USL-Manager Mitze bezieht Stellung

Novells Unix bleibt weiterhin trotz Netware-Integration offen

24.09.1993

WIESBADEN (CW) - Der PC-LAN-Marktführer Novell hat angekündigt, die Unix-Architektur weiterhin offen zu halten und auch künftig andere Hersteller am Standardisierungsprozess von Unix zu beteiligen. Darüber hinaus aber soll das Betriebssystem eng mit Unixware und Netware verbunden werden. Statt zwei Unix-Produkten wird es irgendwann nur noch eines geben - und das trägt die Bezeichnung "Unixware".

Schon heute entspräche die Funktionalität von Unixware der von System V, Release 4. So lauteten die Kernaussagen von Bob Mitze, dem Managing Director der USL Europa, auf der diesjährigen Tagung der German Unix User Group (GUUG) in Wiesbaden. Damit griff Mitze ein wenig dem mit Spannung erwarteten Vortrag von Ray Noorda, President und CEO der Novell Inc., voraus.

Die Ausführungen Noordas anlässlich der Unix Expo in New York sollen klären, welche Politik das Unternehmen in bezug auf den De- facto-Standard System V, Release 4, einschlagen wird. Nachdem Novell die Unix System Laboratories (USL) und damit die Rechte an Unix erworben hatte, kamen Zweifel auf, ob Novell die offene Gestaltung von Unix auch wirklich ernst nehmen wird.

Um Bedenken der Anwender und Händler zu zerstreuen, strich Mitze die Bedeutung von Unix-Spezifikationen heraus und verwies auf die Herstellerinitiative Common Open Desktop Environment (COSE). Deren Definitionen streben eine einheitliche Betriebssystemumgebung an, Unabhängigkeit von verschiedenen Prozessortechniken, ein stimmiges Set von Schnittstellen für die Applikationsentwicklung sowie eine möglichst einheitliche Benutzeroberfläche.

Novell ist Mitglied von COSE, welche gerade ihre ersten Spezifikationen an das Standardisierungsgremium X/Open übergeben hat. Trotz der Erfolge, die die Herstellervereinigung im Bereich der Applikationsschnittstellen (APIs) und der Common Desktop Environment (DCE) aufzuweisen habe, verblieben noch "hundert Dinge, die zu realisieren seien", erläuterte Mitze.

In diesem Sinne sei Novell zu den federführenden der 70 Hersteller zu zählen, die gerade die X/Open-Vereinbarung zu einem einheitlichen Unix unterzeichnet hätten (siehe auch Thema der Woche, Seite 7).

Die Verquickung von Unix, Unixware sowie Netware ordnete Mitze in diesen Rahmen ein. Er betonte in seiner Rede, dass sich Novells Intention hauptsächlich an den Bedürfnissen der Anwender ausrichte. Vorübergehend wolle das Unternehmen Unix und Netware als Rightsizing- Plattformen etablieren, wobei Unixware primär in der Desktop-Technik und Unix auf Servern eingesetzt werden soll. Unix und Unixware würden als vertikale Technik für die unternehmenskritischen Bereichen positioniert, während Netware den horizontalen Server für Messaging- und Connectivity-Aufgaben verkörpere.

Der Weg zu einer nahtlosen Integration von Netware- und Unix- Funktionalitäten führe sodann über eine integrierte Netz-Umgebung. Dafür ist das Netzprotokoll TCP/IP vorgesehen, über das Unix- Workstations- oder -Netze mit Netware-Netzen beziehungsweise - Rechnern miteinander kommunizieren sollen.

Die auf die System V 4.2 folgende 4.2-Multiprozessor-Version, deren Freigabe noch für dieses Jahr vorgesehen ist, soll Netware- Unix-Clients unterstützen können. Ausserdem werde Novell die Unixware-Server enger mit Netware-Services verknüpfen, beispielsweise indem globale Verzeichnisse sowie Autorisierungsfunktionen oder auch das Netware Management-System integriert würden.

Laut Mitze wird Novell Unix als Unixware sowohl im Binärcode als auch im Quellcode ausliefern. OEMs würden mit beidem bedient. Im Direktvertrieb liefert Novell Unixware-Sourcecode. Die Zukunft sieht der USL-Manager in der Microkernel-Technik, die bereits mit der Unix-Version 4.2MP in Angriff genommen werden soll, sowie in der Objekt-orientierung.

Unixware im Binär- und im Sourcecode

Auch an Netware sollen Änderungen vorgenommen werden. So wird vermutlich zum Ende des nächsten Jahres die Integration des Online-Transaktionsprozessors für Client-Server-Systeme "Tuxedo" verwirklicht sein. Zur Zeit stammt dieser Teil von Unix System V, Release 4. Darüber hinaus ist eine asymmetrische Multiprozessor- Version von Net- ware angekündigt, womit jeder der angeschlossene Prozessor einen jeweils anderen Service unterstützen kann.

"Unix bleibt offen" beruhigte Bob Mitze Anwender wie Anbieter auf der GUUG.