Mensch-Maschine-Kommunikation ist der Flaschenhals bei der grafischen DV:

Noch immer Probleme beim CAD-Einstieg

25.03.1983

BERLIN - "Noch fährt der Zug langsam und noch kann man einsteigen", charakterisierte Günter Spur, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik an der Technischen Universität Berlin, die Lage auf dem CAD-Markt. Die Konstruktion mit Rechnerhilfe gehe jetzt vor allem auch kleinere Unternehmen an. Benutzerfreundlichkeit muß daher die Hauptforderung an heutige CAD-Systeme heißen.

Computerhilfe bei der Konstruktion betrachtet Spur in erster Linie als Intelligenzverstärkung für den Ingenieur. War bei den herkömmlichen manuellen Methoden wegen des immensen Aufwandes nur eine konstruktive Lösung möglich, so verhilft CAD jetzt dazu, mehrere verschiedene Modelle auszuprobieren. Damit steige die Wahrscheinlichkeit, daß der Konstrukteur die beste Lösund auch tatsächlich findet. Spur betonte weiter, daß der Rechner vor allem bei der Variantenkonstruktion die Durchlaufzeit eines Auftrages erheblich verringere.

Nur am Rande tauchte bei der Eröffnungspressekonferenz zur Camp 83 in Berlin die Frage auf, welche Auswirkungen CAD-Systeme auf die Qualifikation und den Arbeitsplatz des Konstrukteurs oder auch der technischen Zeichner haben. Während der Konstrukteur sich zunächst noch keine grauen Haare wachsen lassen muß, dürfte der technische Zeichner langfristig über Operatorfunktionen am CAD/CAM-System kaum hinauskommen. Der am Reißbrett arbeitende Ingenieur, dem nach einer alten Branchenregel nichts zu "schwör" ist, wird nach Meinung von Experten die Methode dazu nutzen, bislang aus Zeitgründen immer wieder aufgeschobene Arbeiten zu erledigen.

Überhaupt drängt der Berliner Hochschullehrer Spur darauf, die Ausbildung des Ingenieurs an den Universitäten vor allem im Hinblick auf die computergestützte Konstruktion zu reformieren. Man stehe zur Zeit vor dem Phänomen, daß selbst Ingenieure, die vor rund zehn Jahren studiert hatten, im CAD-Bereich kaum Kenntnisse aufweisen könnten. Dies sei ein Hemmschuh für die Verbreitung derartiger Systeme und führe erneut zu der Forderung, benutzerfreundliche Systeme zu gestalten.

Drei Punkte machte Professor Günter Spur denn auch als wesentliche Schwierigkeiten im CAD-Sektor aus: Das Problem der Eingabe hält er für noch nicht optimal gelöst, das Antwortzeitverhalten ist immer noch unbefriedigend, und der Vorgang der Konstruktion selbst wirft Probleme auf: Wenn ein Konstrukteur versuche, seine Reißbretterfahrungen auf den Rechner zu übertragen, gehe es in aller Regel schief.

Menschen müssen mit dem System wachsen

Weitere Probleme im CAD-Bereich brachte José Encarnaçao, Chairman der Eurographics Associaton und Lehrer an der Technischen Hochschule Darmstadt, ins Gespräch. Zum einen sei die Investition in ein grafisches System keine "triviale" Angelegenheit, und zum anderen müßten die Menschen mit einem solchen System wachsen. Encarnaçao gibt daher Personal Computern eine Chance für CAD-Anfänger. Arbeiteten die Konstrukteure zunächst mit Tabellen und dann mit Taschenrechnern, so sei jetzt ein PC-Einsatz durchaus denkbar. Am grafikfähigen Mikrocomputer könne der Mitarbeiter Grundbegriffe einüben und das System schließlich von unten nach oben wachsen. Damit eröffne ein Personal Computer eine sinnvolle Möglichkeit - bei aller Beschränkung, die diesen Systemen natürlich innewohnt - , um den CAD-Einstieg zu wagen. Vor allem auch dann, wenn man nicht gleich in etwas "Vernünftiges" investieren will. Erneut fiel schließlich das Stichwort "Benutzerfreundlichkeit". "Die Mensch-Maschine-Kommunikation", hält Encarnaçao der einschlägigen Industrie vor, "ist im Augenblick noch ein Flaschenhals bei der grafischen Datenverarbeitung."