Strategien zum Einsatz von ClM-Techniken häufig nicht das Papier wert:

Nur spezifische ClM-Strategie verspricht Erfolg

04.03.1988

ClM-Planung hat in der Hitliste der heißdiskutierten Informations-Management-Themen in diesen Monaten einen vorderen Platz erobert. Wohin man auch blickt, die Kette der Konferenzen, Seminare und Fachbeiträge nimmt kein Ende. Dennoch bleibt der Anwender verunsichert und zurückhaltend, obgleich die erwähnten Veranstaltungen und Publikationen geradezu vor interessanten Informationen über neue Konzeptionen strotzen.

Daß der Einsatz von CIM-Systemen strategisch geplant werden sollte, hierüber herrscht allgemeine Einigkeit. "Wie" man dabei sinnvollerweise vorgehen sollte oder "was" damit überhaupt gemeint ist, darüber ist sich mancher noch nicht im klaren. Vielleicht ist die Aufmerksamkeit, die diesem "Reizwort" mittlerweile zuteil geworden ist, nicht nur Symptom für dessen Bedeutung, sondern eher auch Indiz für die Tatsache, daß das Thema oftmals Unsicherheit und Verwirrung erzeugt.

Die Verwirrung beim Anwender ist noch groß

Nur wenige sogenannte CIM-Strategiepapiere kann man als "Plan", noch weniger als strategisch bezeichnen. Im Regelfall sind diese Konzepte lediglich "technologieorientierte Fahrpläne mit Kapazitätsschätzungen", die mit Platitüden über die "Notwendigkeit von Produktivitätssteigerungen" beginnen, mit einem "Donnerwetter, was die Dinger können!" fortfahren und anschließend auflisten, wann welches Experiment in den einzelnen Unternehmensbereichen installiert wird.

"Strategische Pläne" dieser Qualität sind unbefriedigend. Was die Unternehmens- oder Produktionsleitung dazu sagen wird, mag sich jeder selbst ausrechnen. Ein Produktionsleiter, der nicht gerade von dem heimlichen Verlangen nach immer neuester EDV-Technik getrieben wird, wird diese Pläne kurzerhand mit einem "Das ist doch nichts für uns" abtun: Er sieht nur Kosten, aber keinen Nutzen.

CIM als Mittel zum Zweck

Es gibt dennoch einen echten Bedarf für effiziente CIM-Strategien. Mancher für die CIM-Einführung Verantwortliche wird sich noch der Ad-hoc-Vorgehensweise erinnern, mit der früher Stücklisten, Arbeitspläne und Betriebsaufträge eingeführt wurden, mit all ihren verhängnisvollen Konsequenzen: inkompatible Systeme und Programme, unzufriedene Benutzer, nicht realisierte Einsparungen. Diese Negativerfahrungen möchten Unternehmen mit der "neuen Welle" der integrierten, multifunktionalen CIM-Systeme nicht noch einmal machen müssen.

Andererseits sind viele Unternehmen über ihre weitere Vorgehensweise unschlüssig. Es ist nicht besonders hilfreich, CIM als technisches Hilfsmittel zur Unterstützung grundlegender Fertigungstätigkeiten aufzufassen. Die Nutzung der Informationstechnologie in der Fertigung muß als Teil eines Gesamtprogramms zur Steigerung der Unternehmensleistung angesehen werden. Die "automatisierte Fertigung" ist nicht angestrebtes CIM-Ziel, sondern Mittel zum Zweck.

Schwerpunkt der CIM-Anstrengungen und besonders ihrer Planungen muß auf der Bestimmung der Mittel und Wege liegen, mit denen CIM-Systeme zur Effizienzsteigerung der Unternehmensaktivitäten beitragen können. Die Betonung liegt also weniger auf der "Technik" als vielmehr auf den Anwendungen, weniger auf dem "Paper-Handling", als auf den Unternehmensaktivitäten. Wie auch immer die Technik letztlich aussehen mag: Dieser Absatz erfordert es, in "Business"-Kategorien zu denken und produktionsorganisatorische Probleme zu identifizieren, zu deren Lösung entsprechende Technikunterstützung beitragen kann.

So betrachtet, ist strategische CIM-Einführung weder mysteriös, noch komplex. Diese Sicht ist auch für alle "EDV-Laien" verständlich. Ein strategischer Plan für die CIM-Einführung ist nichts anderes als ein Plan für die strategische Nutzung von ClM-Systemen. Die Anwendung geeigneter neuer Informationstechniken in einer Art und Weise, die in erster Linie darauf abzielt, einen Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele zu leisten.

