Nicht zu groß und nicht zu klein

Nicht zu groß und nicht zu klein

11.12.2007
Dr. Torsten Eistert, Head of International Business Consulting bei GFT Technologies AG, spricht im COMPUTERWOCHE-Interview darüber, wie der IT-Dienstleister mit Hauptsitz in St. Georgen im Schwarzwald international Banken unter die Arme greift, um ihnen zu helfen, noch effizienter zu werden.

COMPUTERWOCHE: Was bieten Sie den Banken an?

Torsten Eistert: Wir sind zum einen Consulting-Dienstleister und helfen dabei, Themen zu strukturieren und sich auf die Herausforderungen der Zukunft einzustellen, etwa bei der Gestaltung flexibler IT-Architekturen. Noch zur Vorbereitung gehört die Systemselektion bei der Auswahl von Paketen am Markt. Wir können aber auch die Implementierung von Lösungen selbst übernehmen; wir warten, entwickeln und passen an. Das sind die Bereiche IT-Development und IT-Application-Management. Unsere Kompetenz geht aber über technisches Software-Produkt-Knowhow hinaus und berücksichtigt die Anforderungen der Branche und der jeweiligen Teilbranche.

Sie sprechen mit vielen Kunden. Was sind derzeit die Hauptproblemschwerpunkte?

Die Themen der letzten zwölf Monate wurden zum einen aus dem regulatorischen Umfeld heraus gesteuert. Die Stichworte sind: MiFID (Markets in Financial Instruments Directive) für das Geschäft mit Anlagen, die Transparenz zwischen den Märkten und einen besseren Anlegerschutz. Der zweite große Aspekt war der einheitliche Zahlungsverkehrsraum, SEPA (Single Euro Payments Area). Das bedeutet: Auslandsüberweisungen und Auslandslastschrift werden Inlandsüberweisungen und Inlandlastschrift gleich gestellt. Jetzt bereiten wir uns auf das Thema Kapitalabschlagssteuer vor. Das sind alles Anforderungen, die per Gesetz beschlossen wurden und die sich auf die Prozesse und die IT der Banken auswirken. Im Strategischen geht es um internationale Konsolidierungen. Es ist natürlich ein Unterschied, ob die HypoVereinsbank alleine arbeitet oder ob sie ein Teil der UniCredit-Gruppe ist.

Wenn es weniger Banken gibt, dann braucht man auch weniger IT-Dienstleister?

Das Thema Konsolidierung der Bankenbranche bedeutet mittelfristig einen schrumpfenden Markt für uns. Kurzfristig besteht jedoch unglaublich viel Bedarf: In der Konzeption, bei der Auswahl der besseren Lösungen, der Überführung der bestehenden Architektur in die Zielarchitektur, der Migration auf ein Zielsystem und der Schaffung von neuen Systemen.

Für Sie ist Bewegung im Markt also nicht schlecht?

Generell ist es für uns als international agierenden Dienstleister wichtig, dass es Bewegung gibt. Und je internationaler es wird, desto mehr können wir diese Prozesse begleiten, weil wir schon sehr viele länderübergreifende Ausroll- und Integrationsaktivitäten hinter uns haben. Deshalb finden wir den jetzigen Konsolidierungstrend nicht negativ. Der Weg zu intelligenterem IT-Management ist noch lang, und der Markt, um die Banken dahin zu begleiten, riesengroß.

Wie profitieren die Banken von intelligenter IT?

Die aus den Bankstrategien getriebenen Projekte gehen in Richtung Kundenwachstum oder Volumen- und Ertragswachstum pro Kunde. Hier geht es um eine stärkere Vertriebsintegration, die von der IT unterstützt werden muss. Es gibt immer noch zu wenig Initiativen aufbauend auf zentralisierten Datenbanken, wo etwa ein Callcenter-Anruf für eine Überweisung zu einem Direktbroker zu Aktivitäten des Kundenbetreuers führt. Die Banken haben aber erkannt, dass sie verkaufen müssen und nicht warten können, bis ein Kunde ein Produkt oder eine Dienstleistung bei ihnen abfragt. Die Vertriebsintensivierung über alle Vertriebskanäle hinweg führt zwar zu komplexen Anforderungen, aber auch dazu, den Kunden mehr verkaufen zu können.

Wieso dauert das so lange?

Damit verbunden ist auch ein Kulturwandel, der gerade in Deutschland lange braucht. Auf der technischen Seite haben es Banken leichter, die frisch dazu gekommen sind. Ausländische Banken wie Fortis oder die Citigroup mit ihrem verkäuferisch orientierten Kreditgeschäft können bei Null und mit neuer Infrastruktur anfangen. Deutsche Großbanken besitzen über Jahrzehnte gewachsene IT-Strukturen, die mit einer völlig anderen Philosophie aufgebaut worden sind. Selbst wenn sie eine andere Produkt- und Vertriebsdenke haben, braucht es einige Jahre und einige Millionen, bis sie wirklich überführt sind. Im spanischen Markt sind die Retailbanken deutlich erfolgreicher, weil die IT-Strukturen aus den 90er und nicht mehr aus den 70er Jahren stammen.

