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November

30.12.1998
Von Michael Hufelschulte
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MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - America Online (AOL) übernimmt im Rahmen eines Aktientauschs im Wert von 4,2 Milliarden Dollar den Internet-Pionier Netscape. AOL geht es vor allem um die Browser-Technik und das Portal „Netcenter“. Deshalb wird Sun Microsystems mit ins Boot geholt. Für 350 Millionen Dollar, zahlbar in Form von Lizenz- und Marketing-Gebühren, erwirbt Sun das Recht, die E-Commerce- und Server-Produkte von Netscape zu nutzen und zu vermarkten. Gemeinsam wollen AOL und Sun außerdem Java-basierte Geräte für den Internet-Zugang entwickeln, die dem Online-Dienst AOL zu einer weiteren Verbreitung verhelfen sollen.

Daß Sun allein über die Weichenstellungen im Java-Markt befinden soll, ist dem Wettbewerb ein Dorn im Auge. Unter der Leitung von Microsoft und Hewlett-Packard schließen sich 15 Hersteller zur Real Time Java Working Group zusammen. Sie wollen zunächst einen offenen Standardisierungsprozeß im Bereich der Echtzeit-Erweiterungen von Java im Bereich der Embedded-Systeme erreichen.

Im deutschen PC-Markt geht es hoch her: Die Schadt Computertechnik GmbH, die über 100 Ladengeschäfte betreibt, meldet Konkurs an. Die Ära der Billig-PC-Anbieter scheint sich ihrem Ende zuzuneigen, da branchenfremde Anbieter wie Warenhäuser und Lebensmittel-Discounter in den Markt drängen. Vor allem Aldi machte mit seinen Billigangeboten Furore.

Schnäppchen finden sich jetzt auch in einem traditionell hochpreisigen Markt, dem für betriebswirtschaftliche Standardsoftware. SAP, Baan und Peoplesoft unterbieten sich zumindest in den USA mit Dumping-Angeboten. Wer geschickt taktiert und den maximalen Rabatt herausschlägt, kann bis zu 70 Prozent unter dem Listenpreis bleiben.

Microsoft nennt Windows NT 5.0 nun Windows 2000 - ein Hinweis auf den Auslieferungstermin? Nach ersten Betatests wird jedenfalls offenkundig, daß die Software-Company noch sehr viel Arbeit mit ihrem Betriebssystem hat. Die für 1999 angekündigte Auslieferung wird immer unwahrscheinlicher.

Baan kündigt die Entlassung von 20 Prozent seiner Mitarbeiter - 1200 von 6000 Beschäftigten müssen gehen - und eine umfassende Restrukturierung an. Da Baans Schwächen im Bereich Service und Support bekannt sind, fürchten die Anwender nun eine abermalige Verschlechterung.

Im Microsoft-Prozeß kommen die ersten Zeugen der Anklage zu Wort. Nach der Vernehmung von Netscape-Chef Jim Barksdale erhärtet sich der Verdacht, Microsoft habe eine ungesetzliche Marktabsprache mit dem Browser-Hersteller versucht. Apple-Manager Avadis Tevanian sagt aus, Microsoft habe Apple zwingen wollen, die Multimedia-Software Quicktime einzustellen. Außerdem soll die Gates-Company gedroht haben, das Office-Paket nicht mehr für den Mac zu entwickeln, sollte Apple sich weigern, den Browser von Microsoft standardmäßig auszuliefern.

Unterdessen erleidet die Softwareschmiede gegen Sun eine Schlappe: Per einstweiliger Verfügung erwirkt Sun, daß Microsoft innerhalb von 90 Tagen Browser und diverse Entwicklungsprodukte an die von Sun festgelegten Normen anpassen muß. Microsoft soll verschiedene Copyrights verletzt und gegen Wettbewerbsrecht verstoßen haben.

Das Unix-Derivat Linux findet eine Verbreitung, die Microsoft offenbar als bedrohlich einschätzt. Das Betriebssystem vereine die besten Unix-Features in sich und habe das Zeug, als Basissoftware für den Einsatz unternehmenskritischer Systeme breitflächig zum Einsatz zu kommen, urteilt eine Microsoft-interne Studie, die unter dem Codenamen „Halloween-Papier“ Verbreitung findet. Wer nun denkt, Microsoft habe diesen Bericht absichtlich veröffentlicht, um dem Gericht zu beweisen, daß von einem Monopol von Gates & Co. nicht die Rede sein kann, der irrt: Microsoft schlägt zur Abwehr des Gegners unter anderem vor, Standardprotokolle des Internets proprietär zu erweitern, so daß Freeware-Entwickler keinen Zugang mehr zu deren Spezifikationen haben.

Die Integration der IT-Tochter Siemens-Nixdorf in den Mutterkonzern löst bei Anwendern Verwirrung aus. Zwar gibt es seit dem 1. Oktober die drei Siemens-Bereiche IuK Produkte, IuK Netze und IuK Business Services, aber wie die Koordination zur Bedienung von Großkunden erfolgen soll, bleibt im dunkeln. Eine eindeutige Produkt- und Strategieplanung ist nach Meinung des Anwendervereins Save noch nicht in Sicht.

Chaostage beim Münchner Elektronikkonzern Knürr verursacht Standardsoftware-Anbieter SSA. Dessen PPS-Software „BPCS“ konnte nicht zur Zufriedenheit eingeführt werden. Lagerbestände stimmten nicht, Liefertermine platzten, Auftragsdaten wurden nicht korrekt von einem Softwaremodul zum nächsten weitergegeben. Der Schaden läßt sich aus der Knürr-Bilanz ablesen: Statt den erwarteten 6,4 Millionen Mark Gewinn konnten nur 3,1 Millionen eingestrichen werden.

Ein Leben in Unabhängigkeit von Microsoft - diese Vision hegen immer mehr Softwarehäuser, darunter Oracle, Corel und Star Division. Oracle kündigt dedizierte Datenbank-Server für das Billigsegment an, die ohne ein Microsoft-Betriebssystem auskommen. Die Rechner sollen in Zusammenarbeit mit Dell, Sun, Hewlett-Packard und Compaq entstehen. Corel und Star bringen ihre Office-Pakete auf Linux heraus. Die Hamburger Star Division verschenkt ihr Office-Paket zudem an private Anwender.