Daher ist der Zweck des strategischen Plans für den Einsatz einfach: Zu entscheiden, was man will und wie man dorthin gelangt. Von beiden Zielen ist das erste dabei das wichtigere - und auch faszinierendere Der größte Irrtum, dem Unternehmen bei der Planung von CIM immer wieder verfallen, ist der, mit der Technologieplanung selber zu beginnen, statt zunächst den Bedarf des Unternehmens nach dieser Technik zu ermitteln.

Die Bedarfsanalyse kommt zu kurz

Bei den Diskussionen über Methoden der strategischen ClM-Einführung wird der aktuelle Plan dann häufig aus den Augen verloren - ein Dokument, das für die verschiedensten Zwecke verwendet werden kann:

- zur Definition von Maßnahmen die für eine erfolgreiche Implementierung erforderlich sind;

- zur Bestimmung der Anwendungen, die in Angriff genommen werden sollen, und ihrer Prioritäten;

- zum Design der technischen CIM-Architekturen.

Und was noch wichtiger ist: Der Plan muß auch eine "Vision" ausdrücken, eine konkrete Vorstellung, welchen Weg man einschlagen will, und was das Unternehmen mit der ClM-Einführung zu erreichen hofft. Struktur und Aufbau einer ClM-Strategie lassen sich aus einigen grundlegenden Prinzipien der ClM-Planung ableiten:

1. Eine ClM-Strategie muß mit der Unternehmensstrategie konvergent sein. Wenn es das Ziel ist, die Informationstechnik zu nutzen, um einen Beitrag zur Erreichung des Unternehmenszieles zu leisten, dann muß sichergestellt sein, daß der Vorschlag zur Nutzung von ClM-Techniken auch von diesen Zielen abgeleitet wird.

2. Eine ClM-Strategie muß unternehmensspezifisch erstellt werden. Allgemeine Strategien, bei denen der Firmenname ausgewechselt werden kann, ohne daß sich an der Aussage etwas ändert, nutzen nur wenig angesichts der unterschiedlichen Probleme, denen sich die Unternehmen heute in der Produktion, Logistik und Zeit- und Kapazitätswirtschaft gegenübergestellt sehen.

3. Die ClM-Strategie muß integriert und abgestimmt sein mit den EDV- und Telekommunikationsstrategien des Unternehmens. Es ist absurd, für technologische Bereiche, die derart eng verzahnt sind, drei verschiedene Strategien zu entwickeln.

Die Unterscheidung zwischen Datenverarbeitung, Telekommunikation und CIM zerfällt zudem zusehends. Unterschiedliche Strategien in diesen Bereichen sind allenfalls nützlich, um das Ausmaß zu verdeutlichen, in dem sich gegenwärtig noch Technologien, Hersteller und Implementierungen voneinander unterscheiden. Unstrittig ist, daß Strategien für diese drei Bereiche auf gemeinsamen Prämissen aufbauen, gemeinsame Ziele verfolgen und integriert entwickelt werden müssen.

Ein strategischer ClM-Plan muß nicht bis ins kleinste Detail ausgearbeitet sein.

Drei Hauptkomponenten genügen:

- eine Umfeldanalyse,

- eine Erklärung über die einzuschlagende Richtung im Sinne einer echten Direktive,

- eine begrenzte Anzahl grundlegender Teilstrategien in einigen als besonders wichtig eingestuften Bereichen.

Individuelle ClM-Vorgabe als Zielvorgabe

Das Herzstück des Ganzen ist dabei die "Direktive". Hier wird definiert was man individuell unter dem allgemeinen Begriff "CIM" verstehen will.

Diese Komponente der Gesamtstrategie beschreibt die wichtigsten Applikationen, die bedeutendsten Technologien - vor allem aber die betriebsindividuell besonders relevanten Bereiche. Hier werden zu erreichende Ziele und durchzuführende Maßnahmen festgelegt, wird der Nutzen skizziert, den man mit den neuen CIM-Strategien zu realisieren glaubt.

Dieses "Statement" muß Analyse und Rechtfertigung zugleich für den Ansatz sein, das ClM-Konzept eben nicht als angestrebtes Ziel, sondern als ein Mittel zur Steigerung der "Unternehmensleistung" und damit zur Erreichung der Unternehmensziele anzusehen. Letzten Endes ist dieses Dokument die Quintessenz der unternehmensindividuellen CIM-Strategie und der Ziele, die man damit zu erreichen hofft.

