Groupware und Workflow/Einführungsstrategien

Notes um Workflow ergänzt

12.03.1999
Wer ausgefeilte Groupware-Applikationen einsetzt, wird sich in einigen Fällen auch eine aktive Vorgangssteuerung seiner Anwendungen wünschen. Tips zur Einführung eines Workflow-Zusatzes auf Basis von "Lotus Notes" gibt Marc Ring .

Der Einsatz von Workflow-Systemen verspricht eine vereinfachte Vorgangsbearbeitung, denn oft sind papierbasierte Prozesse im Unternehmen so stark verankert, daß sich Verbesserungsmaßnahmen, die in Form von Business Process Re-Engineering entstehen, nur sehr langsam und aufwendig realisieren lassen. Als Ziele werden dabei verfolgt:

- die Beschleunigung und Leistungssteigerung der eigenen Organisation durch geringere Durchlaufzeiten,

- die Verfahrensabsicherung durch vordefinierte Arbeitsschritte,

- eine Transparenz über aktuelle Vorgänge und deren Status,

- eine Automatisierung von Arbeitsschritten sowie

- Einsparungen durch ein weitestgehend papierloses Büro.

Notes-Anwendern, die diese Punkte etwas genauer betrachten, dürften einige bekannt vorkommen. Waren das nicht die Gründe, Groupware überhaupt einzuführen? Weshalb benötigt man dann noch ein Workflow-System?

Groupware und Workflow verfolgen zwar teilweise die gleichen Ziele, sie sind hinsichtlich der Denkweise allerdings gegensätzlich. Groupware unterstützt die Anwender, indem sie die jeweils angeforderten Informationen zur Verfügung stellt. Der Anwender ist also aktiv. Ganz im Gegensatz dazu verfolgt Workflow das Ziel, immer wiederkehrende identische Vorgänge automatisiert zu verwalten, die Arbeitsweise vorzugeben und die notwendigen Informationen dem Bearbeiter automatisch zu liefern. In diesem Fall ist also das System aktiv, und der einzelne Sachbearbeiter nimmt die zu erledigenden Aufgaben und notwendigen Daten passiv entgegen.

In der täglichen Arbeit treten allerdings beide Typen der Vorgangsbearbeitung in einem ständigen Wechselspiel auf. Mal wird der Urlaubs- oder Reiseantrag geschrieben und gemäß der Firmenstruktur weitergeleitet und mal muß man einen komplizierten Kundenwunsch erfüllen, dessen Arbeitsschritte sich erst während der Ausführung ergeben und dann adhoc initiiert werden müssen. Auch zwischen den beiden Extremen eines detailliert vorgegebenen bis hin zu einem völlig unstrukturierten Vorgang gibt es in jedem Unternehmen eine Reihe von Mischformen. Die technische Unterstützung beider Arbeitsweisen mit einem System erschließt eine ganze Reihe von Rationalisierungsmöglichkeiten.

Viele Notes-Anwender kennen den Effekt, daß der Einführung von Groupware und der damit gewonnenen Freiheit der Wunsch nach etwas mehr Struktur in bestimmten Teilbereichen folgt. Die logische Konsequenz ist die Abbildung von Workflows in Form von Notes- Programmstrukturen. Doch je strukturierter ein Vorgang ist, desto mehr Programmieraufwand ist nötig. Ständig wechselnde Zuständigkeiten oder die Anpassung des Prozeßverlaufs an die geänderte Realität erfordern von Entwicklern permanente Anpassungen. Da Notes selbst über keine Standardwerkzeuge für den Aufbau derartiger Workflows verfügt, ist diese Ergänzung nur mit Zusatzprodukten möglich.

Bevor jedoch eine Produktauswahl getroffen wird, sollte das Einsatzgebiet genau geklärt sein. In jedem Unternehmen existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Geschäftsprozesse, doch nicht alle können gleich effizient durch Workflow unterstützt werden. Idealerweise eignen sich Workflow-Systeme zur Unterstützung von strukturierten und - mit Abstrichen - auch teilstrukturierten Prozessen. Diese Art von Vorgängen ist nach ganz konkreten Regeln steuerbar. Schwerpunktmäßig werden jene Prozesse abgebildet, die zyklisch in einer großen Anzahl und Wiederholungsfrequenz auftreten, da diese ein hohes Optimierungspotential erlauben und sich Verbesserungen in diesen Abläufen am deutlichsten auf die Unternehmensziele auswirken.

