Nach Talfahrt in die roten Zahlen streicht norwegischer Minimaker die Hardware-Segel:

Norsk Data setzt künftig auf Integration

16.09.1988

OSLO (IDG) - Die Misere der Minicomputer-Hersteller hat ein weiteres prominentes Opfer gefunden: Erstmals in der Unternehmensgeschichte schreibt die norwegische Norsk Data (ND) rote Halbjahreszahlen. Nun will das Unternehmen weg vom Minimaker-Image und verstärkt auf Vernetzung und System-Integration setzen.

Einst zählte Norsk Data zu den am schnellsten wachsenden Computeranbietern Europas. In der ersten Hälfte der Achtziger Jahre profitierte das "Aushängeschild der norwegischen Wirtschaft" vor allem in Skandinavien von der rasant steigenden Zahl enthusiastischer Minicomputer-Käufer. Aber auch Renommier-Aufträge von wissenschaftlichen Einrichtungen, zum Beispiel dem Europäischen Zentrum für Nuclearforschung CERN in Genf, kamen dem Image der Skandinavier zugute, exzellente Hardware zu produzieren.

Heute jedoch gehören solche Erfolge der Vergangenheit an. Bereits im letzten Jahr geriet Norsk Data ins Wanken, als erste Marktverschiebungen in der Minicomputer-Arena einsetzten. Mehr und mehr stagnierte der Absatz der Minis in Europa, zeigte sich der Markt gesättigt. Ein Problem, mit dem sich auch alle ND-Konkurrenten - europa- wie weltweit - auseinandersetzen mußten. Häufig kam es zu schwächeren finanziellen Jahresergebnissen. So sank auch bei Norsk Data 1987 der Gewinn uns 49 Prozent auf 36 Millionen Dollar nach 69,8 Millionen Dollar im Jahr zuvor.

Auf der Suche nach einer neuen Identität

Für das skandinavische Unternehmen spitzte sich die Situation weiter zu, als sich zu der Absatzflaute bei den Minicomputern auch noch eine Krise in der norwegischen Wirtschaft gesellte. Resultat: Erstmals in der Geschichte des Unternehmens ist Norsk Data in die roten Zahlen gerutscht. Für die ersten sechs Monate des laufenden Geschäftsjahres weist das Unternehmen einen Verlust von 18 Millionen Dollar aus; im vergleichbaren Vorjahreszeitraum hatte man noch einen Profit von 26 Millionen Dollar verbuchen können.

Dieser finanzielle Rückgang kam für europäische Marktanalysten keineswegs überraschend - wohl aber für die Norweger. Nach Worten von Rolf Skar, Norsk Data-Präsident und -Mitbegründer, habe man zwar nicht "mit einem grandiosen Jahr 1988 gerechnet, aber wenigstens mit einem gleichmäßigen Verlauf".

Auch das zweite Halbjahr werde wohl kaum bessere Ergebnisse bringen. 1989 aber hofft Skar sein Unternehmen wieder in der Gewinnzone zu sehen, wenn auch das nächste Jahr nicht leicht werde aufgrund der wirtschaftlichen Situation im eigenen Land.

Bei den Norwegern stehen derzeit alle Zeichen auf Veränderung. Skar möchte dem Unternehmen eine neue Identität geben. Norsk Data, so das Ziel des Präsidenten, soll sich in den kommenden Jahren als Anbieter von vernetzten Informationssystemen etablieren und darüber hinaus verstärkt auf dem Gebiet der Systemintegration tätig werden. Der Einsatz des Minicomputers, erwartet Skar, wird sich künftig auf Kommunikationsaufgaben im Verbund mit Workstations auf PC-Basis beschränken. Deshalb werde Norsk Data auch spätestens in fünf Jahres nicht mehr im Hardware-Geschäft sein, sondern Software-Dienste anbieten und Netzwerkintegration betreiben.

Eine große Rolle in Norsk Datas Netzwerk-Ambitionen spielt Unix. Laut Skar steige die Anzahl der Kundenwünsche nach Unix-Workstations, die sich mit den Minicomputern der Norweger (laufen unter dem Betriebssystem Sintran) verbinden lassen, stetig. Daß ein solcher Sprung von einer Technologie zur anderen auch Gefahren in sich birgt, merken indes Marktforscher an. Das Tempo, mit dem Norsk Data in den Markt der offenen Systeme stürme, könne sich negativ auf ihre Installationsbasis auswirken. Philip De Marcillar, Director des europäischen Dataquest-Büros in London: "Man muß vorsichtig taktieren, damit die Preisspannen der offenen Systeme die eigenen Architekturen nicht zu teuer erscheinen lassen." Bislang, so schätzt der britische Marktforscher, machten die Unix-Verkäufe etwa zehn Prozent des Norsk Data-Geschäfts aus.

Überhaupt sind europäische Analysten eher geteilter Meinung, was die neue Unternehmensstrategie von Norsk Data anbelangt. Per Holte Rosenkilde, in Diensten des Osloer Büros der International Data Corp., hält diesen Schritt hin zum Dienstleister für recht riskant; dennoch sei es eine weise Entscheidung. Martin Hingley, Senior Consultant bei IDC Europe in London, findet, daß dieser Schritt "ein wenig spät erfolgt". Resümiert Pat Maegher Davis, Londoner Computeranalyst: "Das Management von Norsk Data hat die richtige Entscheidung getroffen. Die Frage ist nur, ob es die Strategie auch in die Tat umsetzen kann."