OS2 hat derzeit mit einigen Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen

Noch behält Unix gegen OS/2 die Nase deutlich vorne

23.02.1990

Mit ihrer immer leistungsfähigeren Hardware dringen PCs zunehmend in Anwendungsbereiche vor, die bisher Minis und Workstations vorbehalten waren. Als Betriebssysteme bieten sich vor allem Unix und OS/2 an. Bei einem detaillierten Vergleich zeigen sich markante Unterschiede.

Seit mehr als einem Jahr wird über die Vor- und Nachteile von OS/2 im Vergleich zu Unix diskutiert. Dieser Artikel versucht die Diskussion aus Anwendersicht zu führen und Orientierungshilfen für die Entscheidung zu geben.

Ein solcher Vergleich muß sich sinnvollerweise zunächst auf den PC-Bereich (Arbeitsplatzrechner, lokale Netzserver) beschränken, da beide Betriebssysteme nur hier im direkten Wettbewerb stehen. Im Gegensatz zu Unix ist OS/2 auf anderen Rechnerarchitekturen wie beispielsweise RISC-Systemen (noch) nicht verfügbar.

Zur Verdeutlichung der Diskussion um OS/2 zuerst ein historischer Rückblick. Der PC-Bereich ist gekennzeichnet durch eine standardisierte, offene, weltweit verbreitete Systemarchitektur. Merkmale des PC-Standards sind die CPU-Familie Intel 80X86, der PC-/ISA-Bus, Peripherieschnittstellen wie ST506 für Festplatten und die Firmware im ROM-BIOS.

Innovationszyklen zu schnell für Software

Die De-facto-Standardisierung als PC-Architektur erfolgte allerdings erst mit dem Einstieg von IBM in den PC-Markt (1981) der bis dahin von vielen unterschiedlichen Systemen wie dem Victor Sirius oder Apple II geprägt war. Die Marketingstrategie von IBM war überraschend, aber plausibel: totale Offenlegung aller Hardware- und Softwareschnittstellen (Stromlaufpläne, BIOS-Listing) des PCs. Dies gab den HW-/SW-Lieferanten das notwendige Gefühl der Sicherheit für weltweite Vermarktungsmöglichkeiten und führte schnell zu einem großen Angebot an Peripheriegeräten (Bildschirme, Festplatten, Drucker), Zusatzbaugruppen (Netzwerkadapter, Prozeßinterfaces usw.) und Anwendungsprogrammen (Wordstar, Word, Lotus 1-2-3 etc.). Sehr schnell waren Adaptionen der PC-Architektur für praktisch alle Einsatzbereiche als Laptop-, Büro- und Industrieversion verfügbar.

In den folgenden Jahren nahm die Konkurrenz vor allem aus dem asiatischen Raum immer stärker zu und hatte einen beispiellosen Preisverfall zur Folge. Der Anwender profitierte von dieser Entwicklung durch das sehr günstige Preis-/Leistungs-Verhältnis.

Die Vorstellung des IBM AT im Jahr 1984, der im Vergleich zum Vorgänger PC/XT eine Leistungsverdoppelung aufwies, löste schon bald auch Spekulationen über einen Nachfolger des PC-DOS Betriebssystems aus, der die Multitasking-Fähigkeiten und den 16-MB-Speicheradreßbereich des Prozessors 80286 unterstützen sollte.

Zudem zeichnete sich schon damals mit der Ankündigung des 80386 eine weiterhin rasante Entwicklung der Prozessoren ab {siehe Abb. 1, Seite 36). Mit den neuen, leistungsfähigeren Prozessoren stieg die Systemleistung in allen Bereichen. Die Software allerdings konnte mit diesen raschen Innovationszyklen nicht Schritt halten. So wird heute noch auf 386/486-Systemen PC-DOS eingesetzt. Wie schwer sich neue Betriebssysteme tun, zeigt die augenblickliche Diskussion um OS/2 und Unix.

