Interview

"Nun müssen wir keinen Support mehr bieten"

01.11.1996

CW: Borland hat die exklusiven Lizenzrechte der Datenbank "Paradox" an den kanadischen Grafikprimus Corel abgegeben. Wie sieht die Zukunft des Produkts aus?

Romen: Durch den Verkauf gehen die gesamte Weiterentwicklung und der Support in den Verantwortungsbereich von Corel über. Borland wird aber auch in Zukunft die Borland Database Engine, die eigentliche Kerntechnologie also, behalten und weiterentwickeln. Das Herzstück von Paradox lebt in "Delphi" weiter.

CW: Aber Paradox galt zusammen mit Delphi als strategisches Produkt. Weshalb gibt Borland die Datenbank ab?

Romen: Wir wurden in der Vergangenheit ständig gebeten, Paradox besser an die Bedürfnisse von Endanwendern anzupassen. Aber Borland agierte und agiert hauptsächlich im Entwicklerumfeld. Uns geht es darum, mit Produkten Anwendungen zu erzeugen. Corel hingegen besitzt die Fähigkeit, Programme benutzerfreundlicher und integrierbarer zu gestalten. Corel kann die Integration mit seiner Office-Suite sowie End-User-Erweiterungen effektiv ausbauen. Wir jedoch müßten, um diese Fähigkeiten zu erweitern, sehr viele zusätzliche Ressourcen aufwenden. Nach dem Verkauf von Paradox müssen wir keine Wartung und keinen Support mehr bieten. Die Beweggründe von Corel sind ebenfalls klar: Der Anbieter hat gemerkt, daß man mit der von Novell übernommenen Bürosuite "Perfect Office" sehr gut landen kann. Sie wollen diesen Bereich verstärken.

CW: Wieviel bezahlt Corel für Paradox?

Romen: Die genauen monetären Umstände kommentieren wir nicht.

CW: Und die ungenauen?

Romen: Auch nicht.

CW: Der Verkauf von Paradox stand bereits vor rund einem Jahr zur Debatte. Weshalb erfolgte er erst jetzt? Gab es vorher keine Interessenten?

Romen: Paradox stand bislang nicht zum Verkauf. Das waren reine Spekulationen. Aber Corel hat mit Perfect Office bessere Chancen als zuvor Novell. Deshalb bot sich der Kauf zum jetzigen Zeitpunkt an.

CW: Gary Wetsel, langjähriger CEO von Borland, ist vor einiger Zeit zurückgetreten. Bislang hat ihr Arbeitgeber keinen neuen Firmenchef ernannt. Weshalb?

Romen: Die Aufgaben von Wetsel hat Whitney Linn, ursprünglich verantwortlich für den OEC-Bereich, kurzzeitig übernommen. Allerdings sind wir noch auf der Suche nach einem neuen CEO. Aber wir machen Fortschritte.

CW: Auch Chefentwickler Anders Hejlsberg und Paul Gross, ehemaliger Vice-President für Forschung und Entwicklung, haben den Hut genommen und sind zu Ihrem Konkurrenten Microsoft abgewandert. Fehlen Borland nun nicht wichtige Persönlichkeiten?

Romen: Gross war ein sehr guter Mann, das stimmt. Wenn Gross jedoch das Angebot bekommt, als Vice-President beim größten Software-Unternehmen der Welt einzusteigen, ist dieser Schritt für seine persönliche Karriere absolut richtig. Über die Beweggründe von Anders Hejlsberg, einem der Väter von Turbo-Pascal und Vorbereiter von Delphi, weiß ich sehr wenig. Allerdings sind Entwickler in der Regel nur etwa acht Jahre wirklich produktiv.

CW: Heißt das, Hejlsberg war nicht mehr produktiv genug?

Romen: Doch, aber sein Weggang hat keinen direkten Einfluß auf unsere weitere Produktentwicklung, weil er in den letzten zwei Jahren nicht mehr in der Entwicklungcrew saß.

CW: Borland muß für das zweite Quartal dieses Jahres mit elf Millionen Dollar Verlust rechnen. Wie erklären Sie sich die Einbußen?

Romen: Genau gesagt beträgt der Verlust des gesamten Unternehmens 33 bis 36 Cent pro Anteilsschein. Die Borland-Töchter jedoch verzeichneten bis Ende Juni 1996 das beste Quartal seit mehr als zwei Jahren.

CW: Dies bedeutet doch, daß ihre US-Zentrale im kalifornischen Scotts Valley einen schlechten Job macht, oder?

Romen: Richtig. Der Overhead in den USA ist eines der gravierendsten Probleme. Deshalb haben wir letzte Woche auch entsprechende Maßnahmen getroffen und Kündigungen ausgesprochen. In den USA wurden personelle Kürzungen hauptsächlich für die Bereiche Vertrieb und internes Management Information System (MIS) beschlossen. Die Segmente Forschung und Entwicklung sowie Marketing sind davon hingegen nicht betroffen.