Novell sucht Groupware-Anschluss

11.08.2005
"Groupwise" spielt in Novells Linux-Strategie eine wesentliche Rolle. Die Version 7 soll nun Boden gegenüber IBM und Microsoft gutmachen.
Mit Groupwise 7 (Sequoia) kommt ein Upgrade-Angebot für Exchange- und Notes-Anwender: 49 Dollar pro User-Lizenz (rund 70 Prozent unter dem aktuellen Preis), inklusive zwei Jahre Upgrade-Schutz.
Mit Groupwise 7 (Sequoia) kommt ein Upgrade-Angebot für Exchange- und Notes-Anwender: 49 Dollar pro User-Lizenz (rund 70 Prozent unter dem aktuellen Preis), inklusive zwei Jahre Upgrade-Schutz.

Nach rund viereinhalb Jahren kündigt Novell wieder ein großes Update seines Groupware-Systems an. Als ewiger Dritter hinter den Marktführern IBM und Microsoft zieht es mit Groupwise 7 nun bei vielen Funktionen mit den beiden Großen gleich. Die neue Ausführung findet indes nicht nur veränderte Rahmenbedingungen im Markt für Messaging- und Collaboration-Werkzeuge vor, sondern trifft auch beim Hersteller selbst auf ein verändertes Umfeld.

Neu in Groupwise 7

• Synchronisierung mit Palm- und Windows-Mobilgeräten via Desktop-PC;

• verbesserter MAPI-Connector für Outlook;

• überarbeiteter Web-Client mit Unterstützung für Drag-and-Drop, Kontextmenüs und integriertem Viewer für Anhänge;

• konfigurierbare Startseite mit Tagesübersicht für Kalender und Aufgabenliste;

• Web-Service-APIs für die wichtigsten Funktionen des Groupware-Servers;

• mehrere Kalender pro Benutzer möglich, etwa für Projekte;

• Anzeige des Online-Status von Mail-Absendern ("Presence Awareness");

• "Suse Linux Enterprise Server" im Lieferumfang;

• aktualisiertes Migrationswerkzeug für Microsoft Exchange.

Abschied von Netmail

Netmail entstammt der Novell-Ausgründung Novonics und firmierte ursprünglich unter der Bezeichnung "Novell Internet Messaging System" (NIMS). Es sollte Groupwise ergänzen, das mit dem Zukauf von Wordperfect zu Novell gelangte und als typische Lösung aus der Client-Server-Ära proprietäre Technologie nutzte. Netmail hingegen beruht auf Internet-Standards und ist für einfache Anforderungen und große Benutzerzahlen gedacht, etwa beim Web-Hosting oder in großen Bildungseinrichtungen. Außerdem bedient es Unix-Systeme, während Groupwise auf Windows und Netware ausgelegt war.

Diese Positionierung von Netmail wurde in letzter Zeit hinfällig, da sich der angepeilten Zielgruppe mittlerweile leistungsfähige Open-Source-Alternativen bieten. Außerdem unterstützt Groupwise seit längerer Zeit alle gängigen Messaging- sowie Kalenderstandards und läuft mit der strategischen Neuausrichtung von Novell seit der Version 6.5 auch unter Linux. Deshalb übergaben die Netzwerker aus Utah den Code von Netmail vor einem halben Jahr an das Open-Source-Projekt "Hula". Bis dort eine neue Version der Software publiziert wird, können Anwender noch Lizenzen der aktuellen Ausführung von Novell beziehen.

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www.computerwoche.de/go/

*72867: Novells Linux-Orientierung zeigt Wirkung;

*71105: Novell enthüllt Groupwise-Roadmap;

*78351: Openexchange löst sich von Novell;

*71252: Novell startet Projekt für Open-Source-Groupware;

*76996: Netline geht als Open Xchange in die USA;

*77768: Notes 8 verschmilzt mit Lotus Workplace.

Novell bietet in dieser Kategorie drei Produkte an und konzentrierte sich erst in den vergangenen Jahren wieder ganz auf Groupwise. Neben dem Groupware-Flaggschiff verfügt das Unternehmen noch über "Netmail", eine schlanke Software für Messaging und Kalender. Außerdem vertreibt es "Open Xchange" das von der deutschen Netline GmbH zusammen mit Suse entwickelt wurde. Novell übergab Netmail vor einem halben Jahr an das Open-Source-Projekt "Hula", und Open Xchange löste sich auf Betreiben der ursprünglichen Entwicklungsmannschaft von der exklusiven Bindung an die Suse-Distribution.