Die ersten Multitasking-Betriebssysteme - Concurrent CPM/Concurrent DOS von Digital Research oder das Unix-Derivat Xenix 86 von Microsoft, SCO und IBM - konnten sich nicht durchsetzen und erzielten nur sehr geringe Marktanteile. Grund dafür war die im Vergleich zu MS-DOS kleine Zahl von Anwendungsprogrammen beziehungsweise die für Unix noch zu geringe Leistungsfähigkeit der Hardwareplattform. Zudem erwarteten die Anwender einen DOS-Nachfolger, der eine Migration in die neue Systemumgebung ermöglichte.

Der kommerzielle Erfolg von MS-DOS liegt in der Portabilität zwischen den PC-Architekturen vieler unterschiedlicher Hersteller. Diese Herstelleroffenheit ist sowohl bei OS/2 als auch bei Unix System V/386 gegeben. Die PC-Architektur erlaubt den Betrieb von MS-DOS im "native mode" oder von leistungsfähigeren Betriebssystemen wie OS/2 und Unix im "protected mode".

Im Vergleich zu anderen Rechnerarchitekturen kann bei der Planung die Hardwareentscheidung unabhängig vom Betriebssystem getroffen werden, da auf einem PC DOS, OS/2 und Unix alternativ installiert und betrieben werden können. Außerdem enthalten sowohl OS/2 als auch System V/386 eine DOS-Emulation und ermöglichen so die Nutzung bereits existierender DOS-Software (Migrationspfad).

OS/2 wie Unix sind keine Nachfolger von DOS, sondern als Ergänzung des Betriebssystem-Angebotes im High-end-Bereich zu sehen. Die Einsatzgebiete liegen sowohl im kommerziellen als auch im technischen Bereich. OS/2 ist ein reines Einplatz-, Unix ein Mehrplatz-Betriebssystem; im technischwissenschaftlichen Bereich wird es mehr auf Einplatz-Workstation-Systemen eingesetzt.

OS/2 ist ein Singleuser-Multitasking-Betriebssystem, das speziell für IBMs AT- und PS/2-Architektur auf der Basis des 80286-Prozessors entwickelt wurde. Aufgrund der Binärkompatibilität der Prozessoren ist OS/2 auch auf neueren Systemen mit dem 80386 oder 80486 ablauffähig.

Die Entwicklungsziele von OS/2 wurden im wesentlichen abgeleitet aus den bekannten Einschränkungen von MS-DOS sowie den technischen Anforderungen:

- Dynamische Verwaltung größerer Arbeitsspeicher

- Multitasking Fähigkeit

- Bessere Schutz- und Sicherungsmechanismen (Nutzung des "protected mode")

- Modularer Aufbau und Erweiterbarkeit (Netzwerk, Datenbank, Grafik)

- Einheitliche, komfortable und schnelle grafische Benutzerschnittstelle

- Migrationspfad für vorhandene DOS-Software (DOS-Emulation).

Neben diesen technisch orientierten Zielen gab es für IBM und Microsoft gewichtige strategische Gründe für eine Ablösung von DOS.

IBMs OS/2-Strategie als Reaktion auf Verluste

Die starke technische Konkurrenz (Compaq) sowie ein geradezu ruinöser Wettbewerb hatten für IBM rapide sinkende Absatzzahlen zur Folge. Der Markt-Führer reagierte mit der Vorstellung einer neuen PC-Generation (Personal System /2), die technische Maßstäbe setzte (analoge Monitore bis 1024 x 768 Bildpunkten, ESDI-Festplatte, Microchannel-Bus etc.). Zusammen mit PS/2 wurde OS/2 angekündigt.

Mit OS/2 verfolgt die IBM das Ziel der Integration der Mikrocomputer in ihre System-Anwendungs-Architektur (SAA). SAA ist ein Vorschlag für einheitliche Softwareschnittstellen, Vereinbarungen und Protokolle. Die Komponenten sind:

- Common User Access (CUA)

- einheitliche Benuterunterstützung,

- Common Communication Support (CCS)

- einheitliche Kommunikationsunterstützung

- Common Programming Interface (CPI)

- einheitliche Programmierschnittstellen

--- Common Applications

- einheitliche Anwendungen.

