Interview

Nur wenige Firmen stehen zu ihrer Linux-Nutzung

12.06.1998

Linus Torvalds entwickelte noch als Student den ersten Linux-Kernel und gilt als Begründer des Freeware-Unix. Der Name des Systems setzt sich aus Torvalds Vornamen und "Unix" zusammen. Mittlerweile gilt der Finne als Kultfigur der Open-Source-Bewegung.

CW: Obwohl keine große Firma hinter Ihrem Betriebssystem steht, leistet die Linux-Gemeinde gute Arbeit bei der Weiterentwicklung und dem Support des Unix-Derivats. Könnte dieses Modell auch für andere Software-Anbieter funktionieren, oder ist Linux einzigartig?

Torvalds: Ich sehe keinen Grund, warum das Linux-Modell nicht auch für andere Hersteller von Software funktionieren sollte. Das Problem ist nur, daß innerhalb der meisten Firmen ein Gegensatz herrscht zwischen den Programmierer-Teams und den Marketing-Abteilungen. Den Entwicklern liegt daran, bestmögliche Arbeit unter technischen Gesichtspunkten zu leisten. Da gibt es aber die Leute vom Marketing, die ihnen erzählen, was sie zu tun haben.

CW: Wie löst die Open-Source-Gemeinde diesen Widerspruch?

Torvalds: Dieses Modell separiert die beiden Gruppen. So agiert Netscapes Mozilla-Abteilung, die die öffentliche Weiterentwicklung des Browsers koordiniert, vollständig selbständig - auch wenn sie noch im gleichen Gebäude untergebracht ist wie der Rest der Firma.

Ein anderes Beispiel ist natürlich die Programmierung des Linux-Kernels. Das ganze Marketing interessiert mich nicht im geringsten. Außerdem will ich nicht, daß das Schicksal der Firma, für die ich arbeite, von meinen technischen Entscheidungen abhängt. Es gibt aber andererseits Anbieter wie Red Hat, die Linux installationsfertig auf CDs pressen, Marketing betreiben und sich um den Vertrieb kümmern. Das ist zwar dem koventionellen Modell sehr ähnlich, aber die Trennung zwischen den Entwicklern und Marketiers ist klar vollzogen. Ich glaube, daß dies auch ökonomisch sinnvoll ist. Warum sollte eine Firma alles machen wollen?

CW: Betriebssysteme werden immer wuchtiger und fetter. Glauben Sie nicht, daß dort die Entwicklung in die falsche Richtung geht?

Torvalds: Das Besondere an Betriebssystemen ist, daß man sie nur sehr schwer auswechseln kann. Sobald sich ein Anbieter in diesem Markt erfolgreich etabliert hat, verspürt er kaum noch einen Anreiz, ein wirklich gutes Produkt zu liefern - die meisten Anwender bleiben auch so bei der Stange. Außerdem verschafft ihm seine Position bei Betriebssystemen erhebliche Vorteile im Anwendungsgeschäft.

CW: Verhandeln Sie mit großen Firmen wie IBM, Sun oder Digital, damit diese Linux unterstützen?

Torvalds: Die Postionen der genannten Unternehmen sind sehr unterschiedlich. Digital hat zwei ziemlich getrennte Abteilungen für Hard- und Software. Bei der Compaq-Tochter ist man nicht der Ansicht, daß der Verkauf von Linux-Maschinen ein schlechtes Geschäft sei. Eventuelle Einkommensausfälle bei der Software kann sie aufgrund Ihrer Linux-Unterstützung durch den Verkauf zusätzlicher Hardware wettmachen. Bei Sun sieht dies anders aus. Dort sind das Hard- und Software-Geschäft viel stärker miteinander verwoben.

CW: Professionelle Anwender sind beim Einsatz von Freeware immer noch sehr skeptisch. Ihr Mißtrauen stammt wohl daher, daß kein großer Hersteller hinter den Produkten steht. Wen würden Sie mir als Referenzkunden für Linux nennen?

Torvalds: Ich glaube nicht, daß Linux über große Referenzinstallationen Einzug in die Unternehmen hält. Eher ist es so, daß der DV-Leiter eines Tages in irgendeiner Ecke einen Rechner entdeckt, der als Web-Server für eine Abteilung dient. Ganz nebenbei stellt sich dann heraus, daß diese Maschine unter Linux läuft und schon eineinhalb Jahre in Betrieb ist. Eine gewöhnliche Reaktion des Verantwortlichen ist in dieser Situation, daß er den Rechner auf Windows NT umrüstet. Meist kehren die Anwender aber dann zu Linux zurück, weil unter NT die Performance schlechter geworden ist. Linux findet also über inoffizielle Wege Eingang in Unternehmen. Ich weiß, daß beispielsweise Boeing Linux nutzt, aber ich kann niemanden auf eine Web-Seite verweisen, wo sich der Flugzeugbauer zum Freeware-System bekennt.Aber es gibt auch solche, die nicht Verstecken spielen und zu Linux stehen. Dazu gehören zum Beispiel die Raumfahrtbehörde Nasa und viele Universitäten.