Japanisches Modell für staatliche Prüfungen

Nur jeder Achte kam durch

01.08.1975

Von Robert Hürten - Exklusiv für CW

TOKIO - Japan wurde zum Vorreiter: Erst mit dem Erblühen zahlreicher EDV-Schulungsinstitute - dann damit, diesen Wildwuchs wieder auszuroden.

Seit 1969 hat das in allen Wirtschaftsfragen nahezu allmächtige Ministerium für Außenhandel und Industrie (MITI) die ins Kraut geschossenen Schulen und Lehrgänge für EDV-Personal streng unter die Lupe genommen. MITI ist in allen Bereichen darum bemüht, der japanischen Wirtschaft einen internationalen wettbewerbsfähigen Qualitätsstandard zu sichern.

Ansehen durch Diplom

Die EDV konnte davon nicht ausgeschlossen bleiben. Wie auch in der Bundesrepublik waren rührige Unternehmer darauf verfallen, ihren Landsleuten beruflichen Aufstieg zu versprechen, wenn sie nur an Lehrgängen zum Programmierer oder Systemanalytiker teilnehmen würden.

MITI indes führte glasharte Examina für staatlich geprüfte EDV-Spezialisten ein, - zunächst für Junior- und Senior-Programmierer, die erstmals 1969 Zertifikate erhielten, dann auch für Systemanalytiker. Die begehrte MlTI-Urkunde genießt in der japanischen Industrie hohes Ansehen, denn wie außergewöhnlich streng die Prüfungen sind, wird aus folgenden Zahlen deutlich.

13 000 beurkundete Spezialisten

Von 1969 bis 1973 gab es 101 136 Bewerber für die Prüfung für "Juniorprogrammierer". Nur noch 72 115 meldeten sich zum Prüfungstermin, davon bestanden 9344, - also 13 Prozent.

Bei "Senior-Programmierem": Von 33 024 Prüflingen kamen 3393 durch, das sind 10,3 Prozent. Bei Systemanalytikern: 5217 Examinanden, 737 waren erfolgreich, also 14,1 Prozent.

Der Gesamtsaldo: Rund 155 000 Bewerber, rund 110 000 Prüflinge, rund 13 000 erhielten die begehrte Urkunde. Nur jeder Achte kam durch. Mit der Qualifikationsprüfung für EDV-Spezialisten verfolgt der japanische Staat folgende Ziele:

- Das Zertifikat soll die Auszubildenden zu höheren Leistungen anspornen

- Den Ausbildungsstellen sollen durch den Prüfungsstoff die Lehr- und Lernziele vorgegeben werden

- Der Staat will der Wirtschaft einen Maßstab für die Beurteilung des EDV-Personals in die Hand geben.

Beispiel für die BRD?

Das japanische Beispiel könnte für die Bundesrepublik Modell werden. Seit Jahren gibt es - bisher vergebliche - Bemühungen, einheitliche Ausbildungsstandards für EDV-Fachkräfte zu schaffen.

Alternative für Difad

Der Anlauf des ADL-Verbandes vor einem Jahrzehnt, mit der Gründung des Difad (Deutsches Institut für angewandte Datenverarbeitung) Richtlinien durchzusetzen und in der damals viel genutzten Difod-Prüfungen zu praktizieren, blieb stecken. Heute spricht über diesen Anlauf kaum noch jemand.

ADL und Difad haben bedauerlicherweise die eigene Initiative einschlafen lassen. Die damaligen Absolventen der ersten Prüfungsstufe fanden dadurch auch später keine Möglichkeit mehr, die Prüfungsreihe aufbauend zu Ende zu führen. Zwar ist der Wildwuchs oft fragwürdiger EDV-Schulungen auch hier von allein zurückgegangen, aber einheitliche Merkmale für Leistungsqualifikationen beim Nachwuchs, aber auch bei den Praktikern, sind trotzdem zweifellos wünschenswert.

Robert Hürten ist Geschäftsführer des alv-institus Peter Kreis GmbH, Darmstadt.