Unreife Utility-Modelle

Noch fließen IT-Services nicht wie Strom

16.01.2004
MÜNCHEN (jha) - IT-Budgets sinken, die Unternehmen orientieren sich neu, entlassen und trennen sich von Geschäftsbereichen. In diesem von enormen Veränderungen geprägten Umfeld fallen Outsourcing-Verträge mit Utility-Computing- und On-Demand-Komponenten auf fruchtbaren Boden. Doch die Modelle sind noch keineswegs ausgereift und bislang nur in engen Grenzen anwendbar.

"Heute bekommen Sie von der IBM kaum noch einen Outsourcing-Vertrag in die Hand, in dem nicht von On Demand die Rede ist", unkt Peter Dück, Vice President bei Gartner. Die Idee hinter sämtlichen Modellen, die pro Nutzer, pro belegtes Megabyte Speicherplatz, pro in Mips gemessene Rechnerleistung oder ERP-Arbeitsplatz abrechnen, ist verlockend, vernünftig und konsequent, wenn das Kerngeschäft der IT-Nutzer starken Schwankungen unterliegt. Das gilt etwa für Firmen mit ausgeprägten Saisongeschäfte, deren Kundenanforderungen häufigen Änderungen unterliegen, sowie für Akquisitionen und Desinvestments, also Verkauf, Abwicklung oder Verkleinerungen von Geschäftsbereichen oder Tochterfirmen. In diesem Umfeld lässt sich die IT-Nutzung dem Geschäftsaufkommen dynamisch anpassen, so dass die Anwender keine Überkapaziäten mehr vorhalten müssen, um die Belastung in Spitzenzeiten abfangen zu können.

Für alle anderen IT-Nutzer ist es fraglich, ob On-Demand-Dienste sinnvoll sind, denn Flexibilität gibt es nicht zum Nulltarif. "Die Provider belegen die nach Bedarf abzurufenden Ressourcen mit einem Premiumaufschlag", erläutert Bernd Schäfer, Area Managing Director TPI Eurosourcing Germany, einem Outsourcing-Beratungshaus. "Wer in einer Bandbreite definieren kann, welche Leistung er in welchem Umfang benötigt, wird kalkulatorisch die einzelnen Einheiten günstiger bekommen als jemand, der Ressourcen je nach Bedarf bezieht."

Defizite der Anbieter

Wie wirksam On-Demand-Vereinbarungen für die Anwenderunternehmen tatsächlich sind, zeigt sich ohnehin erst dann, wenn Kunden deutlich weniger beziehen und demnach zahlen wollen, denn mehr zu ordern war noch nie ein Problem. Die Provider werden aber kaum die einfache Formel anwenden, dass sich Kosten im gleichen Maße wie die Abnahmemenge reduzieren, denn sämtliche IT-Dienste sind mit einem Fixkostenblock versehen. Soweit es heute bereits nutzungsabhängige Bezahlmodelle gibt, gelten die vereinbarten Stückkosten nur innerhalb geregelter Abnahmemengen. Werden diese engen Grenzen über- oder unterschritten, werden andere Preise errechnet, um die Fixkosten neu zu verteilen.

Beliebige Skalierbarkeit nach oben und nach unten offeriert momentan kein Dienstleister, Gartner-Experte Dück rechnet in absehbar Zeit auch nicht mit entsprechenden Möglichkeiten. "Die Outsourcing-Anbieter und -Kunden versuchen mit den Utility-Konzepten, die sehr engen Grenzen sukzessive zu öffnen, so dass sie in den nächsten Jahren einen variablen Mehr- und Minderbedarf von zehn, 15 oder 25 Prozent beliebig decken können. Nur in Einzelfällen wird die Variabilität deutlich darüber liegen."

Meldungen über Auslagerungsprojekte mit On-Demand- und Utility-Computing-Komponenten dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass bedarfsgerechte Dienste in weiten Teilen der IT-Landschaft weit von einer Umsetzung entfernt sind. Relativ gut, wenngleich in eng gesteckten Grenzen funktioniert die stückweise Auslieferung und Bezahlung von IT-Diensten rund um PC- und ERP-Arbeitsplätze sowie im Business Process Outsourcing, etwa bei Gehaltszetteln oder der Rechnungsbearbeitung. Damit Anwender IT-Leistung wie Strom aus der Steckdose beziehen können, sind jedoch noch enorme Entwicklungsarbeiten von Hard- und System-Management-Herstellern zu erbringen. Zudem sind die meisten Lizenzmodelle der Applikationsanbieter den On-Demand-Anforderungen nicht gewachsen.

