Novell: Trotz und Resignation

01.04.1994

Nichts scheint den noch vor einem Jahr hochgepriesenen LAN- Marktfuehrer Novell mehr gelingen zu wollen. Aus Angst, in der Netzwerkecke zu versauern, hat sich das Unternehmen in letzter Zeit zu einem gewagten Akquisitionskurs hinreissen lassen. Doch das einzig erkennbare Motiv hinter den zum Teil Milliarden Dollar schweren Investitionen ist keineswegs die Eroberung profitabler Maerkte, sondern lediglich der Zweikampf mit dem Erzrivalen Microsoft.

Mehrere Jahre lang hat sich Novell vor allem Betriebssystem- Techniken zugelegt. Anfang 1993 haben es die Netzwerker sogar verstanden, sich im Unix-Bereich als Speerspitze der Industrie gegen die drohende Dominanz von Windows NT zu positionieren. Als Unix-Kaeufer (Preis 321 Millionen Dollar) versprachen sie, die zerstrittenen Unix-Anbieter unter Novell-Vorzeichen zu einen. Die Branche hat es ihnen nicht gedankt. Rasch wurde der Einfluss der Unix-Lizenzgeber durch X/Open, COSE und OSF auf ein Minimum zusammengestutzt. Auch die Hoffnungen auf einen raschen Erfolg mit dem als Notbremse gegen NT gedachten PC-Unix Unixware zerschlug sich - nicht zuletzt deshalb, weil der befuerchtete Erfolg von Microsofts 32-Bit-Betriebssystem ausblieb. Dass Novell jetzt Sun aus der Lizenzpflicht entlaesst, ist ein deutliches Zeichen dafuer, dass das Unternehmen seine hochgesteckten Unix-Ambitionen aufgegeben hat. Schliesslich war der sich straeubende Sun-Chef McNealy noch bei der USL-Uebernahme mit Hilfe der gesamten Branche in das gemeinsame Unix-Boot genoetigt worden.

Auch wenn Novell weiterhin Unix-Kurs steuern wird, so hat das Unternehmen mit dem Kauf von Wordperfect und Quattro Pro doch eine wesentliche und nicht ungefaehrliche Richtungskorrektur vorgenommen. Obwohl das Unternehmen damit zur Nummer zwei im Softwaremarkt wird, geht es ihm auch diesmal weniger darum, sich Zukunftsmaerkte zu erschliessen. Vielmehr suchen die Netzwerker den Showdown mit Microsoft jetzt auf der Applikationsebene. Damit wagt sich der Herausforderer trotz leerer Kriegskasse ausgerechnet auf das Gebiet, in dem Bill Gates derzeit am erfolgreichsten agiert.

Derweil warten Novells Kunden vergeblich auf ein Plug-and-play- Netz-Betriebssystem oder schlicht auf eine funktionierende Netware-4-Version.

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