Nur Lügen ist schöner

22.05.1981

IBM spekuliert bekanntlich nicht über Produktentwicklungen, die in der Pipeline sind.

Doch was externe Prognosen über das zukünftige Ankündigungsverhalten des Marktführers angeht, zeichnet sich ein Trend zu größerer Treffergenauigkeit ab. Das heißt: IBM wird für Anwender, Konkurrenten und Branchen-Analytiker berechenbarer. Und dafür gibt es eine simple Erklärung: Man kennt das Alter der einzelnen Produktlinien und kann daraus ableiten, wo IBM Replacements plant, um Schwachstellen auszumerzen und dem Vertrieb attraktive neue Produkte an die Hand zu geben.

Insgesamt ist der Bewegungsspielraum für den Universalrechner-Giganten enger geworden - Investitionen der Kunden, insbesondere in die Software, sind zu schützen.

Gleichwohl ist es immer noch ein kurzweiliges Spiel, Prognosen abzusondern und zu sehen, was passiert.

So kamen die Marktforscher der International Data Corporation (IDC) immerhin auf acht Richtige, als sie für 1980 einen Zehner-Tip über zu erwartende IBM-Produktankündigungen abgaben und auch veröffentlichten.

3033-Erweiterungen (32 MB Adressierung, Datenstrom-Modus, neue MVS-Features) sagten sie ebenso voraus wie den Stapellauf des Prozessorkomplexes 3081, der ersten "H"-Maschine.

Nicht ohne Stolz legten sich die amerikanischen IBM-Beobachter denn auch für 1981 wieder mit Voraussagen fest, was IBM ankündigen werde- nämlich:

1. Neue Datenfernverarbeitungssteuereinheiten,

2. Erweiterungen im Bereich der Serie /1-Minicomputer,

3. ein weiteres H-Serien-Modell,

4. das H-Native-Betriebssystem,

5. einen universellen Band-/Platten-Controller

6. neue Modelle innerhalb des Informationssystems 8100,

7. Magnetband-Einheiten als Back-up-Devices,

8. Iangsamere Laserdrucker (6000 Zeilen pro Minute),

9. Hochgeschwindigkeits-Zeilendrucker,

10. neue Produkte im Bereich Bürokopierer.

Angreifbar erscheinen die IDC-Wetterfrösche vor allem in zwei Punkten: Die von der IDC vermutete Notwendigkeit, neue 8100- und 308X-Modelle noch in diesem Jahr zu bringen, besteht für IBM in Wirklichkeit nicht.

Zunächst zur 8100: Das Produkt für Distributed Data Processing (DDP) ist zweifellos ein (IBM-) Kapitel für sich. Insofern spräche einiges dafür, daß zumindest kosmetische Korrekturen vorgenommen werden. Aber gleich ein neues Modell?

Das Hauptproblem wäre damit nicht gelöst: Die 8100 ist mit dem Makel behaftet, eine Problem-Maschine zu sein. Um mit Wilhelm Busch zu sprechen: Ist der Ruf erst ruiniert . . .

Das von der Basissoftware her völlig neu konzipierte System erwies sich anfangs als schwer beherrschbar. Es erstickte am eigenen Betriebssystem-Overhead. Tatsache ist, daß es mit der ursprünglichen Hauptspeicher-Ausstattung von 0,5 MB nicht zum Fliegen gebracht werden konnte.

Insider behaupten gar, daß es mittlerweile einfacher ist, die DDP-Maschine dem Kunden zu verkaufen als dem IBM-Vertrieb.

Ganz anders die Situation im Großrechnerbereich. Die Liebe der IBM - das gilt für das Top-Management wie für den Vertrieb - gehört den Dickmaschinen. Und mit der 3081 soll im kommenden Jahr Umsatz gemacht und Gewinn realisiert werden. IBM wird sich also hüten, den "Jumbo-Set" durch ein allzu schnelles H-Folge-Announcement zu verunsichern. Vielleicht liegen wir aber auch ganz schief!