Niemals ohne die Mitarbeiter

23.06.2005
Von Uwe Feddern*
Manager strukturieren gerne am grünen Tisch ihre Geschäftsprozesse neu. Häufig beziehen sie die Mitarbeiter nicht ein. Später wundern sie sich, wenn die Umsetzung scheitert.

Geschäftsprozesse optimieren klingt chic; Manager versprechen sich davon kürzere Durchlaufzeiten, weniger Fehlerquellen, niedrigere Kosten und zufriedenere Kunden. Was in der Theorie wahre Wunder erhoffen lässt, stößt im Unternehmensalltag oft auf ungeahnte Widerstände seitens der Mitarbeiter. Sie verbinden mit Geschäftsprozess-Management häufig Personalabbau, Automatisierung, Outsourcing oder einen erhöhten Veränderungsdruck. Entsprechend reserviert reagieren Betriebsrat und Belegschaft auf die Projekte der Unternehmensleitung. Auch Führungskräfte fürchten um den eigenen Posten, wenn bereichs- und funktionsübergreifende Prozesse optimiert werden sollen. Zwar sehen sie den Nutzen, den diese Maßnahmen für die Organisation bringen, doch aus persönlichen Gründen sperren sie sich häufig gegen ein Geschäftsprozess-Management.

Die Vorteile eines professionellen Geschäftsprozess-Managements liegen auf der Hand: Wenn in der Vergangenheit nur einzelne Unternehmensbereiche wie unabhängige Einheiten neu organisiert wurden, führte dies oft dazu, dass die Zahl der Schnittstellen kontinuierlich stieg und die funktions- und bereichsübergreifende Zusammenarbeit immer komplizierter wurde. Die Folge sind umfangreiche Abstimmungsprozesse. Viele Fach- und Führungskräfte verbringen dann einen großen Teil ihrer Arbeitszeit in Meetings.

Diese Entwicklung möchte das Geschäftsprozess-Management stoppen, indem die aus Kundensicht wertschöpfenden Prozesse identifiziert und mit der Strategie des Unternehmens verknüpft werden. Aus dieser Zielvorgabe werden Optimierungsvorschläge entwickelt und anschließend umgesetzt. Prozesskennzahlen sollen Qualität und Kosten transparent gestalten und die Umsetzung flankieren.

Eine zentrale Rolle spielt der Prozess-Manager oder -berater. Seine Aufgaben umfassen meistens das Aufsetzen neuer Projekte, das Re-Design der Geschäftsprozesse und deren Einführung in der Organisation sowie zusammen mit den Führungskräften das kontinuierliche Führen, Planen, Überwachen, Steuern und Verbessern der Prozessumsetzung.

Doch entscheidend für Erfolg oder Scheitern des Prozesses sind die Mitarbeiter. Sie müssen ein hohes Maß an Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft zeigen. Hier hapert es oft. Dann werden neue Prozesse und der Projektverlauf am grünen Tisch geplant, die Mitarbeiter und deren Wünsche und Ängste bleiben außen vor, Grundsätze für das Gestalten eines Change-Prozesses werden nicht ausreichend berücksichtigt und fließen nicht in das Design des Gesamtprojekts ein.

Wer sein Geschäftsprozess-Management umkrempeln möchte, sollte die wichtigsten Prinzipien des Change-Managements beachten.

Alle betroffenen Mitarbeiter beteiligen:

Abläufe in Unternehmen funktionieren dann, wenn die Beteiligten Routine entwickelt haben. Kleinere Störungen mindern dann auch nicht die Qualität. Sollen dagegen Prozesse neu gestaltet werden, ist dieses Beharrungsvermögen hinderlich. Verantwortliche Führungskräfte und wichtige Schlüsselpersonen sollten in die Analyse der aktuellen Situation und die Neugestaltung einbezogen werden, denn ihr Erfahrungs- und Expertenwissen hilft weiter. Außerdem identifizieren sie sich anschließend stärker mit den Neuerungen.

Feedback-Schleifen einbauen:

Jedes Geschäftsprozess-Management-Projekt steht unter einem Zeit- und Arbeitsdruck. Umso wichtiger sind gemeinsame Reflexionsrunden zum bereits Erreichten, den noch offenen Aufgaben und den bestehenden Blockaden oder Schwierigkeiten. Feedback-Runden sollten ein fester Bestandteil des Projekts sein, denn sie stärken den Zusammenhalt des Kernteams und sorgen dafür, dass seine Mitglieder dieselbe Sprache sprechen und am selben Ziel arbeiten.

Eine Kommunikationsstrategie entwerfen:

Veränderungen verunsichern oft die Mitarbeiter. Gerüchte beschäftigten die Betroffenen dann besonders, wenn ein Informationsvakuum vorherrscht. Deshalb gehört ein Kommunikationskonzept zum Projekt, in dem genau geplant wird, wer was wann und auf welche Weise wem mitteilt. Will das Projektteam bewusst Informationen zurückhalten, sollte für diese Entscheidung vorab auch an mögliche Folgen gedacht werden.

Widerstände konstruktiv nutzen:

Widerstände sind immer emotional bedingt und werden meist verschlüsselt artikuliert. Deshalb sollten die Verantwortlichen mit den Opponenten den persönlichen Dialog suchen, um herauszufinden, was die realen Ursachen sind. Diese sollten dann in einer sachlichen Atmosphäre bearbeitet werden, so dass Vereinbarungen über das weitere Vorgehen möglich sind. Das entschärft die Situation.

In Systemen denken lernen:

Lineare Denkansätze vereinfachen in Veränderungsprozessen zu sehr. Ein Denken in vernetzten Strukturen ist nötig. Dieser Ansatz geht davon aus, dass das Verhalten des Einzelnen von seinem sozialen System beeinflusst wird, dessen Entwicklung er seinerseits beeinflussen kann. Der systemische Beratungsansatz entwirft keine isolierten Problemlösungen.

Manager und wichtige Mitarbeiter schulen:

In jedem Veränderungsprozess gibt es Phasen der Unsicherheit. Führungskräfte und Prozess-Manager müssen den Mitarbeitern Orientierung und Halt bieten, auch wenn sie selbst unsicher sind. Sie sollten die Besonderheiten von Veränderungsprozessen kennen und die Methoden und Instrumente des Change-Managements beherrschen. Change-Management hat sich zu einer Kernkompetenz von Führungskräften entwickelt.

Prozessdenken in der Firmenkultur verankern:

Der Einstieg in ein prozessorientiertes Denken und Handeln erfordert in vielen Unternehmen einen Wandel der Unternehmenskultur. Diese definiert sich aus bewussten und unbewussten Haltungen und Werten, die für die Mitarbeiter wichtig sind und deren Missachtung für sie oft ein Tabubruch ist. In Verän-derungsprozessen übernehmen Führungskräfte die Rolle eines Vorbilds.

Multiplikatoren einsetzen:

In einer Organisation sollte es eine Person und/oder Institution geben, die für das Geschäftsprozess-Management verantwortlich ist. Zu den Aufgaben gehören Coachings für die Verantwortlichen, Organisieren der Weiterbildung und Etablieren eines Wissens-Managements, um aus Erfahrungen zu lernen. (iw)