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Novell mit starkem Zieleinlauf

02.12.2005
Kosten für die Restrukturierung führen zu Verlusten, doch der Umsatz wächst gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Die ehemalige "Netware"-Company und aktuellen Linux-Firma Novell hat im vierten Fiskalquartal einen starken Endspurt hingelegt. Das Unternehmen steigerte den Umsatz gegenüber Vorjahr um gut sechs Prozent auf 320 Millionen Dollar, Analysten hatten nur rund 300 Millionen Dollar erwartet. Allerdings landete Novell unter dem Strich rund fünf Millionen Dollar im Minus. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres war ein Gewinn von 13 Millionen Dollar erzielt worden.

Belastet wurde das Ergebnis durch Restrukturierungskosten vor allem für Entlassungen. Novell hatte im Sommer angekündigt, sich von rund zehn Prozent der Belegschaft zu trennen. Der Löwenanteil der Kündigungen sei inzwischen abgeschlossen, berichtete Volker Smid, Chef der Region Zentraleuropa von Novell gegenüber der CW. Ohne die Sonderbelastung von rund 40 Millionen Dollar hat das Unternehmen einen Gewinn von sieben Cent je Aktie ausgewiesen, was deutlich über den Analystenschätzungen lag. Smid machte keine Angaben zur Zahl der Kündigungen in Europa. Der Anteil Europas an Novells Gesamtumsatz von geschätzten 40 Prozent lässt indes auf rund 230 gestrichene Stellen schließen. Die Entlassungen sollen die jährlichen Kosten um 110 Millionen Dollar reduzieren.

Für Smid waren zwei Faktoren für den Umsatzanstieg verantwortlich: zum einen die branchentypische Vertriebsdynamik im vierten Quartal, zum anderen ein 39 Millionen Dollar schwerer Deal mit den Gesundheitsbehörden in Großbritannien. Dieser wurde teilweise im jüngsten Quartal verbucht. Insgesamt gelang es Novell, den "Linux-Plattform-Umsatz" verglichen mit dem Vorjahresquartal um 418 Prozent auf 61 Millionen Dollar zu steigern. Davon entfielen 46 Millionen Dollar auf Einnahmen mit dem "Open Enterprise Server" (OES). Dieser hat als Kern allerdings nicht nur Linux, sondern auch Netware, was eine getrennte Berechnung der Plattformanteile unmöglich macht. Der Umsatz durch Identity-Lösungen, dem zweiten heißen Eisen der Firma, verbesserte sich um 35 Prozent auf 84 Millionen Dollar.

Im gesamten Geschäftsjahr 2005 setzte Novell 1,2 Millarden Dollar um, etwas mehr als im Vorjahr. Der Nettogewinn belief sich auf 376 Millionen Dollar. Hierin enthalten ist eine Zahlung von Microsoft in Höhe von 448 Millionen Dollar für eine außergerichtliche Einigung. Novell hatte sich im Rahmen des Deals aus dem drohende EU-Kartellverfahren gegen den Softwarekonzern zurückgezogen.

Erstmals seit Jahren gab das Unternehmen auch wieder eine Umsatzprognose ab. So erwartet Novell im laufenden ersten Fiskalquartal Einnahmen von 260 Millionen bis 270 Millionen Dollar. Analysten hatten mit knapp 290 Millionen Dollar gerechnet. Novell-Manager Smid begründete die Diskrepanz mit dem Großauftrag in Großbritannien, der nicht automatisch in das nächste Quartal fortgeschrieben werden könne. Zudem sei es vermessen, über Nacht eine Produktivitätssteigerung zu erwarten, wenn gerade erst zehn Prozent der Belegschaft entlassen worden sind: "Daher ist die vorsichtige Prognose allemal angemessen."

Der Wandel des Unternehmen zu einer Open-Source-Company soll fortgeschrieben werden. Neben der Ablösung von Unix-Systemen und dem allmählichen Linux-Rollout auf Desktops arbeitet das Unternehmen an der Migration seiner Netware-Bestandskunden auf den Linux-Kernel. Dabei gelte es laut Smid jedoch, mit einem Auge auf Open Source und mit dem anderen auf die Bedürfnisse der Netware-Anwender zu achten: "Das ist kein leichter Balanceakt", räumt Novells Zentraleuropa-Chef ein. In zwei bis drei Jahren "wird man aber die Ergebnisse in voller Blüte sehen." (ajf)