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Nur Microsoft spricht im Anhörungsverfahren von Durchbruch

03.04.2006
In dem zweitägigen Anhörungsverfahren vom vergangenen Donnerstag und Freitag will Microsofts Chefjustitiar Brad Smith einen Durchbruch erlebt haben, der seinem Unternehmen "Klarheit" über die Forderungen der EU-Kommission gebracht habe. Nach der Meinung anderer Prozessbeobachter konnte hingegen in der Sache kein Fortschritt erzielt werden.

Microsoft habe jetzt "Klarheit" darüber, welches die genauen Forderungen der Wettbewerbshüter der Europäischen Kommission (EC) an sein Unternehmen sind. Microsoft könne nun dementsprechend handeln, um insbesondere Strafzahlungen von rund zwei Millionen Euro pro Tag zu verhindern.

Die Kartellrechtsbehörde hatte Microsoft im Jahr 2004 unter anderem dazu verpflichtet, eine Strafe in Höhe von 497 Millionen Euro zu zahlen. Ferner sollte der Softwareanbieter eine Windows-Version ohne zusätzliche Programmteile wie etwa den Media Player anbieten. Schließlich musste Microsoft für Entwickler eine Dokumentation mit Schnittstellenbeschreibungen zu Microsofts Server-Software anbieten, damit Drittanbieter in der Lage sind, interoperable Produkte zu entwickeln.

In der Folge hatte Microsoft die 497 Millionen Euro bezahlt. Auch entwickelte es "Windows N", eine abgespeckte Windows-Version. Streit gab es zwischen Microsoft und der EU-Behörde zuletzt aber noch darüber, ob der Softwaregigant tatsächlich im von der Kartellbehörde geforderten Umfang Dokumentationen für seine Server-Betriebssysteme offen gelegt hat.

Die Wettbewerbshüter um die Antitrust-Kommissarin Neelie Kroes hatten deshalb am 15. Dezember 2005 eine Beschwerde formuliert. In dieser drohten sie Microsoft eine Strafgebühr von zwei Millionen Euro pro Tag für den Fall an, dass das Unternehmen die geforderten Informationen nicht liefert. Darum, ob Microsoft diesen Teil der Auflagen von 2004 erfüllt hat oder nicht, ging es in der zweitägigen Anhörung.

In einem ersten Kommentar nach den Unterredungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit äußerte sich Microsoft-Justitiar Smith optimistisch. Die Verhandlungen hätten Klarheit darüber gebracht, was genau sein Unternehmen an Informationen noch zu liefern habe. Der unabhängige Beobachter des Verfahrens, Neil Barrett, habe die Forderungen völlig eindeutig dargelegt. In dieser Klarheit sei dies bisher noch nicht geschehen. Barrett hatte insbesondere am ersten Tag der Anhörung eindeutige Belege dafür auf den Tisch gelegt, dass die Gates-Company den Auflagen von 2004 noch nicht Genüge getan habe. Microsoft werde seine Energien nun darauf verwenden, die noch ausstehenden Probleme zu lösen, sagte Smith.

Microsoft-Opponenten sind skeptisch

Microsofts Widersacher haben einen anderen Eindruck von der Zweitagesveranstaltung gewonnen. Carlo Piano von der Free Software Foundation Europe wird mit der Aussage zitiert, Barrett habe in der Sache nichts Neues gesagt. Vielmehr zielten seine Forderungen an Microsoft auf Altbekanntes. Microsoft-Konkurrenten wie IBM, Oracle und Novell hatten am Freitag noch einmal betont, dass Microsoft die Auflagen der EU-Kartellbehörde nicht erfüllt hätte. Das "Wall Street Journal" zitiert Simon Awde mit den Worten, auch nach zwei Jahren sei das, was Microsoft an technischer Dokumentation anbiete, "unvollständig, nicht akkurat und unbrauchbar". Awde ist der Leiter des europäischen Komitees für interoperable Systeme (Ecis), die für verschiedene Microsoft-Widersacher wie etwa Oracle und IBM spricht. (jm)