Notes/Niedrige Kosten bei der Groupware-Umstellung SW unter Notes: Ideen mit Standardmethoden umsetzen

17.11.1995

Standardsoftware in der Art von MS-Office hat ihre Vorteile, indes ist sie nicht immer geeignet, den Arbeitsfluss (Workflow) zu spiegeln und Transparenz der Informationsstroeme zu gewaehrleisten. Hier bieten sich individuelle Applikationen unter Notes an, die allerdings mit Standardmethoden erstellt werden. Carsten Hopf* stellt dazu allgemeine Ueberlegungen an und berichtet dann ueber ein konkretes Projekt.

Optimaler Workflow und hohe Transparenz fuer alle Informationsstroeme sind die primaeren Wettbewerbsvorteile, die sich Unternehmen versprechen, wenn sie mit der Einfuehrung von Notes auf Groupware setzen. Damit allein ist es allerdings nicht getan. Man braucht Applikationen, die die Aufgaben der einzelnen Unternehmensabteilungen widerspiegeln und den internen Workflow abbilden. Die unterschiedlichsten Anwendungen sind denkbar, beispielsweise:

- Verwaltung der DV-Systeme,

- Steuerung der Vertriebsaufgaben oder

- Unterstuetzung der unternehmensweiten Geschaeftskorrespondenz.

Solche Groupware-Applikationen sind immer Programme, die an die individuellen Unternehmensstrukturen angepasst werden muessen, um die Informationsstroeme zu optimieren. Nun denken viele Manager und DV-Leiter bei "Anpassen" sofort an unendliche Entwicklungszeiten und exorbitante Kosten. Man wuenscht sich eher Standardsoftware wie MS-Office.

Das Standardprinzip widerspricht dem Konzept

Das Standardprinzip widerspricht jedoch dem Konzept von Lotus Notes, das entwickelt wurde, um Organisationsstrukturen abzubilden und zu optimieren. Die Loesung zum Kostenproblem heisst also nicht volle Vereinheitlichung der Software, sondern Programmierung von moeglichst flexiblen Software-Kernels, die bei Bedarf aus der Schublade geholt werden koennen, um sie an die Wuensche des Kunden anzupassen. Eine grosse Nachfrage besteht zum Beispiel nach Helpdesk-Systemen fuer DV-Anlagen.

Die Codierung einer entsprechenden Notes-Applikation kann leicht ueber 500 000 Mark kosten, was deutlich mit den Preisvorstellungen der meisten Kunden kollidiert, die nicht mehr als 200 000 Mark investieren moechten. Gelingt es aber, den Kern der Software so flexibel zu halten, dass er zehn- bis zwanzigmal verkauft werden kann, so laesst sich der Preis gut auf 50 000 Mark senken.

Was bedeutet in diesem Zusammenhang flexibel? Ein sinnvolles Ziel waere beispielsweise eine Standardsoftware, die bei jeder Kundenanfrage schon 60 Prozent der individuellen Wuensche befriedigt. Meistens ergibt sich sogar eine Uebereinstimmung von ueber 70 Prozent, wenn der Interessent erst einmal einen Blick auf das Programm geworfen hat. Die notwendige Anpassung des Standardprogrammes an die Firmenstruktur des Kunden kann meist mit rund 40 000 Mark bezahlt werden. Der Kunde bekommt also eine individuelle Notes-Applikation im Wert von 350 000 Mark zu einen Preis von 90 000 Mark.

Je kleiner die Anzahl der spaeteren Endnutzer ist, desto geringer fallen auch die Anpassungskosten fuer die Workflow-Integration aus. Bei einem ueberschaubaren Kreis von zehn bis 20 Usern kann eine gaengige Notes-Anwendung fuer 10 000 bis 20 000 Mark inklusive Lizenzgebuehren ueber den Tisch gehen.

Eine weitere Moeglichkeit, die Kosten bei der Groupware-Umstellung niedrig zu halten, besteht in der Standardisierung der Anpassungsmethodik. Ein Paradebeispiel liefert die Weseler Maschinenbaufirma Bergemann.

Ziel der Groupware-Einfuehrung war dort die Koordination der internationalen Vertriebstaetigkeit. Man erhoffte sich eine Reduzierung der Durchlaufzeiten von der Anfrage bis zum Angebot. Vor allem das gegenseitige Unterbieten der Vertriebsbeauftragten zum Schaden von Bergemann sollte unmoeglich werden. Ein weiteres Ziel war der staendige Abgleich der Datenbestaende der international taetigen Vertretungen mit der Zentrale in Wesel, ohne dabei auf teure Standleitungen zurueckgreifen zu muessen. Den Zuschlag fuer das Projekt erhielten die Spezialisten des Systemhauses Gedys. Insbesondere die Umsetzungsmethodik der Braunschweiger war bei dieser Entscheidung ausschlaggebend.