ClM-Strategie-Ziele

Beantwortet werden in diesem Kapitel zum Beispiel Fragen wie:

- Legt man besonderen Wert auf eine Automatisierung der Verwaltungstätigkeit der Fertigung, auf Entscheidungsunterstützung für das Management, auf integrierte Fertigungsabläufe?

- Will man aggressiv oder eher zurückhaltend an neue Technologien herangehen, als Innovator auftreten oder erst die Erfahrungen anderer CIM-Anwender abwarten?

- Soll der angestrebte Nutzen über eine Vernetzung, über eine eigenständige EDV-Lösung oder wodurch sonst erzielt werden?

- Wie sieht die Zeitplanung für die wichtigsten Aktivitäten aus?

- Wer ist wofür verantwortlich?

- Welche Rolle spielt das CIM-Team, und welche Verantwortlichkeit wird ihm im Vergleich zu den Anwendern eingeräumt?

Obwohl all diese Punkte im Detail erläutert werden müssen, umfaßt die Zusammenfassung des unternehmensindividuellen " CIM-Approach " nicht mehr als ein Kapitel. Dieser Abschnitt ist das Herz, alles andere ist Erläuterung.

CIM-Aktivitäten finden nicht in einem Vakuum statt. Aufgabe der Umfeldanalyse als erstem Abschnitt des strategischen Plans ist es, die Grundlagen für das Herzstück des Plans zu schaffen. Die Umfeldanalyse setzt sich aus vier Komponenten zusammen:

- Analyse der betroffenen Abteilungen,

- Bewertung der gegenwärtigen ClM-orientierten Aktivitäten,

- Überprüfung relevanter Technologien, sowie

- Beschreibung der Faktoren, die mögliche Planungsalternativen einschränken.

Die Analyse umfaßt drei Schwerpunkte:

1. Die Planungsumgebung (Bewertung externer Faktoren), zum Beispiel das allgemeine wirtschaftliche Klima, demografische Trends, Zielsetzungen und "Marschrichtungen" der Branche, sowie der wichtigsten Konkurrenten, zu erwartende gesetzliche Auflagen/Erleichterungen etc.;

2. Die (interne) Unternehmensbewertung zum Beispiel Entwicklungsmöglichkeiten, Stärken, Schwächen, Personalstruktur, installierte Systeme etc.;

3 Überprüfung der Unternehmensstrategie im Hinblick auf künftige Märkte, Produkte, Spezialisierungen etc.

Unternehmensanalyse: Ein Management-Report

Diese Analyse enthält hingegen keinerlei Hinweise auf ClM-Konzepte. Sie wird als reiner "Management-Report" formuliert, um die betriebsindividuell kritischen Faktoren herauszufiltern, Ziele, die das Unternehmen unbedingt erreichen muß, um weiterhin erfolgreich zu sein.

Diese obersten Unternehmensziele werden dann umformuliert in konkrete Teilziele, die man mit einem CIM-Programm realisieren kann, wie etwa kürzere Herstellungszeiten, Kostensenkungen, bessere Auskunftsbereitschaft, höhere Transparenz in der Fertigung, niedrigere Personalkosten etc.

Der zweite Teil der Umfeldanalyse enthält eine Beurteilung der augenblicklichen Fertigungstätigkeiten. Dieser Abschnitt liefert die Grundlagen für die vorzuschlagenden "Automations-Aktivitäten" - nicht als bloße Beschreibung, sondern als Wirksamkeits- und Wirtschaftlichkeitsdiagnose, bezogen auf die im ersten Abschnitt definierten strategischen Unternehmensziele.

Quantitative Zahlen wie Arbeitszeitüberwachungen, Informationsmengen etc. können hier zwar einfließen, aber nur im Kontext mit kritischen Erfolgsfaktoren. Uninterpretierte Statistiken sind geistlos und irreführend. Ergebnis dieses zweiten Teils der Umfeldanalyse muß eine Situationsbeurteilung der Produktionsplanungs- und

-steuerungsaktivitäten sein - und der aus ihr resultierenden Konsequenzen.