Konzentration auf Groupwise

Nach der Bereinigung seines Collaboration-Portfolios versucht Novell nach Jahren der Zurückhaltung, wieder Anschluss an die beiden Marktführer zu finden. Wie einige Mitbewerber möchte das Unternehmen mit Groupwise 7 besonders die Anwender von Microsofts "Exchange 5.5" ansprechen. Rund ein Drittel der Exchange-Installationen läuft nämlich immer noch unter dieser Version, für die Microsoft Ende 2005 den Support einstellt. Ein wesentlicher Grund für den hohen Anteil der veralteten Software liegt darin, dass viele Firmen das Active Directory nicht einführen wollen. Beim Update auf ein neueres Microsoft-System führt aber kein Weg an diesem unternehmensweiten Verzeichnisdienst vorbei. Viele andere Messaging-Systeme beschränken sich dagegen auf applikationsspezifische Verzeichnisse oder können einen bestehenden LDAP-Server nutzen. Das gilt etwa für Oracles "Collaboration Suite", Lotus Domino oder Scalix, das kürzlich mit einer kostenlosen "Community Edition für Linux" in die Offensive ging. Das Setup von Groupwise erfordert aber ebenfalls die Installation eines Enterprise-Verzeichnisses, nämlich des Novell-eigenen "eDirectory".

Beim Wettlauf um die Gunst der Anwender von Exchange 5.5 hat Microsoft den Vorteil, dass es mit Outlook den meistgenutzten Groupware-Client besitzt. Dieser kommuniziert mit dem Exchange-Server über das Messaging API (MAPI), das von Microsoft nur unvollständig dokumentiert wurde. Da viele Anwender beim Umstieg auf ein alternatives Groupware-System das Frontend wegen des drohenden Aufwands nicht auswechseln wollen, muss die Microsoft-Konkurrenz sicherstellen, dass ihre Software Outlook unterstützt. In den Produktbroschüren der diversen Hersteller ist dieses Feature daher regelmäßig abgehakt, die Umsetzung fällt jedoch unterschiedlich gut und vollständig aus.

MAPI-Connector mit Defiziten

Zu den Neuerungen von Groupwise 7 gehört ein überarbeiteter MAPI-Connector, der den Zugriff auf Mails, Kalender und Aufgabenlisten des Novell-Backends erlaubt. Im Vergleich zum Groupwise-eigenen Windows-Client weist dieser einige Funktionsdefizite auf. So entfallen die von Exchange bekannten "öffentlichen Ordner" (Public Folders), die etwa Scalix und eingeschränkt auch Oracle mit ihrem Outlook-Add-ons unterstützen. Zusätzlich kann die mit Groupwise 6.5 eingeführte Instant-Messaging-Komponente in Outlook den Online-Status ("Presence Awareness") von Personen (Absender von Mails, Einträge im Adressbuch) nicht anzeigen, und einige der Dokumenten-Management-Funktionen sind ebenfalls nicht verfügbar.

Diese Beschränkungen teilt sich der Outlook-Connector mit anderen Clients, die Novell für Groupwise anbietet. Neben dem Windows-Frontend mit vollständigem Funktionsumfang existiert noch der Cross-Platform-Client, der in Java geschrieben wurde und unter Linux, Mac OS sowie Windows läuft. Mit dem Kauf der Open-Source-Company Ximian erwarb Novell vor zwei Jahren außerdem "Evolution", einen Groupware-Client für Linux. Dieser erhielt in der Version 2.0 die nötigen Erweiterungen, um ähnlich wie das Java-Frontend einen Großteil der Groupwise-Funktionen nutzen zu können.

Komfortabler Web-Client

Große Fortschritte reklamiert Novell für seinen Web-Client, der für die Version 7 grundlegend überarbeitet wurde. Nach dem Vorbild neuer Browser-Anwendungen wie Googles Gmail bietet er einen Benutzerkomfort, der vielen Desktop-Anwendungen nahe kommt. So kann er unter Verwendung der Ajax-Technik ("Asynchronous Javascript and XML") Informationen aktualisieren, ohne die ganze Seite vom Server nachzuladen. Außerdem unterstützt der Web-Client Drag- and-Drop sowie Kontextmenüs. Hinsichtlich des Funktionsumfangs bleibt er indes noch hinter dem Cross-Platform-Frontend zurück.

Groupware-Systeme, die auf einer traditionellen Client-Server-Architektur beruhen, bieten Funktionen für Kommunikation und Teamarbeit innerhalb einer abgeschlossenen Umgebung. Lotus Notes bot in diesem Rahmen von jeher die Möglichkeit zur Anwendungsentwicklung.

