Abteilungsrechner - Schnee von gestern oder Hit von morgen?

Nur die Anwendung zählt

26.02.1988

Das Konzept des Abteilungsrechners ist das Konzept des Universalrechners - auf diese einfache Formel läßt sich das Problem der Klassifikation der "typischen Abteilungsmaschine" bringen. Ausschließlich die Anwendung bestimmt die Details der Architektur.

Wer jemals versucht hat, Computer zu klassifizieren, wird auf beachtliche Schwierigkeiten gestoßen sein. Der Grund dafür ist recht einfach. Handelt es sich doch, von Ausnahmen abgesehen, "nur" um Varianten eines Konzepts. Dieses Konzept wurde vor geraumer Zeit von einem gewissen Herrn von Neumann entwickelt. Es ist das Konzept des Universalrechners.

Früher, das heißt vor wenigen Jahren, ließ sich die Welt der Universalrechner noch leicht einteilen in Minicomputer und Mainframes. Diese Aufteilung wurde ergänzt durch solche Merkwürdigkeiten wie MDT-Rechner, DDP-Rechner, Superminis oder ähnliches. Aber wie sie auch genannt wurden, allen war die gleiche Von-Neumann-Architektur gemeinsam. Sie unterschieden sich lediglich durch die Geschwindigkeit der Verarbeitung, den Ausbau des Speichers, den Durchsatz an Informationen, den Preis und die Software.

Bewegung kam in die Szene, als man es schaffte, komplette Zentraleinheiten auf einem Chip zu implementieren. Damit stieß man in völlig neue Preisdimensionen vor: Das Zeitalter des Mikrocomputers brach an. Der Mikrocomputer unterschied sich von den anderen Universalrechnern dadurch, daß er in Form von PCs oder Workstations für den exklusiven Gebrauch durch einen einzigen Benutzer konzipiert wurde.

Die Entwicklung der Zentraleinheit auf einem Chip verlief dynamisch und wird für die voraussehbare Zukunft in dieser Form anhalten. Dabei kann man mit einer Leistungssteigerung von etwa 50 Prozent pro Jahr rechnen. Selbstverständlich wollte man dieses enorme Potential aber auch in anderen Bereichen nutzen, und so verwendete man die neuen Chips nun wiederum dazu, Universalrechner für den Multiuser-Betrieb zu entwickeln.

Zur Zeit gibt es also Universalrecher in Form von PCs, Workstations und Multiuser-Systemen auf der Basis von Mikrochips sowie Multiuser-Systeme auf der Basis von ECLTechnik für den Großrechnerbereich. Bedenkt man jedoch, daß sich das Preis-/Leistungs-Verhältnis von Großrechnern "nur" um 20 Prozent pro Jahr verbessert, so ist der Zeitpunkt vorauszusehen, an dem der Mikrocomputer, die Ein-Chip-Implementierung des Universalrechners, eine höhere Leistung haben wird als der Mainframe-Prozessor - und zwar nicht nur relativ, sondern auch absolut.

Geht man ferner davon aus, daß die Preise für Halbleiterspeicher um 60 Prozent pro Jahr fallen, so ist Mitte der 90er Jahre mit unglaublich leistungsfähigen Mikroprozessoren zu rechen, die die Power von Mainframes haben oder sie sogar übertreffen.

Die Frage ist also berechtigt: Wo bleibt da der Abteilungsrechner? Antwort: Es gibt keinen Abteilungsrechner. Es gibt nur Rechner, die auf Abteilugsebene eingesetzt werden. Sie werden aus dem Spektrum der angebotenen Systeme nach Speicherfähigkeit, Rechengeschwindigkeit, Durchsatz und Software entsprechend der Anforderung der Abteilung ausgewählt. Der Abteilungsrechner stellt mithin keine besondere Architektur dar, sondern eine spezielle Ausprägung eines allgemeinen Systems.

Darüber hinaus läßt sich erkennen, daß man mit zunehmendem Einsatz von PCs und Workstations dazu übergehen wird, anstelle von Multiuser-Systemen sogenannte Server für die Abteilungen einzusetzen. Bei einem Server handelt es sich ebenfalls nicht um eine neue Architektur, sondern um eine spezielle Verwendung des Universalrechners, sei es auf der Basis von Mikroprozessoren oder auf der Basis von Mainframe-Technologie. Der Server wird über ein LAN mit den Workstations und PCs der Abteilung verbunden und erfüllt gemeinsame Aufgaben.

Fazit: Bei dem Phänomen Abteilungrechner handelt es sich weder um Schnee von gestern noch um den Hit von morgen, sondern lediglich um ein Einsatzgebiet für konventionelle Computer mittlerer Größe. Den Abteilungsrechner hat es eigentlich - außer in der Werbung - nie gegeben.