Deshalb sollten im Vorfeld der Produktauswahl die abzubildenden Geschäftsprozesse auf den Grad ihrer Strukturiertheit hin untersucht und dabei in mehrere Stufen eingeteilt werden. Dadurch lassen sich Anhaltspunkte gewinnen, ob das einzusetzende Werkzeug besondere Fähigkeiten in bezug auf stark oder schwach strukturierte Vorgänge besitzen muß. Innerhalb der Workflow- Systeme sind im wesentlichen die vier Module "Modellierung", "Steuerung", "Abwicklung" sowie "Analyse und Recherche" zu unterscheiden.

Damit sich ein Geschäftsprozeß (teil-)automatisieren läßt, muß er zuvor in der Workflow-Lösung modelliert werden. Ergebnis dieser Modellierung ist ein Ablaufplan, in dem die eigentlichen Prozesse, die einzelnen Aufgaben (Arbeitsschritte), die beteiligten Bearbeiter (Personen und Gruppen), die Informationen und Datenflüsse sowie alle anderen Vorgaben festgehalten sind. Zur Unterstützung der Modellierung eignen sich spezielle Werkzeuge. Nach Eingabe der modellierten Prozesse können diese Tools die Vorgänge auf Schlüssigkeit überprüfen, den Vorgang animieren oder sogar simulieren, um eventuelle Ressourcenüberlastungen aufzuzeigen. Der Einsatz eines solchen Werkzeugs sollte jedoch gut überlegt sein, denn das Softwareprogramm selbst kann natürlich - entgegen häufigen Erwartungen - nicht modellieren. Dies ist immer ein manueller und sehr aufwendiger Vorgang, der entsprechend gut ausgebildete Mitarbeiter oder Berater erfordert.

Um die Notwendigkeit eines solchen Hilfsmittels abschätzen zu können, müssen die abzubildenden Geschäftsprozesse diesmal auf den Grad ihrer Komplexität hin untersucht werden. Als Indikator dient die Anzahl der Arbeitschritte. Sollte sich der Einsatz eines Workflow-Modellierungswerkzeugs empfehlen, ist darauf zu achten, daß die dort dokumentierten Prozesse über die von der Workflow Management Coalition definierten Schnittstelle an das Workflow- Produkt übergeben werden können.

Unter der Workflow-Steuerung (auch als Workflow-Engine bezeichnet) versteht man den aktiven Teil eines Systems. Auf der Basis der modellierten Vorgänge kann diese Komponente unter anderem Prozesse starten, routen (Zuordnung von Vorgangsschritten zu Bearbeitern) und beenden.

Je nachdem, welches konkrete Produkt eingesetzt wird, übernimmt die Workflow-Engine noch zahlreiche weitere Steuerungsvorgänge.

Bei der Workflow-Steuerung unter Notes sind darüber hinaus folgende Eigenschaften zu beachten:

- die Einbeziehung verschiedener Standorte über die Notes- Replikation,

- eine dezentrale Steuerung der Vorgänge bei verteilten Notes- Umgebungen,

- die zentrale Administration und

- das Informieren der Bearbeiter sowohl über Mails als auch über To-do-Listen.

Workflow-Abwicklungskomponenten beschäftigen sich im Gegensatz zur Steuerung mit der Unterstützung der Anwender und deren Tätigkeiten innerhalb der einzelnen Arbeitsschritte. Unter Notes handelt es sich dabei einfach um verschiedene Notes-Applikationen. Die Masken und Dokumente in einer Notes-Datenbank sind die Hilfsmittel für den Bearbeiter, um die Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten.

