Die Paderborner wollen sich im MVS-Markt nicht die Finger verbrennen

Nixdorf zieht sich endgültig aus dem /370-Geschäft zurück

29.09.1989

PADERBORN/MÜNCHEN - Nach dem Rückzug der Nixdorf Computer AG aus dem /370-Geschäft sind die 8890- Anwender vor eine schwierige Wahl gestellt: Nixdorfs OEM-Partner Comparex ist bereit, in die Verträge einzutreten, die Paderborner locken mit einem angeblich niet- und nagelfesten Unix-Angebot. "Die treiben uns ja förmlich in die Arme der IBM", kommentiert ein 8890-Kunde.

Auf leisen Sohlen schleicht sich Nixdorf aus dem Dunstkreis der IBM: Die Rechnerserie 8890 wird eingestellt, das /370-Geschäft durch einen neuen Kooperationsvertrag peu Ó peu dem Mannheimer OEM-Partner Comparex übertragen. Die Paderborner wollen sich jetzt voll und ganz der Unix-Welt verschreiben.

Für die Nixdorf-Kunden der /370-Schiene hat diese Entscheidung enorme Auswirkungen: Denn bei Nixdorf verbleiben nur diejenigen Anwender, die den Unix-Einflüsterungen der Paderborner erliegen und auf deren Targon-Rechner umstellen. Dies können aber nur die User, die die C-Modelle der 8890-Serie einsetzen, die den unteren Leistungsbereich der 8890-Serie darstellen - oder aber die Anwender, die mit den kleineren D-Modellen arbeiten, die von Hitachi gebaut und von Comparex geliefert werden. Wer als Nixdorf-Kunde indes die größeren D-Modelle benutzt oder von Haus aus in der /370-Welt verbleiben will, bekommt es jetzt mit Comparex zu tun.

Gründe für den Rückzug der Paderborner aus der IBM-Welt, der von Insidern schon früher erwartet worden war, nennt Dietrich Zeh, zuständig für den Nixdorfer CIS-(Compatible-Informations-Systeme)Bereich in München: "Zum einen sind die Aufwendungen für die Entwicklung und Produktion der /370-Architektur extrem hoch. Da wir der Überzeugung sind, daß das Preis-/Leistungsverhältnis von /370-Maschinen schon in naher Zukunft sehr ungünstig ist, rentiert sich dieses Geschäft für uns nicht mehr. Zum anderen haben unsere 8890-Dxx-Modelle ihre Leistungsgrenze bereits erreicht."

"Mit der nächstgrößeren CPU aber müßten wir in die MVS-Welt wechseln - doch mit einem solchen Betriebssystem wollen und können wir uns nicht auseinandersetzen." Deshalb habe man schon vor einigen Jahren beschlossen, sich künftig voll und ganz auf den neuen Standard Unix zu konzentrieren.

Die Kunden indes erfuhren von den 8890-Rückzugsplänen der Paderborner lange Zeit nichts. Im Gegenteil: Nixdorf VBs stellten ihnen noch im vergangenen Jahr ein neues Release des Betriebssystems Nidos in Aussicht, was einige Benutzer veranlaßte, sich eine größere Maschine anzuschaffen. Zu den Betroffenen zählt Josef Fromme, DV-Leiter der Hesse GmbH in Hamm. Er installierte im Frühjahr dieses Jahres eine 8890-D23, um damit die Vorzüge der neuen Nidos-Version gleich nutzen zu können. Unter anderem sollte diese nämlich die für Fromme notwendige Erweiterung des Adreßraumes gewährleisten. "Doch kaum hatten wir den Rechner im Haus, erklärte uns unser VB, daß das neue Release nicht ausgeliefert wird", schimpft Fromme.

Dazu CIS-Manager Zeh: "Wir hatten in der Tat das neue Release geplant und mit der Entwicklung begonnen, es dann aber nicht fertiggestellt. Es wäre unfair gewesen, dem Kunden ein Release auszuliefern, das für ihn erhebliche Investitionen bedeutet hätte, ohne dafür den entsprechenden Nutzen zu haben." Denn die langfristigen Unterstützungs- und Wartungsverpflichtungen, die sich für Nixdorf durch die Neuinstallationen des verbesserten Betriebssystems zwangsläufig ergeben hätten, wollten sich die Paderborner angesichts ihrer Unix-Ambitionen natürlich nicht mehr aufladen.