Damit soll die Entwicklung von Anwendungen für die wichtigsten IBM-Systemarchitekturen erleichtert werden mit dem Ziel höherer Konsistenz und Konnektivität sowie besserer Portabilität untereinander. Die Intentionen sind:

- Vertikale Integration der lBM Systeme PS/2, AS/400 und 1370 (Communication Manager, Database Manager) und Einheitlichkeit von Anwendungsschnittstellen über deren Betriebssystem-Architekturen OS/2 EE, OS/400, VM/CMS und MVS/TSO-E (Presentation Manager)

- horizontale Integration der Arbeitsplatzsysteme in einem lokalen Netzverbund (LAN-Server)

- einheitliche Kommunikationsschnittstellen und -protokolle für obige Systemfamilien (SNA LU 6.2)

- gemeinsame Nutzung von PCs, Minis und Großrechnern im Netzverbund mit Aufgaben

- beziehungsweise Lastverteilung. die Verteilung kann sich auf die Daten (relationale Datenbank), die Präsentation und die Verarbeitung (Cooperative Processing) beziehen.

Diese IBM-Strategie wird untermauert durch neue systemintegrierende Produkte für die durchgängige Unternehmenskommunikation wie Officevision im Bürobereich und

Distributed Automation Edition im Fertigungs- und Logistikbereich.

Microsofts OS/2-Strategie hebt auf OEM-Markt ab

Microsoft bedient traditionell den OEM-Markt für PC-Betriebssysteme und Anwendungsprogramme außerhalb der IBM (etwa zwei Drittel des Gesamtmarktes). Folgende Zielsetzungen lassen sich derzeit erkennen:

- Horizontale Integration der Mikrocomputer-Systeme in der DOS-, OS/2-, Unix- und Xenix-Welt,

- Workgroup Computing (Arbeitsgruppe mit PCs als Workstation in einem LAN mit einem lokalen File- und Druckserver, geringe Kommunikation mit Host beziehungsweise Rechenzentrum),

- OS/2 als OEM-Betriebssystem für eine Vielzahl von PC-Herstellern zur Anpassung an deren Hardware unter Beibehaltung der Software-Portabilität

- OS/2 als Basis für technische und kommerzielle Anwendungsentwicklungen.

Die OS/2-Versionen von IBM und Microsoft sind bis zur Standard Edition 1.1 (Betriebssystem-Kern und Presentation Manager) nahezu identisch. IBM nutzt zusätzlich die Abios-Firmware der PS/2-Rechner (Reentrant-Codeerweiterung des Standard-Bios mit Unterstützung des Mikrokanals).

Mit der OS/2 Extended Edition von IBM fand allerdings eine Aufspaltung in eine IBM und in eine Microsoft-Linie (OEM-Markt) statt. Die Gegenüberstellung in Tabelle 1 zeigt,

daß die Unterschiede in den OS/2-Erweiterungen Kommunikation und Datenbank auftreten. Werden diese genutzt dann sind Inkompatibilitäten zwischen beiden Versionen sehr wahrscheinlich.

Die entsprechenden Erweiterungen der Microsoft-Version stammen aus Kooperationen mit Partnern wie Ashton-Tate, Sybase, 3Com und DCA. Der Dialog-Manager, Voraussetzung für SAA-konforme Anwendungen wie Officevision, fehlt bei Microsoft.

AT&Ts Betriebssystem Unix ist auf vielen unterschiedlichen Prozessor- und Rechner-Architekturen verfügbar, wie

- den Mikroprozessoren Intel 80X86 und Motorola 680X0,

- den RISC-Architekturen von IBM, DEC, HP, Sun, Nixdorf (Pyramid), Mips,

- den Mini-Supercomputern von Convex, Alliant

- sowie für Cray-Rechner und - die /370-Architektur von IBM native (Amdahl) oder unter VM.