Auch hier muß das Workflow-System einige Kriterien erfüllen, soll es die Abwicklung der Notes-Anwendungen steuern. Wichtig ist vor allem, daß die Steuerung anwendungsunabhängig ist und jede Notes- Applikation einbeziehen kann. Außerdem darf die Steuerung nicht in die Datenintegrität der Notes-Applikation eingreifen. Ferner sollte möglich sein, daß der Austausch von Informationen zwischen Notes und Steuerung über eine konfigurierbare Schnittstelle erfolgt und daß sich fremde Clients wie Web-Browser ankoppeln lassen.

Eine weitere funktionale Komponente, die in vielen Workflow- Systemen zu finden ist, stellt die Analyse beziehungsweise Recherche dar. Um einen Nutzen aus den anfallenden Informationen des Prozeßverlaufs ziehen zu können, muß das System zum einen über Archivierungs- und Protokollierungsfunktionen und zum anderen über Analyse- beziehungsweise Recherchefunktionen verfügen, so daß auf Anfrage der Zugriff auf benötigte Vorgangsinformationen möglich ist. Ein auf Notes eingesetztes Workflow-Produkt muß in der Lage sein, die zur Laufzeit eines Prozesses gesammelten Daten in einer zentralen Notes-Datenbank protokollieren zu können.

Auf die Produktauswahl folgt die Einführung des Workflow-Systems. Dabei unterscheidet man einmalig durchzuführende Tätigkeiten sowie Arbeiten, die bei jedem Prozeß anfallen. Neben der reinen Software-Installation zählt zum einmaligen Aufwand die Abbildung der Aufbauorganisation: Ein Workflow-System braucht Informationen über den Aufbau und die Struktur des Unternehmens, da die Ermittlung der für die einzelnen Arbeitsschritte zuständigen Personen oft auf Stellenbeschreibungen oder Rollen basiert. Dieses Vorgehen erleichtert spätere Änderungen bei den Zuständigkeiten innerhalb der Geschäftsprozesse, da lediglich die Aufbauorganisation und nicht die Prozeßdefinitionen geändert werden müssen, wenn Mitarbeiter in ein neues Aufgabengebiet wechseln.

Ablaufmodellierung ist besonders aufwendig

Die Modellierung von Abläufen ist natürlich für jeden neuen Prozeß erforderlich. Dies ist der mit Abstand aufwendigste Teil der Einführung eines Workflow-Systems. Selbst bei bereits gutstrukturierten und dokumentierten Vorgängen fallen einige Tage für Analysen, Re-Design und Feinarbeit an, um den Prozeß im System hinterlegen zu können. Diese Tatsache beruht darauf, daß in der Software sehr detaillierte Angaben über den Prozeß und dessen Arbeitsschritte vorhanden sein müssen, die bei einer papierbasierten Vorgangsbearbeitung entfallen.

Oft ist für die abzubildenden Prozesse vorher ein Process Re- Design sinnvoll, da man auch die Möglichkeiten einer Parallelisierung einzelner Arbeitsschritte sowie die Einbeziehung von Kunden und Lieferanten in den Prozeß einbringen möchte.

Beim Erstellen einer Applikation handelt es sich im einfachsten Fall um ein Notes-Formular, das zur Aufnahme der Informationen dient. Sollten bereits Anwendungen wie Vertriebsinformationssystem, Helpdesk oder andere Notes- Applikationen im Einsatz sein und will man deren Vorgänge aktiv steuern, so sind diese gegebenenfalls noch anzupassen. Gerade hier zahlt sich ein Workflow-System aus, da keinerlei Programmieraufwand erforderlich ist.

Angeklickt

Die praktische Umsetzung von Workflow ist nicht immer einfach. Der Definitionsbereich spannt sich vom Versenden einer E-Mail bis hin zum grafisch modellierten Prozeß. Soll ein Workflow-System auf eine Groupware wie Notes aufgesetzt werden, muß es bestimmte Anforderungen erfüllen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Wiederverwendbarkeit von Inhalten in beliebigen Prozessen wie der Abbildung einer Aufbauorganisation sowie der Modellierung und Steuerung des Workflows.

Dipl.-Informatiker Marc Ring ist Entwicklungsleiter bei der Intraware AG in Fulda und im Produktbereich zuständig für die Konzeption und Entwicklung von Workflow-Systemen auf Basis von Notes/Domino..