselust der Deutschen. „Derzeit wird so kurzfristig gebucht wie nie zuvor“, sagt Christian Ehlers, Generalsekretär des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft. Die Sorge um den Arbeitsplatz spiegle sich auch im regressiven Konsumverhalten der Bevölkerung wider. Erholen werde sich die angeschlagene Branche nach Ansicht des Verbandes erst im Herbst diesen, spätestens im Laufe des kommenden Jahres.

Auch die IT-Abteilungen der Tourismuskonzerne bekommen die Auswirkungen der gebremsten Reiselust zu spüren. „Im Moment sind keine freien Stellen verfügbar, wir nehmen aber Bewerbungen entgegen“, sagt eine Sprecherin der Dillon Communication Systems GmbH, Hamburg, einem Anbieter von Computerreservierungs-Systemen.

Karriere als Projektleiter

Ähnlich vage sind die Aussichten für IT-Profis, beim Deutschen Reisebüro (DER) einen Job zu bekommen. Das Frankfurter Unternehmen gehört seit Anfang 2000 zum Rewe-Konzern und beherbergt Gruppen wie ITS oder Meier’s Weltreisen unter seinem Dach. DER verhängte zwar kein Einstellungsstopp für den IT-Bereich, zurzeit seien jedoch alle Stellen besetzt, erklärte ein Firmensprecher.

Der Hannoversche Reiserveranstalter TUI gehört dagegen zu den wenigen Unternehmen, die für ihren IT-Dienstleister TUI-Infotec Computerspezialisten suchen. „Wir brauchen Softwareentwickler, Systemadministratoren im Bereich Unix und Netzadministratoren, die auch Affinität gegenüber der Tourismusbranche zeigen“, erklärt Firmensprecherin Katharina Hummel. So müssen für die etwa 200 Tochterfirmen des Konzerns Programme entwickelt werden, mit denen die Mitarbeiter ihren Kunden die Urlaubsreisen planen und reservieren sowie die entsprechenden Preise bestimmen oder Flugpakete schnüren können.

Die Bewerber sollten für diese Aufgaben keinen Hochschulabschluss mitbringen, auch Quereinsteiger mit Berufserfahrungen hätten gute Chancen. Die Aufstiegsmöglichkeiten bei TUI liegen hauptsächlich im Bereich der Projektleitung.

Chancen für Quereinsteiger

Gute Chancen auf eine Führungsposition erwarten auch Computerspezialisten, die sich beim Reiseveranstalter Thomas Cook in Oberursel bewerben. „Wir strukturieren im Moment komplett um, da könnten sich Möglichkeiten für einen Aufstieg ergeben“, sagt Personalreferentin Katharina Mayer-Schäfer. Etwa 15 Stellen seien derzeit vakant, vor allem Anwendungsentwickler, Netzadministratoren und Experten für das Qualitäts-Management suche man.

Auch hier sei ein Hochschulabschluss nicht zwingend, ebenso könnten sich Quereinsteiger aus naturwissenschaftlichen Fächern wie Mathematik oder Biologie bewerben. Darüber hinaus erwartet Mayer-Schäfer gute Englischkenntnisse und die Bereitschaft zur Weiterbildung. Dazu biete der Konzern seinen Mitarbeitern Einzelmaßnahmen, welche die Personalverantwortlichen individuell nach Wissenstand und Einsatzbereich mit den Mitarbeitern absprechen.

Als bedarfsorientiert bezeichnet auch die Teamleiterin Personal-Marketing von DB Systems, Christine Singer, ihre Weiterbildungsstrategien. Das Beratungs- und Systemhaus der Deutschen Bahn AG beschäftigt 2200 Mitarbeiter und wird Mitte des Jahres aus der Fusion der Bahn-Töchter Transport-, Informatik-, Logistik-Consulting GmbH und DB Informatik-Dienste GmbH hervorgehen. Im Umfeld der Deutschen Bahn betreut, entwickelt und realisiert DB Systems komplexe IT-Projekte.

Wie bei TUI und Thomas Cook können sich auch Quereinsteiger aus dem naturwissenschaftlichen Bereich oder Wirtschaftsingenieure bewerben. Das Aufgabengebiet umfasst fast alle Sparten der Softwareentwicklung. „Bewerber, die Gefallen an komplexen und großen Projekten finden und in innovativen Teams arbeiten wollen, sollten zu uns kommen“, sagt Singer.

Wer sich zwar den Einstieg in die Tourismusbranche vorstellen kann, aber noch ein wenig abwarten will, sollte die wirtschaftliche Entwicklung bei der Lufthansa Systems Group beobachten. Das Unternehmen in Kelsterbach ging aus dem Lufthansa-Geschäftsfeld IT-Services hervor und wurde Anfang 2001 als Holding gegründet. Im Moment darf niemand eingestellt werden, sagt Sebastian Stoll, Referent Marketing, aber grundsätzlich seien die Personalabteilungen immer auf der Suche nach IT-Beratern und Programmierern. Wie auch andere Unternehmen der Branche, setzt Lufthansa Systems den Hochschulabschluss nicht zwingend voraus. Die Aufstiegsmöglichkeiten sieht Stoll vornehmlich im Projektbereich, dort kann der Mitarbeiter bis zum Bereichsleiter avancieren.

Guido Bremer, Bereichsleiter Informationsverarbeitung von Atlas-Reisen, einem Veranstalter der Rewe-Gruppe mit Sitz in Köln, steht vor dem gleichen Problem wie Stoll. Im Moment benötige die Personalabteilung keine weiteren IT-Profis, aber sollte ein neues Projekt anstehen, würden auch wieder Mitarbeiter rekrutiert. Vor allem Netzspezialisten für Windows 2000 und XP sowie Java- und HTML-Entwickler seien in diesem Fall gesucht, um die etwa 800 Reisbüros zu betreuen, am Redesign für Internet und Intranet oder im User-Support-Bereich zu arbeiten.

Von den Bewerbern verlangt Bremer vor allem ein hohes Maß an Teamfähigkeit. In dem ebenfalls in Köln gelegenen Schulungszentrum für regionale Informationsdienste (RIS) bildet der Reiseveranstalter seine Mitarbeiter weiter. Lediglich für Computerspezialisten mit Führungsambitionen stünden die Chancen schlecht, einen Job der Atlas-Reisen zu bekommen: „Wenn, dann brauchen wir für die Projektarbeit die fachspezifischen Profis.“