Der aktuelle Unix-Stammbaum (siehe Abbildung) verdeutlicht die AT&T-Strategie. Die Kooperation von AT&T (System V) mit Sun (BSD-Linie) und Microsoft (Xenix-Linie) hatte das Ziel, diese drei Hauptentwicklungslinien mit der Version System V.4 zu einem Unix-Standard zusammenzuführen und so die Marktführerschaft zu festigen.

Als Reaktion auf die Liaison zwischen AT&T und Sun gründeten IBM, DEC, Siemens und andere Partner die OSF als "herstellerunabhängige Vereinigung". Lange Zeit wurde von der OSF IBMs AIX 3.0 als Kern für die Unix-Version OSF/1 favorisiert. Im Januar 1990 wurde OSF/1 allerdings mit dem Systemkern Mach 2.5 und Erweiterungen von BSD 4.3 und 4.4 beziehungsweise AIX 3.0 vorgestellt.

Aus Anwendersicht ist der Konzentrationsprozeß auf nur noch zwei bis drei Unix-Versionen einerseits, und die verbliebene Konkurrenzsituation andererseits in jedem Fall positiv zu bewerten.

Für den IBM AT (Prozessor 80286) existieren Unix-Versionen schon seit einigen Jahren. Aber weder Xenix (IBM, Microsoft, SCO) noch Microports System V/AT haben wegen der im Vergleich zu MS-DOS schlechten Performance besondere Bedeutung erlangen können.

Erst die Portierungen auf der Basis des 32-Bit-Prozessors 80386 lassen den Einsatz von Unix im PC-/Workstation-Bereich sinnvoll erscheinen (Sun 386i, Unisys 6000/50). Sie sind von der Leistung her mit den traditionellen Minicomputern vergleichbar, für die Unix ursprünglich entwickelt wurde.

Xenix wird vom Markt verschwinden

System V/386, Release 3, die erste System V.3-Implementierung für 386-PCs, wurde von Interactive Systems Corp. (ISC) im Auftrag von AT&T, Microsoft und Intel erstellt. In der neuesten Version System V/386, Release 3.2 wurde sie binär und aufwärts kompatibel zu dem älteren Xenix, womit die große Auswahl an Xenix-Software (über 2500 Anwendungsprogramme) für sie verfügbar wurde. Xenix wird damit mittelfristig vom Markt verschwinden.

System V/386 ist die offizielle Unix-Version von AT&T für den gesamten PC-Markt mit dem 80386/80486-Prozessor. Die Verfügbarkeit sowohl für AT-Kompatible mit AT- und EISA-Bus als auch für die PS/2-Systeme mit dem Mikrokanal ist ein Indiz für die Herstelleroffenheit und macht System V/386 zu einem Industriestandard.

Lizenzen für das System V/386 wurden von AT&T an ISC und SCO vergeben. Die ISC-Version 386/ix ist seit etwa zwei Jahren auf dem Markt und hat sich in den bisher realisierten Projekten als stabil erwiesen. SCC Unix System V/386 wird seit Ende 1989 unter dem Produktnamen "Open Desktop" (ODT) vermarktet. ODT ist eine integrierte SW-Umgebung mit Applikationsschnittstellen für die grafische Benutzeroberfläche (OSF/Motif), das Windowing-System (SCO XSight basierend auf X Window), eine verteilte, relationale Datenbank (Ingres/386) und Kommunikation (TCP/IP, NFS, LAN Manager).

Das Konkurrenzprodukt AIX PS/2 von IBM ist Bestandteil der AIX Family Definition (Pendant zu SAA) und eine Portierung von System V.2 und BSD 4.3 durch Interactive Systems und IBM. AIX PS/2 kann allerdings nur auf PS/2-Modellen (zur Zeit die Modelle 70 und 80) installiert werden. Dies schränkt zwangsläufig die Einsatzmöglichkeiten für AIX PS/2 ein, da das Angebot an Zusatzhardware und -software noch gering ist. Einige Produkte wie NFS oder TCF, die für Verbundapplikationen benötigt werden, sind verschoben worden und stehen noch nicht zur Verfügung.