Defizite der Anwender

Auf Seiten der Anwenderunternehmen fehlt es an Tools und Prozessen, um die Dienste abrechnen und kontrollieren zu können. Ein einfaches Beispiel verdeutlicht den Aufwand: Die vereinbarten Stückpreise sollten beispielsweise nicht im Moment des Vertragsabschlusses wettbewerbsfähig sein, sondern zum Zeitpunkt der Nutzung. Das bedingt wiederum, dass das Anwenderunternehmen regelmäßig die marktüblichen Preise erhebt, mit dem Vertragspartner neue Konditionen aushandelt und die Bezahlung sowie die interne Verrechnung entsprechend anpasst.

Die Meta Group schätzt, dass rund 80 Prozent der weltweit aufgestellten Konzern es nicht schaffen werden, den Utility-Gedanken in ihrer IT-Kostenstruktur widerzuspiegeln. Statt einem starren IT-Jahresbudget ist nämlich ein Abrechnungsmodell erforderlich, das die fließende Kostenumlage je nach Nutzung zulässt, das mit unregelmäßigen Zahlungsanweisungen zurechtkommt, mit engen Fälligkeitsterminen arbeitet und komplexe interne Verrechnungen abbilden kann.

Doch nicht allein die Einführung, auch der laufende Betrieb birgt Schwierigkeiten und Risiken. Verantworten die Fachbereiche das Kostenaufkommen direkt, kann falsches Sparen schnell kontraproduktiv werden. Die Analysten von AMR Research schildern einen Fall, in dem den Fachabteilungen für das teure Passwort-Reset in Rechnung gestellt wurde, um die Nutzer für diese Kosten sensibilisieren. Die Anwender versucht daraufhin, das Sicherheitssystem zu umgehen.

Trotz aller bisherigen Unzulänglichkeiten und der großen Hürden können On-Demand- und Utility-Computing-Vereinbarungen auch in den bislang engen Grenzen ein lohnenswertes Ziel darstellen. "Es gibt viele Vorteile", schwärmt Alfons Wahlers, bis Ende letzten Jahres IT-Leiter bei Keiper. Der Remscheider Automobilzulieferer bezieht von seinem Outsourcing-Partner Triaton ERP-Arbeitsplätze on Demand. "Damit fällt die Risikobewertung und Kalkulation einfacher. Zudem sind die Leistungen viel transparenter, und man gewinnt an Flexibilität", erläutert Wahlers, der seit Jahresbeginn die IT-Abteilung der Flender AG, Hersteller von Antriebstechnik, leitet. "Sie können in langfristigen Outsourcing-Verträgen mit festen Jahrespreisen keine Gegenangebote einholen und vergleichen. Das hat sich nun grundlegend geändert."

Keiper zahlt an Triaton, nachdem der zehn Jahre alte Outsourcing-Vertrag mit einer IBM-Tochter nicht verlängert wurde, pro namentlich registrierten User im SAP-System. Ausgelagert wurden nur der Rechnerbetrieb, die Systembetreuung und die Wartung, während die Anwendungs- und Modulbetreuung im eigenen Competence-Center weitergeführt wird. "Wir konnten mehr als 50 Prozent gegenüber dem alten Outsourcing-Vertrag einsparen", schildert Wahlers. "Der neue Partner blieb 15 Prozent unter den errechneten Kosten im Eigenbetrieb, und es hat noch nicht einmal der Günstigste gewonnen."

On-Demand mit Tücken

- Harwareanbieter können Speicher- und Rechenleistung noch nicht nach Bedarf liefern,

- System-Management-Tools erlauben es nicht, freie Kapazitätzen beliebig zu verteilen,

- Lizenzverträge sind noch nicht auf die dynamische Nutzung von Applikationen ausgelegt,

- Anwendern fehlt die passende Prozessorganisation,

- interne und externe Abrechnungsverfahren müssen angepasst werden,

- starre IT-Jahresbudgets.