Offshore- und Nearshore-Outsourcing im Trend

Niedriglohnländer sind gefragter denn je

04.04.2003
MÜNCHEN (CW) - Um die Kosten zu senken und wettbewerbsfähig zu bleiben, verlagern immer mehr Unternehmen einfache IT-Tätigkeiten ins Ausland. Offshore-Destination Nummer eins ist nach wie vor Indien. Aber auch näher gelegene Regionen bieten handfeste Vorteile.

Das Outsourcing von IT-Leistungen in Niedriglohnländer boomt. Den Marktforschern der Giga Information Group zufolge werden in diesem Jahr so viele Firmen wie nie zuvor Teile ihrer Softwareentwicklung oder ganze Geschäftsprozesse in Regionen auslagern, in denen die Personalkosten nur einen Bruchteil von denen im Heimatland betragen.

Auch Serviceriesen wie HP, IBM und Electronic Data Systems (EDS) haben den Trend erkannt und bauen ihre Offshore-Partnerschaften aus oder eröffnen beziehungsweise erweitern ihre Niederlassungen in Übersee. So beinhaltet die Ende vergangenen Jahres von EDS angekündigte "Best-Shore"-Strategie ein globales Liefersystem, mit dem die Company vor allem ihrem Erzrivalen IBM Global Services Paroli bieten will. Die Beratungsfirma Accenture wird ihre Offshore-Belegschaft eigenen Angaben zufolge bis Ende 2003 von derzeit rund 4000 auf 12000 Mitarbeiter erhöhen.

Bevorzugte Region ist nach wie vor Indien. Nach Einschätzung von Giga-Analystin Stephanie Moore wird der dortige Outsourcing-Markt in diesem Jahr um 25 Prozent wachsen. Vor allem in dem noch relativ kleinen Marktsegment Business Process Outsourcing (BPO) und IT-Enabled Services (Ites) steckt ihrer Einschätzung nach Potenzial. Auf diesen Bereich entfielen im Jahr 2001 zwar nur 1,5 Milliarden Dollar, während das gesamte Volumen der aus Indien exportierten Produkte und Dienstleistungen einen Wert von 7,68 Milliarden hatte. Die Analystin geht aber davon aus, dass das Geschäft mit BPO-Services bereits in diesem Jahr um "mindestens 65 Prozent" zulegen wird.

Nicht mehr nur Commodities

Dabei hat der Subkontinent den Status eines Niedriglohnlands längst hinter sich gelassen. Während die US-Dienstleister ihren indischen Konkurrenten das Geschäft mit billigen Commodity-Dienstleistungen streitig zu machen versuchen und sie dabei teilweise sogar im Preis unterbieten, verlegen sich die indischen Unternehmen auf zunehmend höher in der Wertschöpfungskette angesiedelte Services aus Softwarearchitektur, Design, Entwicklung und Technologiestrategie.

Als Beispiel nennt Giga die Firma Cognizant, die für General Motors (GM) eine komplexe Website entwickelt hat. GM bezeichnete die in das Projekt involvierten Mitarbeiter als "unschlagbar" - sowohl im Preis als auch in der Qualifikation. Mittlerweile gilt Offshore-Outsourcing in Indien angesichts der eklatanten Produktivitäts- und Qualitätsvorteile nicht mehr nur als reine Maßnahme zur Kostensenkung, sondern als effektive Optimierungsstrategie. Viele heimische Software- und Services-Anbieter sind wirtschaftlich so stark, dass sie bereits selber Labors und Fertigungsstätten in China oder Osteuropa aufbauen können. Nach Einschätzung von Giga zeichnet sich zudem eine Konsolidierung ab, die sogar vor der Übernahme von US-amerikanischen Konkurrenten durch indische Firmen nicht halt machen werde.

China gilt inzwischen ebenfalls als wichtige Offshore-Region - vor allem für japanische und koreanische Anbieter. Auch das Beratungshaus Bearing Point (ehemals KPMG Consulting) will in Kürze ein chinesisches Entwicklungszentrum eröffnen, um seine US-Kunden kostengünstiger betreuen zu können. Die Giga-Analysten halten diese Strategie allerdings für riskant. Angesichts der fehlenden Sprachkenntnisse und Urheberrechtsrichtlinien sowie der grundsätzlich völlig anderen Gesetzeslandschaft sei der chinesische Markt für nordamerikanische und europäische Unternehmen noch nicht reif. Ihnen raten die Experten, sich ihre Outsourcing-Partner in Tschechien, Ungarn oder auf den Philippinen zu suchen.

Mexiko im Visier von US-Firmen

Auch die Bedienung der Kunden aus näher gelegenen Regionen, das so genannte Nearshore-Outsourcing, verspricht eine Reihe von Vorteilen. Für US-Firmen entwickelt sich laut Giga Mexiko zunehmend zur Outsourcing-Alternative - entweder in Gestalt von regionalen Ablegern großer IT-Dienstleister wie IBM Global Services oder von mexikanischen Anbietern wie zum Beispiel Softtek. Abgesehen davon, dass die Personalkosten kaum höher sind als in Indien, profitieren US-Unternehmen von den kurzen Wegen und den Handelserleichterungen zwischen den USA und Mexiko, vor allem aber von der gleichen Zeitzone - ein Aspekt, der die Region besonders gegenüber Indien überlegen macht. (sp)