Welche Länder sind denn noch weiter hinterher als Deutschland?

Eine gute Frage, da gibt es wahrscheinlich wenige.

Behindern die starren drei Säulen den Wettbewerb in Deutschland?

Das ist natürlich ein Wettbewerbsverhinderungsinstrument. So schafft es die deutsche Bankenlandschaft nicht, sich auf große Player, die auch international aktiv sein können, zu konzentrieren. Die GFT selbst ist ja vor allem im Privatbankensegment unterwegs und nicht in der zersplitterten Struktur der Sparkassen auf der einen und der Volks- und Raiffeisenbanken auf der anderen Seite.

Die Banken lagern immer mehr Sachen aus, die früher zum Kerngeschäft gehörten. Wie sehen Sie den Trend zu Outsourcing, Offshoring?

Wir haben uns als Nearshore-Service-Provider aufgestellt. Immer wenn eine Bank ihre IT-Dienstleistungen nicht selbst erbringen, sondern sie von externen Kompetenzzentren beziehen will, sind wir Profiteure. Weil wir das gut können und die Vorteile Flexibilisierung und niedrigere Kosten bieten. In Deutschland ist es wiederum eine Kulturfrage, das Risiko so zu managen, dass man nicht vor lauter Risikovermeidungsstrategie Outsourcing zwar durchsetzt, aber dann so viele Kontrollsysteme drum herum aufbaut, dass die eigentlichen Vorteile nicht mehr durchschlagen. Deswegen dauert das bei uns etwas länger als in England und Amerika und wird nicht so erfolgreich sein. Outsourcing hat auch den Aspekt, interne Abteilungen auszulagern und damit Mitarbeiter in eine Dienstleistungsgesellschaft zu überführen. Wenn diese in der eigenen Struktur nicht gebraucht werden, sollen sie für andere Kunden arbeiten. Das kann aber nur funktionieren, wenn der Markt insgesamt wächst, sonst bekommen Sie ein Problem.

Sie machen solche Übernahmen von Mitarbeitern nicht?

Wir sind auf der Anwendungsebene unterwegs, haben keine Rechenzentren und beschäftigen keine Menschen, die reine Infrastruktur- oder Netzwerkleistungen machen. Von der Größe her haben wir nicht die Möglichkeit, Mitarbeiter umzuqualifizieren oder für andere Dienstleistungen umzuwidmen. Deshalb halten wir uns bei den ganz großen Deals raus.

Sie sind aber trotzdem auf Wachstum eingestellt?

Wir wachsen in unseren Produktionsstätten in Frankfurt, in Barcelona und Sao Paulo. Unsere Strategie ist, mit den kundenrelevanten Schnittstellen nah am Kunden zu sein. Die Leistungserbringung erfolgt aber dort, wo sie bestmöglich, höchsteffizient und zu den geringsten Kosten erbracht werden kann. Das ist also nicht beim Kunden in Frankfurt oder London, sondern in Europa in Spanien und verstärkt in unseren Offshore-Dienstleistungszentren außerhalb Europas. Wir haben das Motto: Nicht zu groß, aber auch nicht zu klein zu sein. Das bedeutet, einerseits noch unsere Kunden zu kennen, aber groß genug zu sein, um auch alle Effizienzvorteile der Fabriken ausnutzen zu können.

Was wünschen Sie sich von den Kunden?

Ein bisschen mehr Veränderungsbereitschaft. Das würde sicherlich zu Fehlschlägen, aber auch zu größeren Erfolgen und insgesamt zu einer größeren Wettbewerbsfähigkeit der Banken führen.

Sind die Banken jetzt aufgewacht? Wohin geht es?

Wer zu spät aufwacht, ist schneller tot, als man glaubt. Bei der flexiblen Kreditfinanzierung haben die Auslandsbanken den deutschen Platzhirschen das Geschäft weggenommen. Und Direktbanken haben nur einen Fixkostenblock: Die IT-Infrastruktur. Sie können flexibel agieren. Bei den Banken führt der Trend zu Standardsoftware – weg von den bisherigen Datenmolochen. Man sagt sich, dass man das, was man sowieso nicht anders machen kann, so macht wie alle anderen - statt es noch einmal neu zu entwickeln. Und in den Bereichen, in denen man glaubt, sich differenzieren zu können, investiert man. Der Technologietrend geht hin zu relativ offenen Schnittstellen und bankübergreifenden Funktionalitätsmodulen, die sich unter dem Stichwort SOA miteinander austauschen können.

Foto: Dr.Eistert

Dr. Torsten Eistert, Head of International Business Consulting bei GFT Technologies AG