Nicht nur die Erstellung, auch der Nachweis bringt Probleme:"SW-Ergonomie" - oft nur ein Werbespruch

11.02.1983

FRANKFURT (hh) - Obwohl es den Begriff der "Software-Ergonomie" bereits seit Mitte der siebziger Jahre gibt, herrscht immer noch keine begriffliche Klarheit über seinen Inhalt. Auf einer Veranstaltung der Wordplex Europe Limited in Frankfurt versuchten Experten, Licht in dieses Dunkel zu bringen und Lösungsansätze aufzuzeigen.

Nur etwas mehr als ein Drittel von 100 befragten Unternehmen mit Textbildschirmen konnten sich im Januar dieses Jahres unter dem Stichwort "Software-Ergonomie" konkret etwas vorstellen. Dies geht aus einer Untersuchung hervor, die der Unternehmensberater Arno Reis durchführte. Dennoch wird die ergonomische Software von den meisten Befragten sehr hoch in ihrer Bedeutung eingeschätzt. Die Anwender erwarten mehr Akzeptanz bei den Installation von Datenverarbeitungs- und Textgeräten, eine Senkung der Kosten für die Erstellung und Pflege der Standard- und Individualsoftware und eine Steigerung der Effizienz beim Einsatz ergonomischer Software. Nicht nur bei der Erstellung sondern auch beim Nachweis der ergonomischen Gestaltung sieht Reis Probleme. Sie zeigt in der Regel erst langfristig Wirkung und ist auch beim Kauf nicht eindeutig nachweisbar.

Grundsatzforderungen

Einen Leitsatz zur Realisierung der Anforderungen an die Programme stellte Frank P. Sempert auf. Nach Meinung des ehemaligen Geschäftsführers der Gesma GmbH kann eine Software dann als ergonomisch betrachtet werden, wenn sie in ihrer Gesamtheit sowohl den Anforderungen nach Handhabung und fachlicher Gültigkeit genügt und in der Anwendung an dem sich ihrer nutzbar machenden Menschen ausgerichtet ist. Sempert leitet daraus weitergehende Forderungen ab, die sich in grundsätzliche Anforderungen Bedienungstechnik und Umfeld unterteilen lassen.

Robuste Programme

So muß seiner Meinung nach ergonomische Software "robust" sein. Der Bediener sollte von dem Programm im Fall von Ausnahmesituationen unterstützt werden. Auch Fehlertoleranz der Softwareprogramme zählt zu den grundsätzlichen Forderungen.

Die angenommenen oder erkannten Arbeitsabläufe des bedienenden Menschen müssen in die Programmgestaltung einfließen. Schließlich noch sollte die ergonomische Software kompatibel oder übertragbar sein, so daß ein Wechsel der Hardware zumindest beim gleichen Hersteller ohne gravierende Änderungen der Software- Benutzeroberfläche verläuft.

Aber auch die Bedienungstechnik spielt eine Rolle in der Gestaltung der Programme unter egonomischen Gesichtspunkten. Hierunter fällt auch die Frage der Belegung und Ansprechhäufigkeit von Tastenfunktionen.

Der sinnvolle Einsatz des Bildschirmes zur Bedinerführung mit eindeutiger Darstellung von Eingabeforderungen, Hinweisen und Aus gaben trägt mit zur menschenfreundlichen Gestaltung von Programmen bei. Die deutsche Sprache sollte in der Regel verwendet werden.

Auch Dokumentationseinrichtungen wie Drucker gehören zu diesem Sektor. Sie müssen ebenfalls in anwendungstechnischer Bedienung und in der Form ihrer Ausgabe ergonomisch angepaßt sein.

Zum Umfeld schließlich zählt Sempert die Dokumentation oder Beschreibung der Programme. Sie müssen dem Anspruch nach Verständlichkeit angepaßt sein.

Der Vortragende ging davon aus, das die Realisierung der Software-Ergonomie eine grundsätzliche Einstellung des Erzeugers verlange.

Hierzu gehört eine Substitution des technokratischen Denkens. Der Software-Entwickler ist aufgerufen, sich bereits in der Designphase in die Denkschemata des zukünftigen Programm- Anwenders hineinzuversetzen. Fachspezifische Besonderheiten sind gemeinsam mit Fachleuten zu analysieren. Die danach erstellten Prototypen müssen nicht nur unter dem Aspekt der sachlichen Richtigkeit geprüft werden auf arbeitsablaufspezifische Gegebenheiten abgecheckt werden, bevor sie das begehrte Prädikat erhalten dürfen.