Zu wenig Entwickler

Microsoft positioniert Exchange seit der Version 2000 nicht mehr als umfassende Groupware-Plattform, sondern teilt sich die Collaboration-Aufgaben mit dem Sharepoint Portal Server und dem Live Communication Server. Es wird daher in erster Linie für Messaging, Kalender und Aufgabenverwaltung genutzt. Dennoch schrieben die zahlreichen Windows-Programmierer mit den weit verbreiteten Microsoft-Tools viele Erweiterungen für Outlook und Exchange. Novell hatte nicht nur Schwierigkeiten, eine größere Developer-Community für Netware aufzubauen, Ähnliches galt lange auch für Groupwise.

Mit dem neuen Release folgen die Netzwerker aus Utah einem Trend, den die IBM schon vor mehreren Jahren ausgerufen hat. Er firmiert unter der Bezeichnung "Contextual Collaboration" und bedeutet, dass sich die hermetischen Groupware-Systeme öffnen und ihre Funktionen für die Zusammenarbeit von Teams auch in externe Applikationen eingebettet werden können. Beispiele dafür wären die Presence Awareness in CRM-Anwendungen oder Gruppenkalender in Software für Projekt-Management.

Zu diesem Zweck bieten die Systeme den Zugriff auf einzelne Bausteine via Web-Services an. Im Gegensatz zu den schon bisher bestehenden Programmier-Schnittstellen stellen sie keine Detailfunktionen zur Verfügung, sondern erlauben die Nutzung von reichhaltigeren Features auf höherer Abstraktionsebene. Groupwise offerierte bereits in der Version 6.5 einige Soap-Interfaces, das 7er Release vollendet diese Entwicklung.

Contextual Collaboration umfasst nach dem Verständnis der IBM vor allem auch die Integration solcher Funktionen in Unternehmensportale. Big Blue liefert daher den "Websphere"-Portal-Server mit zahlreichen Portlets aus, die auch den Zugriff auf das Collaboration-Portfolio der Lotus-Software ermöglichen. In Ermangelung einer ausgeprägten Portalstrategie spielt dieser Aspekt bei Novell jedoch eine untergeordnete Rolle.

Nachholbedarf im Detail

Groupwise 7 bringt neben den genannten großen Veränderungen eine Reihe von Detailverbesserungen. Einige davon sorgen dafür, dass Novell Boden gegenüber der Konkurrenz gutmacht. Dazu zählt das Update des integrierten Messengers, der in der ersten Version nur Textnachrichten übertragen konnte und nun auch den Dateitransfer und Presence-Awareness unterstützt. Während Microsoft mit einem Gateway die Verbindung zwischen dem Live Communications Server und Consumer-Diensten wie jenen von AOL, MSN und Yahoo herstellen kann, eignet sich die Novell-Software wie IBMs "Sametime" nur zur unternehmensinternen Kommunikation.

Hinsichtlich der Bedienerfreundlichkeit wirbt Novell mit der neuen Homepage des Groupwise-Clients. Sie bietet in einer portalähnlichen Form eine konfigurierbare Tagesansicht für die Kalender, Aufgabenverwaltung und E-Mail. Dieses Feature gleicht der "Welcome Page", die Lotus Notes 5 vor mehreren Jahren einführte. Groupwise zieht auch bei der neuen Synchronisierungsmöglichkeit mit mobilen Geräten gegenüber der Konkurrenz nach. Im Vergleich mit den Fähigkeiten von Exchange 2003 bleibt der auf den Datenabgleich mit einem Desktop-PC beschränkte Mechanismus aber noch zurück. Microsoft lässt mit seinem System auch die Server-gestützte Synchronisierung zu.

Im Unterschied zu den beiden Marktführern kann Novell schon seit einigen Versionen ein integriertes leichtgewichtiges Dokumenten-Management vorweisen. Es kennt Basisfunktionen wie Check-in und Check-out sowie Versionierung. In der Version 7 kommen verbesserte Funktionen beim Zusammenführen verschiedener Dokumentversionen hinzu. Exchange überlässt derartige Aufgaben dem Sharepoint-Server, Notes/Domino bietet mit dem "Document Manager" nur ein voll ausgebautes System an, das separat erworben werden muss. Das neue Workplace-System beinhaltet jedoch ebenfalls ein mit Groupwise vergleichbares einfaches Dokumenten-Management.