Der Startschuss fuer das Projekt fiel im Juni 1994. Begonnen wurde mit ausfuehrlichen Briefings, in denen Unternehmensleitung, DV- Abteilung und natuerlich die beteiligten Organisationsgruppen zu ihren Vorstellungen und Anspruechen interviewt wurden. Der naechste Schritt war das interaktive Layout-Design. An dieser Stelle machte sich die Erfahrung des Entwicklungspartners bezahlt, denn Ausgangspunkte waren Bildschirmausdrucke von bestehenden Standardanwendungen der Braunschweiger, die in den Workshops angepasst wurden.

So entstanden schon in der fruehesten Planungsphase brauchbare Programmiervorlagen, die auch den Mitarbeitern von Bergemann eine Vorstellung von ihrem zukuenftigen Vertriebswerkzeug vermittelten. Diese Vorlagen wurden zu einem Pflichtenheft zusammengefasst, das die Projektanforderungen verbindlich dokumentierte. Missverstaendnisse wurden auf ein Minimum reduziert, so dass nach vier Wochen ein Prototyp installiert werden konnte. Mit Unterstuetzung des dreikoepfigen Bergemann-Teams entwickelte der Beratungspartner eine einsatzbereite Version, die bei Bergemann unter realistischen Bedingungen vom Vertrieb getestet wurde. Gemeinsam wurde hier der Software der letzte Schliff verpasst, so dass im Dezember die Anwendung in Betrieb genommen werden konnte.

"Durch die fruehe Beteiligung der eigentlichen Anwender in der Vertriebsabteilung bekamen wir eine ganze Flut von guten Vorschlaegen, die in das Programm einfliessen konnten", berichtet Stefan Leske, Assistent der Geschaeftsleitung von Bergemann. Das endgueltige Vertriebssystem ermoeglicht nicht nur die Angebotserstellung in Englisch, Franzoesisch oder sogar Chinesisch, sondern auch die Umrechnung in die entsprechende Waehrung.

Trotzdem traten an einigen Stellen Akzeptanzprobleme in der Belegschaft auf. Der zustaendige Projekt-Manager berichtet: "Es ist nicht einfach, den Angestellten die Staerken einer Groupware- Anwendung klarzumachen. Viele Leute beschweren sich lieber darueber, dass sie einen Text nicht so bequem wie in der Textverarbeitung formatieren koennen." Um moeglichst schnell grosse Mitarbeiterkreise an die Software heranzufuehren, griff man auf das Promotoren-Konzept zurueck.

Akzeptanzprobleme in der Belegschaft

Promotoren sind Mitarbeiter vor Ort, die die Einfuehrung des neuen Systems auf besondere Weise unterstuetzen sollen. Sie werden in der Regel von den spaeteren Anwendern aus ihrem eigenen Kreis gewaehlt. Sie sind gut motiviert, haben Kommunikationstalent und werden geschult, um ihren Kollegen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Auf die Beherrschung des digitalen Workflows wurde beim Training besonderer Wert gelegt.

Nach der guten Akzeptanz in Wesel planen die Bergemaenner nun, das System auch in den Niederlassungen des Mutterunternehmens in Belgien, England, China, Estland, Russland und den USA einzufuehren.

Das Groupware-Prinzip hat sich besonders im internationalen Einsatz bewaehrt. Zum Beispiel kann ein Mitarbeiter in Korea, der Probleme bei der Angebotsgenerierung hat, seine Daten per Mail und Replikation nach Wesel senden, um schon am naechsten Morgen die Antwort der Zentrale auf seinem elektronischen Schreibtisch vorzufinden. Das sind Reaktionszeiten, die von konventionell arbeitenden Mitbewerbern nicht erreicht werden koennen.

Eine weitere Ausbaustufe ist ein Modul, mit dem sich fremdsprachliche Produktdokumentationen nach der Norm ISO 9000 erstellen lassen. Die Anbindung an einen SAP-Host-Rechner ist geplant. So waechst auf der Groupware-Plattform Notes ein unternehmensweites betriebswirtschaftliches System zur transparenten Darstellung aller Produktions- und Zahlungsstroeme. Man sieht deutlich: Standardsoftware unter Lotus Notes kann nicht das millionenfach verkaufte End-User-Produkt sein, sondern nur eine Standardidee, die mit Standardmethoden umgesetzt wird.

*Carsten Hopf ist freier Journalist in Braunschweig