Interimsmanager

Nicht so schlecht wie ihr Ruf

05.10.2013
Von 
Bettina Dobe war bis Dezember 2014 Autorin für cio.de.
Die Chefs auf Zeit werden beliebter. Immer mehr Firmen überbrücken mit ihnen Vakanzen oder retten Projekte. Trotzdem haben Interimsmanager einen schlechten Ruf.

Die Chefs für Zwischendurch werden immer beliebter und immer häufiger in Unternehmen eingesetzt. Bis zum Endes des Jahres, so rechnet die Dachgesellschaft Deutsche-Interim-Management (DDIM), werde das Volumen der Honorare 1,2 Milliarden Euro betragen. Vergangenes Jahr waren es "nur" 925 Millionen Euro. Wie in der Umfrage herauskam, hat sich seit 2010 das Umsatzvolumen der Branche fast verdoppelt. "Die Nachfrage nach Interimsmanagern wächst stetig an", bestätigt Antje Lenk, Geschäftsführerin der Interimsmanager-Vermittlung bridge imp.

Überbrückung und Re-Implementierung: Deshalb holen Firmen Interims-Manager.
Überbrückung und Re-Implementierung: Deshalb holen Firmen Interims-Manager.
Foto: Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e.V.

Die gestiegene Nachfrage hat einen einfachen Grund: Auch in Führungspositionen macht sich ein Mangel an Experten bemerkbar. Wird eine Stelle frei, können viele Unternehmen oft nicht so schnell nachbesetzen - der Laden muss trotzdem weiterlaufen. Und das, obwohl eigentlich so viel Wert auf die Nachfolgeregelung und das Heranziehen von Führungskräften gelegt wird. Das scheint nur in Teilen zu funktionieren: In der Umfrage des DDIM gaben 21 Prozent der Befragten an, dass sie als Überbrückung die Leitungsposition innehatten. Zur Restrukturierung und Sanierung von maroden Unternehmen wurden 24 Prozent, also knapp jeder vierte Interimsmanager eingesetzt.

IT tanzt aus der Reihe

In der IT ist die Entwicklung hin zu Interimsmanagern nicht ganz so ausgeprägt. "Die IT ist nicht so stark vertreten wie andere Bereiche", räumt Lenk ein. Das liegt vermutlich auch daran, dass es nicht so viele IT-Führungspositionen gibt wie etwa im kaufmännischen Bereich. Grundsätzlich würden Interimsmanager in der IT zu einem ganz bestimmten Zweck eingesetzt: "Im IT-Bereich haben drei Viertel aller Besetzungen außergewöhnlichen Charakter: Die Manager werden für Re-Implementierungen eingesetzt oder für den begrenzten Zeitraum eines Projekts", erklärt Lenk. Damit unterscheiden sie sich von kaufmännischen Managern, die eher Vakanzen besetzen.

Retter in der Not

Foto: alphaspirit - Fotolia.com

Die IT-Interimsmanager müssen oft mit dem Feuerlöscher in der Hand anrücken. So werden sie vor allem in der IT gerufen, wenn etwas ziemlich schief läuft. Oft haben Unternehmen schon jede Menge Zeit und Geld in ein wichtiges Projekt investiert - aber die Umsetzung hakt. "Die Firma will das Projekt nicht scheitern lassen - dann suchen sie sich einen Interimsmanager", sagt Lenk. Die Chefs auf Zeit müssen richten, was andere in den Sand gesetzt haben.

Insgesamt aber macht das die Position ziemlich prekär: Als Ausputzer sind sie nicht gern gesehen. "Oft werden sie kurzfristig eingestellt, wenn beispielsweise ein ERP-Rollout nicht richtig funktioniert hat. Der Interimsmanager muss das System re-implementieren", erklärt Lenk. "Das ist in der IT ein häufiger Ansatz: Der erste Versuch ist gescheitert, daher holt man einen Externen, der das System neu aufsetzt", sagt die Personalvermittlerin.

Leicht ist das nicht, muss der "Neue" doch nicht nur Ressentiments gegen das neue System bewältigen. Er zeigt den anderen, dass er es besser kann. Wen wundert es da, dass schlechte Stimmung aufkommt. Will ein Unternehmen in solchen Projekten auf den Interimsmanager zurückgreifen, sollte es darauf achten, dass alle Kollegen ihn als Helfer akzeptieren und nicht als Störenfried sehen.

Externes Wissen anzapfen

Die mobile Management-Reserve hat noch andere Vorteile: Sie kennt sich mit Themen aus, die für ein Unternehmen unter Umständen neu sind. "Wenn eine Firma zum ersten Mal einer Internationalisierung gegenüber steht und feststellt, dass sie keinen Manager mit dem entsprechenden Wissen hat, holen sie sich das Wissen von außerhalb", sagt Lenk. In solchen Themen kann der Interimsmanager natürlich punkten: Er bringt einen Erfahrungsvorsprung mit. Gleichzeitig muss er aber aufpassen, seine temporären Kollegen nicht vor den Kopf zu stoßen.

Ein Externer bringt nicht nur neues Wissen und andere Fähigkeiten ins Unternehmen mit, sondern auch einen anderen Blickwinkel. "Er ist frei von den Verquickungen in der Firma, handelt ohne einen politischen Hintergrund", erklärt Lenk. Der Manager sei neutral und auf die Sache konzentriert - hat das Projekt Erfolg, ist dies seine Referenz. Das kann natürlich auch unangenehm werden. Nicht alle sind mit den Veränderungen einverstanden, und erst Recht nicht, wenn sie von außen kommen.

Kein Wunder, dass Interimsmanager in einigen Firmen nicht gern gesehen werden. Oft legen die Firmen bei der Auswahl das Hauptaugenmerk aufs Budget, schließlich sind die Chefs auf Zeit teuer. "Aber der billigste Kandidat generiert nicht unbedingt den maximalen Projekterfolg", erklärt Lenk.

Sich für Manger auf hohen Positionen auf Plattformen wie Gulp umzusehen, davon rät die Personalvermittlerin naturgemäß ab. Schließlich handele es sich bei Interimsmanager-Stellen eben um Managerposten, die nicht mit IT-Börsen zu besetzen seien. Ein "richtiger" Interimsmanager ist zwar teuer - bringt aber mehr Fähigkeiten mit als ein "durchschnittlicher" IT-Experte. Das muss er auch: "Mir fällt auf, dass sich die IT stark an den operativen Bereich annähert", sagt Lenk. Die IT-Chefs auf Zeit müssen schnittstellenaffin denken und mehr Soft Skills mitbringen.