Der Kooperationspartner Comparex wiederum wäre nicht in der Lage gewesen, die Betreuung der neuen Nidos-Betriebssystem-Version zu übernehmen. Erklärt Berthold Müller, Direktor Produktmanagement und -marketing bei Comparex: Wir haben von den vielzähligen Nixdorf-Spezifikationen keine Ahnung - wollen dies auch gar nicht. Deshalb haben wir Nixdorf unmißverständlich klar gemacht, daß wir uns aus Nidos wie auch aus allen Nixdorf-eigenen Software-Entwicklungen, wie beispielsweise die Comet-Anwendungen, völlig heraushalten werden." Für die verbleibenden Nidos-Kunden, aber auch für die Anwender, die ihre Comet-Anwendungen mit auf einen neuen Comparex-Rechner nehmen wollen, bestehe somit weiterhin Wartungs- und Unterstützungsverpflichtung von Nixdorf.

Verantwortlich sind die Paderborner vorerst auch noch für die Kunden, die in der 8890-Welt erst einmal keinen Änderungsbedarf haben. "Nur diejenigen Anwender", so Müller, "die innerhalb der 8890-D-Modelle aufsteigen wollen, oder aber gar das Nachfolgemodell der 8890-Dxx, nämlich unsere 8/8x, benötigen, werden ab sofort direkt von uns beliefert. Sie bestellen die Systeme zwar noch bei Nixdorf, aber wir installieren die Maschine mit unserem Label und übernehmen dann auch die Wartung und den Service." Ergänzt CIS-Manager Zeh: "Für jede Comparex-CPU, die ab sofort installiert wird, übernehmen die Mannheimer die First-Call-Verantwortung. Wir sind aber nach wie vor im Second-Call für unsere Produkte zuständig."

Schrittweise soll dann aber die volle 8890-Betreuung an Comparex übergehen. Müller: "Das Langfristziel unserer vertraglichen Vereinbarung mit Nixdorf ist, daß wir mit zunehmenden Produktzulieferungen letztlich die Gesamtsystemverantwortung übernehmen." Dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg. Denn der Comparex-Manager macht keinen Hehl daraus, daß den Mannheimern als bisheriger reiner Hardware-Lieferant das Geschäft mit Gesamtsystem-Lösungen Ó la Nixdorf noch fremd ist. Außerdem hatte Comparex bislang diverse Peripherieprodukten der 8890-Welt nicht in ihrem Sortiment. So können die Mannheimer den Kunden im unteren 8890-Bereich beispielsweise keine adäquaten Platten anbieten. Probleme gibt es auch bei der Kommunikationsperipherie. Dies betrifft unter anderem Bildschirmsteuereinheiten und Terminals. Deshalb will Comparex so bald wie möglich Geschäftsbeziehungen zu den Partnern aufbauen, die bislang mit Nixdorf zusammenarbeiteten.

"Doch solche Abkommen lassen sich nicht von heute auf morgen schließen", betont Comparex-Manager Müller. Deshalb habe man mit Nixdorf auch noch Zuliefergarantien aushandelt. "Wir mußten sicherstellen, daß Nixdorf solche Produkte weiterhin entweder an uns oder direkt an den Kunden liefert. Und dies solange, bis wir selbst in der Lage sind, in diesen Bereichen tätig zu werden." Dafür bleibt dem PCM-Anbieter Zeit bis Ende 1995. Dann nämlich zieht Nixdorf auch unter die Wartungs- und Support-Garantien endgültig den Schlußstrich.

Diesen Schlußpunkt hat DV-Profi Josef Fromme hinter die Partnerschaft mit Nixdorf bereits gesetzt - zumindest gedanklich. "Die Kundenbetreuung von Nixdorf war in den vergangenen Jahren miserabel. Selbst die IBM bemüht sich mittlerweile intensiver um ihre Kunden, als dies die Paderborner tun. Und jetzt solle man sich auf einmal mit Comparex auseinandersetzen. Fromme erbost: Man weiß ja, wie solche Vereinbarungen dann in der Realität aussehen. Hat der Kunde Probleme, die der Comparex-Techniker nicht lösen kann, wird man an Nixdorf verwiesen. Die aber werden dann sogleich die Verantwortung wieder Comparex zuschieben." Ein solches Durcheinander werde er jedenfalls nicht mitmachen. "Die treiben den Kunden ja förmlich in die Arme der IBM."