"Spiegel"

NSA speicherte mehr als 300 Berichte über Merkel

31.03.2014
Stück für Stück ergeben die Snowden-Enthüllungen ein Gesamtbild. Ein neues Dokument zeigt, wie systematisch der US-Geheimdienst NSA Staats- und Regierungschefs ausspioniert hat. Unter A wie Angela Merkel auf der Liste: die Kanzlerin. Wird die Bundesanwaltschaft aktiv?

Der US-Geheimdienst NSA hat in einer Datenbank nach einem "Spiegel"-Bericht über 100 Staats- und Regierungschefs offiziell als Spionageziele erfasst, darunter Kanzlerin Angela Merkel. Allein über sie seien mehr als 300 Berichte gespeichert, schreibt das Magazin unter Berufung auf ein geheimes NSA-Dokument aus dem Archiv des Informanten Edward Snowden.

Das Dokument belege, dass die National Security Agency (NSA) nachrichtendienstliche Erkenntnisse über die Bundeskanzlerin gesammelt habe, und könnte damit ein wichtiges Beweisstück für die Bundesanwaltschaft sein, heißt es weiter. Diese wolle in Kürze entscheiden, ob sie ein Ermittlungsverfahren wegen Spionage einleitet.

Die Karlsruher Behörde beschäftigt sich mit zwei Vorwürfen. Einer betrifft das massenhafte Ausspähen der Bürger in Deutschland, der andere den konkreten Punkt, dass ein Mobiltelefon Merkels abgehört worden sein soll. Wird tatsächlich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, erwarten Experten neuen Ärger mit den USA. Der Ex-Geheimdienstmitarbeiter Snowden hatte Tausende Geheimdokumente an Journalisten übergeben und so den NSA-Skandal losgetreten.

Das Dokument, das "Der Spiegel" einsehen konnte, liste allem Anschein nach alphabetisch 122 Staats- und Regierungschefs auf, über die die NSA im Mai 2009 Informationen gesammelt habe, heißt es. Zwölf Namen seien exemplarisch aufgeführt, darunter Merkel.

Die Liste beginne bei A wie Abdullah Badawi, dem damals gerade zurückgetretenen malaysischen Ministerpräsidenten. Nummer 122 sei - von der NSA mit Y geschrieben - Julia Timoschenko, 2009 noch ukrainische Premierministerin.

Das Magazin berichtet auch über ein weiteres Dokument aus der NSA-Abteilung "Special Sources Operations", die für den Zugang zu den großen Internet-Trassen zuständig sei. Daraus gehe hervor, dass das für NSA-Anträge zuständige US-Sondergericht den Geheimdienst am 7. März 2013 autorisiert habe, Deutschland zu überwachen.

Welche Daten davon genau betroffen seien, lasse sich anhand des Dokumentes zwar nicht sagen. "Der Spiegel" beruft sich aber auf die Einschätzung der amerikanischen Bürgerrechtsorganisation ACLU. Diese geht demnach davon aus, dass der NSA damit der Zugriff auf die Kommunikation aller deutschen Staatsbürger erlaubt ist.

Die Grünen forderten angesichts der neuen Enthüllungen erneut umfassende Aufklärung. "Die Regierung muss mehr tun, um Licht ins Dunkel der Geheimdienste zu bringen", sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. "Mit mehr oder weniger formalem Protest ist es nicht getan." Im Bundestag nimmt Anfang April ein Untersuchungsausschuss seine Arbeit auf. Er soll die Affäre parlamentarisch aufarbeiten. (dpa/tc)