Brainshare 2002: Aggressivere Gangart gegenüber Microsoft propagiert

Novell setzt auf Web-Services

29.03.2002
SALT LAKE CITY (CW) - Für eine Woche war Salt Lake City wieder das Mekka für mehr als 5000 Novell-Jünger. Auf der jährlichen Entwicklerkonferenz Brainshare schwor die Company ihre Anhänger auf die künftige Marschroute ein. Im Zentrum der strategischen Ausrichtung stehen nun Web-Services.

In einem Punkt unterschied sich die diesjährige Brainshare von den vorangegangenen Events. Es war für Novell die erste Großveranstaltung seit der Akquisition des IT-Beratungsunternehmen Cambridge Technology Partners und dem Rücktritt Eric Schmidts vom Posten des CEO. Allerdings brach auch Schmidt-Nachfolger Jack Messman, CEO und Chairman des Unternehmens, nicht mit einer Brainshare-Tradition: der alljährlich fälligen Predigt einer neuen Novell-Strategie.

Nachdem Novell auf der Brainshare 2000 die Idee eines "One Net" als universeller Netzzugangsplattform propagiert hatte, revidierte die Company in diesem Jahr zum zweiten Mal diese Strategie. Sollte aus Novell im letzten Jahr noch ein Solution-Provider werden, so suchen die wirtschaftlich angeschlagenen Netzwerker nun ihr Glück in den "Web Services". Die früher (Brainshare 2000) mit "Denim" vorgestellte Technologie-Roadmap spielt nur noch eine untergeordnete Rolle.

Die Neuausrichtung geht auch an Netware, der einstigen Cash-Cow nicht spurlos vorbei. So betonte Messman auf der Brainshare, dass Novell nicht mehr wie in früheren Jahren mit Netware gleichzusetzen sei. Zudem soll sich das Netz-Betriebssystem nach dem Willen des CEO zu einer Hosting-Plattform für Net-Services wandeln.

Wohin die Reise in Sachen Web-Services geht, erläuterte Chris Stone, der 1999 Novell unzufrieden verlassen hatte und nun seit Anfang März unter Messman als Vice Chairman im Office des CEO agiert. Mit Stone, der früher einer der Visonäre bei Novell war, kehrt auch etwas von dem alten Kampfgeist zurück, den Novell zu Zeiten des Firmengründers Ray Noorda auszeichnete. So sprach sich Stone in ersten Interviews dafür aus, sich künftig härter mit Microsoft im Wettbewerb zu messen.

Offenheit ist TrumpfHauptstoßrichtung ist für Stone das Segment der Web-Services. Hier sieht er für Novell gute Chancen, einen Teil des Marktes zu dominieren. Allerdings räumt der Heimkehrer ein, dass dies nicht über Nacht gelingen wird. Ein erster Schritt ist für die Netzwerker dabei die Unterstützung von XML und anderen offenen Standards, um so eine umfassende Entwicklungsumgebung für Web-Services zu kreieren. Darüber hinaus plant das Unternehmen, wichtige Web-Service-Protokolle wie UDDI (Universal Description, Discovery und Integration), Soap (Simple Object Access Protocol), WSDK (Web Services Development Kit) sowie WSDL (Web Services Description Language) in die Produkte zu integrieren. "Novell setzt künftig komplett auf Standard-Interfaces sowie offene Umgebungen. Alle unsere Schnittstellen werden auf XML basieren, proprietäre wie die Netware Loadable Modules (NLMs) oder die Netware Core Protocols (NCPs) wird es nicht mehr geben", bekräftigte Stone die neue Marschrichtung.

Nach eigenem Verständnis bot Novell bislang, wie auf der Brainshare zu hören war, mit den Novell Net Services lediglich "Basic Web Services" an. Ziel sei es jedoch, sich als Anbieter von "Extended Web Services" zu etablieren. Laut Novell sind hierunter Dienste zu verstehen, die es Computern erlauben, Applikationen über das Internet gemeinsam zu nutzen und unterschiedlichste Aufgaben ohne menschliche Intervention abzuarbeiten. Im Bereich der Intranets sehen die Netzwerker Web-Services vor allem als Ermöglichungstechnologie für EAI-Lösungen, während sie im Internet für B-to-B-Lösungen genutzt werden.

Allerdings räumt Stone ein, dass dem Unternehmen noch einige Komponenten im Portfolio (siehe Kasten "Novells neue Produkte") fehlen, um eine komplette Plattform für Web-Services zu offerieren. Beispiel ist, so der Vice Chairman, etwa ein Authoring-Tool, "denn im Bereich der Web-Services benötigen die Anwender einen Application-Server sowie eine komplette Authoring- und Development-Umgebung". Die Lücke in Sachen Authoring könnte Novell zumindest kurzfristig durch die Partnerschaft mit Bea Systems schließen, denn das Unternehmen stellte erst kürzlich ein entsprechendes Werkzeug vor. Langfristig ist es für Stone aber durchaus vorstellbar, dass Novell die fehlenden Komponenten durch Firmenakquisitionen hinzukauft. (hi)

Novells neue ProdukteEdirectory 8.7: Mit dem Startschuss für die Betaphase des jüngsten Release beginnt die Transformation des Novell-Verzeichnisdienstes in einen Web-Service. Über eine native Soap-Schnittstelle sollen Administratoren künftig in der Lage sein, die Inhalte des Directorys in die entsprechenden Services einzubinden. Ferner erlaube die UDDI-Unterstützung eine feinere Zugriffssteuerung auf Web-Services, da der Administrator so in der Lage sei, Anwenderrechte auf Authorization-Ebene zu kontrollieren.

Novell Workplace: Hierbei handelt es sich um eine Web-basierende Team-Collaboration-Lösung. Oder, wie böse Zungen behaupten, um eine aufgebohrte Groupware für das Zeitalter der Web-Services.

Zenworks Synergy: Eine Management-Lösung, die es erlaubt, Content und Applikationen auf drei verschiedenen Plattformen zu installieren und zu starten. Unterstützt werden Client-Server-, Terminal-Server- und Web-Umgebungen.

Zenworks for Handhelds: Dient der Administration mobiler Endgeräte wie Palms, Smartphones und Pocket PCs. Das Tool soll bei der Integration dieser Devices in die DV-Landschaft helfen.

Mercury: Hinter diesem Codenamen verbirgt sich eine von mehreren geplanten Provisioning-Lösungen der Netzwerker. Sie adressiert speziell die Bedürfnisse von Unternehmen auf dem Gebiet der Mitarbeiterverwaltung.