MS-DOS-Anwendungen migrieren lieber zu Unix

Die nachfolgenden Gegenüberstellungen (siehe Tabelle 2) vergleichen die Betriebssysteme OS/2 und System V/386 auf der AT- beziehungsweise PS/2-Architektur.

Die Gegenüberstellung macht deutlich, daß beide Betriebssysteme im Vergleich zu einem PC mit MS-DOS eine erhebliche Systemaufrüstung (Prozessor, Hauptspeicher, Festplatte) erfordern, deren Wirtschaftlichkeit unter Verwendungsgesichtspunkten immer zu prüfen ist.

Für OS/2 wird nur ein PC mit 80286-CPU benötigt. Die Limitierungen des 80286 sind der 16-Bit-Hauptspeicherzugriff, Segmentgrenzen von 64 KB und ein maximaler Hauptspeicherausbau von 16 MB. System V/386 setzt einen PC mit 80386 CPU voraus. Dessen Vorteile bestehen in 32-Bit-Hauptspeicherzugriff und -Adressierung (4 GB), Demand Paging und virtuellem 8086-Modus.

Die DOS-Emulation ist bei beiden Betriebssystemen ein wichtiger Faktor für die Migration von MS-DOS-Anwendungen in diese neuen anspruchsvolleren Umgebungen. OS/2 ist hier deutlich im Nachteil.

Die Compatibility Box von OS/2 wird durch ein Umschalten des 80286 von der Betriebsart "protected mode" in den "real mode" erreicht. Damit kann immer nur ein DOS-Programm gestartet werden. Zudem bleiben während dieser Zeit sämtliche OS/2-Tasks suspendiert. In dieser Box liegen ein Teil von OS/2 und sämtliche Treiber, so daß tatsächlich wesentlich weniger als die maximale DOS-Hauptspeichergröße zur Verfügung stehen (etwa 405 von 640 KB bei OS/2 EE 1.1). Eine DOS-Speichererweiterung über Expanded Memory (EMS) wird nicht unterstützt.

Die DOS-Emulation von System V/386 (VP/ix, Merge) nutzt den virtuellen 8086-Modus des 80386 (mehrere 8086PCs in einem PC). Damit können auf einem Unix-Rechner DOS- und Unix-Programme parallel arbeiten, entweder in Fenstern (X-Window) oder auf mehreren virtuellen oder tatsächlich vorhandenen Grafik-Bildschirmen (Multiuser-Betrieb).

Applikationsschnittstellen wurden Auswahlkriterien

Zukunftssichere Anwendungen sind nur auf der Basis einer Anwendungs-Architektur vorstellbar, die möglichst viele Systemfamilien umspannt. Damit werden Anwendungs-Design und -Entwicklung weitgehend von der Systementscheidung getrennt.

Voraussetzung hierfür sind genormte Applikationsschnittstellen (Anwenderfunktionen). Diese Bindeglieder zwischen Betriebssystem und Anwender werden zunehmend zum wichtigsten Auswahlkriterium bei Systementscheidungen.

Anwendungsprogramme, die diese Schnittstellen benutzen, bleiben unabhängig von der darunterliegenden Architektur (CPU, Betriebssystem) beziehungsweise dessen Änderungen und garantieren auch langfristig Portabilität und Software-Investitionsschutz.

Die Applikationsschnittstellen (siehe Tabelle 3) sind bei OS/2 detailliert spezifiziert und zum großen Teil bereits vorhanden (IBM OS/2 Extended Edition, SAA). Sie sind als Betriebssystemerweiterungen (Dynamic Link Libraries) mit konformen Programmierschnittstellen (Application Progamming Interface) realisiert. Die Microsoft OS/2-Version ist bei der Kommunikation und der Datenbank nicht IBM-konform.

Im Unix-Bereich gibt es neben den wenigen Standards wie X/Window und OSF/Motif zum Teil nur herstellerspezifische Lösungen (Open Look, Open Desktop, News, DEC Windows Next). Eine allgemeine Vereinheitlichung ist noch nicht erfolgt. Vermutlich wird das erst mit X/Open Issue 4 Connectivity Guide und dem Common Application Environments CAE erreicht.

