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NSA sammelte Daten von Millionen - Proteste im Kongress

12.05.2006
Der US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) hat offenbar heimlich Milliarden Daten über die Telefongespräche vieler Millionen US-Bürger gesammelt.

Präsident George W. Bush sah sich am Donnerstag nach einem entsprechenden Bericht der Zeitung "USA Today" zu einer von den großen US-Fernsehsendern direkt übertragenen Stellungnahme gezwungen. Der Präsident betonte die Gesetzmäßigkeit aller NSA-Aktivitäten im Kampf gegen den Terrorismus.

Führende Politiker beider US-Parteien kritisierten zum Teil scharf die gigantischen Datensammlungen. Die Enthüllungen gefährden aus Sicht der Demokraten die Ernennung des designierten Chefs des Geheimdienstes CIA, General Michael Hayden, der noch vom Senat bestätigt werden muss. Hayden sei 2001 als NSA-Chef für das Überwachungsprogramm der Datensammlungen verantwortlich gewesen.

Die drei großen US-Telefongesellschaften AT&T, BellSouth und Verizon haben der "USA Today" zufolge seit Herbst 2001 - nach den Terroranschlägen vom 11. September - die NSA mit Informationen ihrer rund 200 Millionen Kunden gefüttert. Die Datensammlung beinhalte keine Aufzeichnungen von Telefongesprächen, sondern nur Verbindungsdaten. Es sei dem Geheimdienst darum gegangen, mit Hilfe der Daten verdächtigen Aktivitäten auf die Spur zu kommen. "Das ist die größte Datenbank, die jemals auf der Welt erstellt wurde", zitierte die "USA Today" einen der Informanten, die aber nicht näher identifiziert werden wollten.

"Die Privatsphäre des normalen Amerikaners wird bei allen unseren Aktivitäten strikt geschützt", sagte Bush. Im Kampf gegen El Kaida seien lediglich Auslandsgespräche abgehört worden. Im Privatleben von Millionen unschuldiger Amerikaner werden nicht herumgeschnüffelt. Alle Maßnahmen richten sich ausschließlich gegen El Kaida und ihre Verbündeten. Bush bedauerte, dass "jedes Mal, wenn Geheimdienst-Informationen bekannt werden, unsere Fähigkeit, den Feind zu schlagen, geschwächt wird".

"Will mir jemand erzählen, dass zig Millionen Amerikaner etwas mit El Kaida zu tun haben?" kritisierte aufgebracht der demokratische Senator Patrick Leahy (Vermont). "Das sind zig Millionen Amerikaner, die für rein gar nichts verdächtig sind." Es sei eine "Schande", dass der Kongress so wenig wisse und bereit sei, alles zu billigen, was diese Regierung tue.

Der Führer der demokratischen Minderheitsfraktion, Senator Harry Reid (Nevada), sagte: "Das amerikanische Volk hat immer weniger Vertrauen darin, dass diese Regierung eine effiziente Strategie hat." Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein (Kalifornien) sieht eine drohende Verfassungskrise in den USA kommen. Mit den Überwachungsmaßnahmen der NSA würden Verfassungsrechte verletzt, sagte Feinstein. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Senat, der republikanische Senator Arlen Spector (Pennsylvania), kündigte eine Anhörung der Telefongesellschaften in dem Gremium an.

Bush war im Dezember 2005 wegen zahlreicher Lauschangriffe der NSA vom US-Kongress heftig kritisiert worden. Der Präsident verteidigte die richterlich nicht genehmigten Lauschangriffe mit dem Kampf gegen den Terrorismus. Auch republikanische Volksvertreter hatten dieses Vorgehen als verfassungsrechtlich sehr problematisch bezeichnet. (dpa/tc)