Vervollständigt wird die Umfeldanalyse durch eine Beschreibung der Faktoren, die das Spektrum möglicher Lösungsalternativen einschränken: historisch begründete Bindungen, seit jeher gültige Grundsätze, die Fähigkeit, technologischen Wandel nachzuvollziehen. All dies sind Punkte, die ohne Zweifel das Erreichen der gewünschten Ziele beeinträchtigen können. Diese "Realitäten" zu negieren, hieße Pläne aufzustellen, die zwar interessant, aber nicht praktikabel sind.

Umsetzung in CIM-Detailstrategien

Das letzte Kapitel einer ClM-Strategie definiert die Schlußfolgerungen aus der allgemeinen .Unternehmens-Direktive für bestimmte Schlüsselbereiche: Die Umsetzung des gewählten CIM-Approach in die betriebliche Praxis.

Folgende Bereiche sollten hier speziell beleuchtet werden:

1. Technologie: Festlegung des Equipment-Typs, Auswahl bewährter Hersteller, Händler, Softwarehäuser und Berater sowie notwendige Forschungs- und Entwicklungsvorhaben.

2. Organisation: Aufgaben und Befugnisse des CIM-Teams, Personalqualifikationen, Berichtsverantwortlichkeiten.

3. Finanzen: Investitionspolitik, Budget- und Anschaffungsrichtlinien, Karrierepläne.

4. Personal: Aus- und Weiterbildungsstrategien, Arbeitsbeschreibungen, Karrierepläne.

5. Implementierung: Anwendungs-Portfolie, Projektprioritäten und Projektauswahl, Einführungsstrategien.

6. Information: Zugriff auf die Unternehmensdatenbanken, DB-Anforderungen, DB-Standards vor Ort, Datenschutz- und Datensicherheit, Datenintegrität.

Auch bei der Formulierung dieser Detailstrategien sind die einschränkenden Bedingungen sowie die Umgebungsfaktoren zu berücksichtigen.

ClM-Plan muß aus einem Guß sein

Jedes einzelne Teilstück sollte zwangsläufig aus dem vorhergehenden resultieren - die unausweichliche Konsequenz: Die Unternehmensanalyse muß die auserwählte CIM-Strategie praktisch "aufzwingen", die einzelnen Teilstrecken müssen sich wie selbstverständlich aus der Gesamtstrategie unter Berücksichtigung der "Einschränkungsfaktoren" ableiten. Das gesamte Dokument sollte mit zwingender Logik nach dem Schema aufgebaut sein: Was wollen wir erreichen, und welche, Wege bieten sich uns an, diese Ziele zu erreichen.

Wenn man das CIM-Ziel klar vor Augen hat, dann ist der Weg dorthin, die Planung, nicht mehr "mysteriös". Mehr noch: Die Planungsstruktur sollte die Strategiestruktur widerspiegeln. Die Umfeldanalyse begründet die Formulierung der "Direktive", diese wiederum führt zu individuellen Teilstrategien in den verschiedensten Bereichen.

Jede Phase des Projektes "CIM-Strategie" erfordert einen individuellen Ansatz: Die Umfeldanalyse setzt eine kritische und analytische Sichtweise voraus sowie die Fähigkeit, sich Informationen aus den verschiedensten Quellen zu beschaffen. Manchmal ist ein wenig "Fingerspitzengefühl" gefragt: Existiert beispielsweise kein ausformulierter strategischer Unternehmensplan, ist das CIM-Team praktisch gezwungen, seine Vorstellungen darüber zum Ausdruck zu bringen.

Kritikfähigkeit und Fingerspitzengefühl verlangt

Die "Direktive" zu formulieren, ist die schwierigste Aufgabe. Sie verlangt Kreativität und Kritikvermögen, die Fähigkeit zu entscheiden, was (überlebens-) wichtig ist und dies mit dem "Machbaren" in Einklang zu bringen. Die Teilstrategien zu entwickeln, ist demgegenüber eine Aufgabe, die man als "konventionell" bezeichnen kann - wenngleich auch sie ihre Tücken hat.

Sicherlich könnte hier noch mehr zur ClM-Strategie und zum Planungsprozeß ausgeführt werden: Die Bedeutung der Benutzerbeteiligung, die Zusammenstellung des CIM-Teams, zweckmäßige Planungshorizonte, die Rolle des Managements. Der Schlüssel zur strategischen Planung von ClM-Systemen und zur "Entschleierung" des sie umgebenden "Mysteriösen" ist indes simpel: Das Schwergewicht auf die Unternehmensziele legen und CIM so zu nutzen versuchen, daß es diese Zielerreichung bestmöglich unterstützt.