Auf der Applikationsebene zeichnet sich bereits eine Annäherung der beiden Betriebssysteme ab. So portiert HP zusammen mit Microsoft den LAN- und den Presentation Manager auf Unix, und die Oberfläche des Presentation Manager wurde von der Open Software Foundation in das Produkt OSF/Motif übernommen.

Im Vergleich zu den leistungsfähigen, aber komplizierten Unix-Shells ist der Dialog-Manager von OS/2 weitaus einfacher. Bei beiden Betriebssystemen gibt es alternativ auch eine komfortable grafische Benutzeroberfläche. Der Presentation Manager ist ein CUA- konformes Anwendungsprogramm, das ein Bildschirm-Verwaltungssystem (Fenstersteuerung, Grafiksymbole) sowie ein API (Presentation Interface) bereitstellt. Das Pendant bei System V/386 ist zur Zeit X.11 mit dem Window Manager umw.

Die Grafikschnittstelle von OS/2 ist optisch weitgehend identisch mit MS-Windows unter DOS. Dadurch ist bei beiden Betriebssystemen unabhängig von der eingesetzten Hard- und Software immer die gleiche Benutzeroberfläche möglich.

OS/2 unterstützt nationale Zeichensätze sowie kontextabhängige Meldungstexte, die Benutzung von individuellen Zeichentabellen für Tastatureingabe sowie Bildschirm- und Druckausgabe auf Prozeßebene. Der Presentation Manager enthält zudem einen vollständigen Satz zweidimensionaler Grafikfunktionen.

Der Grafikstandard für Unix ist das X Window System, das auf dem Client-Server-Modell basiert und folgende Charakteristika aufweist:

- Geräteunabhängigkeit,

- Grafikschnittstelle für Raster-Displays

- hierarchische Fensterverwaltung,

- gleichzeitige Ausgabe von mehreren Prozessen auf einem Display (Windowing),

- Netzwerktransparenz (Umlenkung von Bildschirmausgaben auf beliebige Rechner im Netz)

Allerdings ist X-Window keine Benutzerschnittstelle wie der Presentation Manager, da eine Dialogschnittstelle fehlt. Diese wird beispielsweise durch OSFI Motif realisiert

Die Kommunikationsschnittstelle

Der Kommunikationsmanager von OS/2 enthält die Funktionen

- Programmschnittstellen (APPC, Netbios, SRPI, EHL-LAPI, ACDI),

- Terminalemulation (3270, 3101, VT 100),

- File-Transfer,

--- LAN-Support (Token Ring, Ethernet IEEE 802.3 und DIX V.2.0, X 25).

Schnittstelle zu Anwenderprogrammen ist das Application Program Interface (API) von OS/2. Eine Verbindung ist über eine asynchrone Schnittstelle, SDLC oder über ein Token-Ring-Netz möglich. Unterstützte Protokolle sind LU 1, LU 2, LU 3, LU 6.2 und 3270-Datenstrom.

Die Standardprotokollfamilie im Unix-Bereich ist TCP/IP. Zu einem Quasi-Standard hat sich NFS von Sun entwickelt. NFS ist eine Betriebssystem-unabhängige Protokollfamilie zur Kopplung und transparenten Kommunikation heterogener Systeme.

Der Datenbank-Manager von OS/2 ist eine relationale Multi-user-Datenbank mit Query Manager (Report- und Maskengenerator) und Database Manager (SQL-Support). Alle SQL-Befehle sind über den Hochsprachen-Compiler C/2 oder über die integrierte Benutzeroberfläche aufrufbar. Transaktionsmanagement wird unterstützt (Datenintegrität, Schutz und -wiederherstellung. Zusätzlich existieren Import-Funktionen für DB2-, SQL/DS- sowie Lotus- und Dbase-Daten. Die neueste Version IBM OS/2 EE Version 1.2 wird auch verteilte Datenbanken unterstützen.

