Noch ist Internet nur Informationsmedium (Teil 2) Quelle setzt Telekommunikation mehrgleisig im Versandhandel ein

22.12.1995

BONN (hi) - Alle reden von den kommenden virtuellen Unternehmen der Informationsgesellschaft. Dass dies nicht nur Zukunftsmusik ist, beweisen deutsche Unternehmen bereits in ihrem taeglichen Business. So nutzt das Versandhaus Quelle die ganze Klaviatur moderner Telekommunikation, um seine Produkte effektiv zu vermarkten.

Auch wenn das Fuerther Versandhaus bereits im Internet aktiv ist, vermarktet das Unternehmen das Gros seiner Waren ueber Call-Center, T-Online (frueher Datex-J) und andere klassische Medien. So verkauft das Unternehmen ueber drei Call-Center in Leipzig, Mulhouse und Padborg seine Produkte. Den Verkehr zu den Call- Centern, die alle via ISDN ueber Backup-Leitungen verfuegen, routen die Fuerther ueber ein eigenes Corporate Network. Dabei ist es Kiegele zufolge wichtig, dass Medienbrueche vermieden werden. "Sie sollten Sprache nie mehr als einmal von Digital nach Analog umwandeln, denn sonst sinkt die Qualitaet drastisch", so sein Ratschlag.

Gleiches gilt, wie der Manager berichtet, fuer die Online-Dienste, bei denen ein Medienbruch ebensowenig zu tolerieren sei. Diese Nutzer erwarten Antworten ueber das gleiche Medium im Stundentakt und zeigen wenig Bereitschaft, schriftliche Korrespondenz zu akzeptieren. Deshalb mahnt Kiegele: "Wenn Sie auf die modernen TK- Dienste setzen, dann tun Sie dies mit allen Konsequenzen."

Zur Expansion nach Osteuropa setzt der Quelle-Konzern, der die Telekommunikation nicht als beeinflussbaren Kostenfaktor, sondern als strategischen Wettbewerbsvorteil sieht, auf die Satellitenkommunikation. Gleiches hatte das Versandhaus anfangs in den neuen Bundeslaendern getan, als dort das terrestrische Netz noch zu wuenschen uebrig liess. Fuer die Zukunft erwartet Kiegele noch ein weiteres Anwachsen der TK-Aktivitaeten bei Quelle, wenn neue Geschaeftsfelder wie Direktbank, oder -versicherung an Bedeutung gewinnen. Auch Kuechen wollen die Fuerther kuenftig verstaerkt mit TK- Unterstuetzung vermarkten. Dazu besuchen Vertreter mit Notebooks den Kunden und berechnen vor Ort die massgeschneiderte Einrichtung. Die Daten werden dann direkt beim Konsumenten via Telefon (Modem) an die Auftragsannahme verschickt.

Positive Erfahrungen hat Kiegele auch mit der CD-ROM als Informationsmedium gemacht, die fuer ihn ein Zwitter zwischen gedrucktem Katalog und Online-Vertrieb ist. Zudem haelt er die Scheiben fuer ein gutes Medium, um Erfahrungen bei der Abloesung von Papier zu sammeln. "Sie stellen einen riesigen Umlernbedarf fest, wenn Sie Produkte multimedial vermarkten wollen." Waehrend die CD sich als Renner entpuppte, hat Quelle das klassische Teleshopping wieder aufgegeben.

Ebenso zurueckhaltend wie das Teleshopping beurteilt man bei Quelle derzeit das Internet. So teilt Guenter Kiegele, Leiter Hard-/ Software und Nachrichtentechnik bei der Quelle Schickedanz AG & Co., die Einschaetzung der Deutschen Bank (vgl. Teil 1 in CW Nr. 50 vom 15. Dezember 1995, Seite 24), dass das Internet nach heutigem Stand ueberwiegend ein Informationsmedium ist.

Nach Kiegeles Erfahrung handelt es sich bei ueber zwei Dritteln der pro Tag rund 2000 Internet-Zugriffe bei Quelle um Anfragen, aus denen keine Auftraege resultieren. Aus Sicherheitsgruenden sind die WWW-Server derzeit abgesetzte Rechner ohne Verbindung zum restlichen Quelle-Netz. Trotzdem ist es fuer den Manager heute keine Frage mehr, "ob man im Internet ist - ein Unternehmen hat im Internet zu sein".

In Zukunft will Quelle im Internet wie bereits bei Datex-J Online- Transaktionen ermoeglichen. Die mittelfristigen Perspektiven von T- Online schaetzt der DV-Leiter ueberaus positiv ein, zumal das Unternehmen so ein permanentes Feedback von den Endkunden habe. Nachdem das Versandhaus im Geschaeftsjahr 1993/94 bereits Waren im Wert von 43 Millionen Mark via Btx verkaufte, konnten die Fuerther im Berichtsjahr 94/95 einen Umsatzzuwachs von 40 Prozent auf 60 Millionen Mark verbuchen.