"Nie wieder Booten, das waere toll"

02.12.1994

Der IBM-Schreck Microsoft und sein Chef entwickeln sich zunehmend zu Allroundern. Nicht nur, dass das Unternehmen kuenftig auch in das Online-, Banken- und Spiele-Business einsteigen will, dem Gruender haben es offensichtlich auch originale Renaissanceschriften angetan. Bill Gates aeusserte sich zur kuenftigen Firmenpolitik - und zu Michelangelo.

CW: Mit welchen DV-Leitern treffen Sie sich, um ueber Ihre Strategie in Sachen Windows NT, Windows 95 oder Back-Office-Suite zu diskutieren?

Gates: Zu diesem Zweck veranstalten wir in groesseren Staedten sogenannte Road-Shows. Dort erhalten wir das Gros an Feedback von den IS-Verantwortlichen. Das klappt prima. Dabei fragen wir beispielsweise unsere Kunden, ob sie ein Upgrade auf Windows 95 auf ihren existierenden Unternehmensrechnern planen.

CW: Pflegen Sie persoenliche Kontakte zu DV-Leitern und Gruppen von IS-Verantwortlichen?

Gates: Ja, sicher. Ich spreche auf Veranstaltungen des Research Board, an dem fuehrende DV-Leiter teilnehmen. Ausserdem treffe ich mich rund drei- bis viermal pro Woche mit einem DV-Leiter im Briefing-Center von Microsoft. Des weiteren bin ich etwa 14 Wochen im Jahr unterwegs, um mich mit Verantwortlichen zu unterhalten. Erst kuerzlich war ich in Europa. Dort habe ich mit einem DV-Leiter der Deutschen Bank diskutiert. Anschliessend sprach ich beim Mittagessen vor 500 Menschen. Natuerlich nehmen auch Steve Ballmer (Executive Vice-President of Sales and Support) und Mike Maples (Executive Vice-President of Products) derartige Aufgaben wahr.

CW: Wie wichtig ist es fuer Sie, dass Motorola seine Power-PCs kuenftig inklusive Windows NT ausliefern wird?

Gates: Unsere Devise mit Windows NT lautet: Egal, was mit den Chips passiert, wir bleiben neutral. Wenn Kunden auf den Pentium setzen - wir sind zur Stelle. Bauen sie auf Mips- oder Alpha-Chips oder gar den Power-PC - was da auch kommt und dem Kunden gefaellt, wir werden mit NT parat sein. Die Zusammenarbeit mit Motorola funktioniert recht gut. Auch der 604-Chip des Power-PCs gefaellt mir. Intel und AMD entwickeln andererseits ebenso leistungsfaehige Produkte.

CW: Demnach bleibt die x86-Rechnerlinie mit dem Pentium nach wie vor dominant?

Gates: Dominant und zukunftstraechtig - das Ende des Performance- Wachstums dieser Architekturen ist noch lange nicht abzusehen.

CW: Erscheint Windows 95 noch bis zum April 1995?

Gates: Wir denken, das Produkt noch in der ersten Haelfte des kommenden Jahres auszuliefern. Das haengt natuerlich auch vom Feedback ab. Die Betaversion "M7" wurde mittlerweile rund 35 000 Testern zur Verfuegung gestellt.

CW: Gibt es eine Funktion, die Sie nicht mit Windows 95 ausliefern, aber trotzdem gerne haetten?

Gates: Natuerlich gibt es Dinge. Nie wieder Booten, das waere toll. Einfach den Rechner einschalten und dort weitermachen, wo man aufgehoert hat. Das muessen wir noch realisieren.

CW: Welchen Vorteil werden Anwender von Microsoft Network (Marvel) haben?

Gates: Wir werden damit eine Menge Informationen ueber Windows und unsere Applikationen bereitstellen koennen. Zudem ermoeglichen wir eine bessere Kommunikation mit unseren Solutions-Providern.

CW: Sie haben erst kuerzlich fuer 30,8 Millionen Dollar den "Codex Hammer" erworben, eine handgeschriebene, illustrierte Abhandlung in Spiegelschrift von Leonardo da Vinci. Gibt es Aehnlichkeiten zwischen da Vinci und Ihnen?

Gates: Nein. Da Vinci war einfach genial. Jeder Vergleich zwischen ihm und mir ist unangebracht. Je mehr man sich mit da Vinci befasst, desto mehr erkennt man, wie erstaunlich er war. In dem Buch, das ich erstanden habe, erlaeutert er seine Ansichten ueber U- Boote, Wasser, Sauerstoff und Optik. Er hatte bereits vor Jahrhunderten erkannt, dass sich Segmente der Erdoberflaeche verschieben. Erst um 1800 debattierten Wissenschaftler erneut ueber derartige Naturereignisse. Und das sind nur einige Dinge, in denen da Vinci seiner Zeit sehr weit voraus war.

Das Interview fuehrten die Redakteure der CW-Schwesterpublikation "Computerworld" Stuart Johnston und William Brandel.