Eine standardisierte Datenbankschnittstelle existiert für Unix zur Zeit nicht. Weit verbreitet sind Datenbanken von Oracle und Informix mit SQL-Schnittstellen, die im übrigen auch für OS/2 verfügbar sind. Unix unterstützt verteiltes Datenbankmanagement. Die Unterstützung für Transaktionsverarbeitung ist mangelhaft, an Spezifikationen wird gearbeitet (OLTP).

Unix zum Teil schneller als OS/2

Die Abbildung auf Seite 25 zeigt die Ergebnisse der Tests (Standard-Benchmark bei BMW) mit den Rechnern Siemens PC 32-05 (80386, 16 MHz) und Siemens PC 32-30 (80386, 25 MHz). Zum Vergleich wurden die Tests auch unter MS-DOS durchgeführt.

Unix ist auf der gleichen Rechnerarchitektur zum Teil erheblich schneller als OS/2. Dies ist primär auf die 32-Bit-Verarbeitung im Vergleich zur 16-Bit-Verarbeitung bei OS/2 und MS-DOS zurückzuführen. Verglichen mit DOS ist OS/2 sogar etwas langsamer (siehe auch BYTE, 10/1988). Weitere Tests haben gezeigt, daß die Ergebnisse stark vom verwendeten Compiler abhängen und deshalb, wie bei allen Benchmarks, nicht zu absoluten Vergleichen herangezogen werden können.

Bis heute hochgesteckte Erwartungen nicht erfüllt

OS/2 hat die hochgesteckten Erwartungen bis heute noch nicht erfüllen können. Die Verkaufszahlen von OS/2 liegen nach wie vor hinter den optimistischen Schätzungen zurück.

Microsoft kündigte an, daß 1990 elf Millionen Lizenzen für MS-DOS verkauft werden, im Vergleich dazu nur eine Million OS/2-Versionen.

Die Startschwierigkeiten von OS/2 sind zunächst darauf zurückzuführen, daß OS/2 eine völlige Neuentwicklung und nicht, wie viele meinen, ein verbessertes MS-DOS ist. Weitere verzögernde Ursachen waren die Fehleinschätzung des Marktes durch IBM mit der Fixierung auf den 80286-Prozessor, die wiederum im Vergleich zu Unix System V/386 für die unzureichende DOS-Migration und die relativ schlechte Performance verantwortlich ist.

Diese Marketingstrategie sah vor, das große Installationspotential der älteren IBM AT-kompatiblen PCs sowie der neuen leistungsfähigen PS/2-Modelle (80286, 80386, 80486) zu nutzen. Technische Probleme hatten aber unerwartet Zeitverzögerungen bei der Auslieferung zur Folge. Die verspätete Markteinführung und die parallel dazu unerwartet rasche Zunahme von 386-Systemen (Zahl der Prozessoren in 86:60 Tsd., 88: 1 Million, 93:20 Millionen) widerlegten die Erwartungen von IBM.

Die unklare Situation im Hardware-Bereich um die Erfolgschancen des AT-Bus,

Mikrokanal oder EISA-Bus und die Trennung in die zwei OS/2-Linien mit der Extended Edition (IBM, Microsoft) mit den zu erwartenden Inkompatibilitäten tragen zur Entscheidungsunsicherheit sowohl bei den HW-/ SW-Lieferanten als auch bei den Anwendern bei. Dies führte zwangsläufig dazu, daß die Zahl der Third-Party-Produkte zur Zeit noch gering ist. Die Anwender sehen Risiken darin, daß neue OS/2-Versionen von IBM wie schon die Extended Edition noch mehr auf IBM-Architekturen (PS/2, Microchannel, SNA.) zugeschnitten sind.

Die Verunsicherung hat viele Anwender dazu bewogen, zunächst einmal abzuwarten und im Low-end-Bereich DOS-Extender wie die Phar Lap Tools und im High-end-Bereich Unix System V/386 einzusetzen.

Mittlerweile haben IBM und Microsoft erkannt, daß sie nur gemeinsam OS/2 zum Erfolg führen können. Als Reaktion auf die unerwartet große Zurückhaltung der Softwarehäuser und der Anwender gaben sie eine gemeinsame Erklärung über ihre strategischen Ziele ab. Danach soll es in Zukunft nur eine Standard Edition von OS/2 geben, zu der optimal Datenbank und Kommunikation hinzugefügt werden können.

1991 keine Nachteile mehr in der Performance

IBM will die proprietären Produkte Data Base Manager und Communication Manager von der Extended Edition entkoppeln. Außerdem sollen der IBM LAN Server und der Microsoft LAN Manager zusammenwachsen. Ein Zeitpunkt für die Umsetzung dieser Ankündigung in Produkte wurde allerdings nicht bekanntgegeben.

Microsoft kündigte außerdem die erste Release einer 32-Bit-Version von OS/2 für Mitte 1990 an. Diese wird die neue PC-Generation (80386, 80486) voll unterstützen, mit all den wesentlichen technischen Vorteilen, die Unix System V/386 schon heute bietet. Die unzureichende DOS-Migration wird dann ebenso überwunden sein wie die Nachteile in der Performance. Die Verfügbarkeit von OS/2 (386) in 1991 fällt dann zusammen mit einer bis dahin sicher großen Zahl an komfortablen, kostengünstigen Applikationsprogrammen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird die Zahl der OS/2-Installationen, wie in vielen Studien prognostiziert, drastisch steigen. OS/2 hat die Chance, das strategische Produkt im Bereich der Arbeitsplatzsysteme zu werden.

Überraschender Aufschwung von Unix

Der schleppende Anlauf von OS/2 hat wesentlich zum überraschenden Aufschwung von Unix bei den Arbeitsplatzsystemen beigetragen. Die Vorteile liegen, wie primär im technischen Bereich (32-Bit-Betriebssystem).

Unix System V/386 wird durch den verstärkten Einsatz auf offenen PC-Architekturen im unteren Leistungsbereich mit OS/2-Systemen und im oberen Bereich mit anderen Unix-Workstations konkurrieren.

Im Vergleich zu den proprietären Unix-Plattformen von SUN, HP, Siemens usw. besitzt Unix auf der PC-Architektur das weitaus größte Wachstumspotential. Diese Einschätzung beruht zum einen auf dem äußerst günstigen Preis-/Leistungs-Verhältnis im HW-Bereich aufgrund der Konkurrenzsituation im PC-Markt.

Das große Spektrum an HW-/SW-Lieferanten ermöglicht wie bei OS/2 optimale Konfigurationen für Applikationen aus allen Einsatzbereichen (zum Beispiel BDE-Terminal, Büro-PC, Industrierechner oder CAD-Workstation). Nur bei der PC-Variante ist beispielsweise der Anschluß zusätzlicher Grafikterminals von geringer bis sehr hoher Auflösung möglich (grafikfähiger Multiuser-Betrieb).

Wesentliche Unterstützung hierfür kommt von Firmen wie Microsoft, HP, Siemens und anderen. Die nächsten Versionen von System V/386 werden erweitert um Multiprozessorfähigkeit eine Portierung für Security-Level B1, Unterstützung für optische Platten (CD-ROM, WORM) und um spezielle Versionen für den 80486 und den RISC-Prozessor Intel 860.

Die Gemeinsamkeiten von OS/2 und Unix

OS/2 und Unix System V/386 sind herstelleroffene Betriebssysteme auf einer frei verfügbaren, standardisierten, weit verbreiteten Rechnerarchitektur (CPU, Bus, Peripherie).

Die Leistungsbandbreite reicht zur Zeit vom preiswerten 386SC-PC mit 2.5 MIPS, über leistungsfähige Rechner mit der CPU 80486 (15 MIPS) bis hin zu Multiprozessorsystemen wie den Compaq Systempro (40 MIPS).

Spätestens mit dem Einsatz dieser Betriebssysteme hat sich der PC zur Personal Workstation weiterentwickelt. +

* Ernst Schindler, BMW AG, Abteilung Systemtechnik, Hard und Softwareplanung für MC Arbeitsplatzsysteme.