ITSM-Reorganisation bei Apollo Optik

Nicht mehr ohne Service-Manager

02.10.2014
Von 
Wilfried Heinrich ist Fachautor und Geschäftsführer der Agentur denkfabrik groupcom GmbH in Köln.
Apollo-Optik hat sein IT-Service-Management (ITSM) neu gestaltet. Zu den zentralen Erkenntnissen des Projekts gehört dabei, dass zum Service-Management heutzutage unbedingt auch die Position eines Service-Managers gehört.

Projekte definieren sich über Ziele und Anforderungen. Aber allein in der Ergebnisqualität erschöpft sich der Nutzen von Projekten sicher nicht. Vielmehr bieten insbesondere komplexe und innovative Maßnahmen auch ein breites Lernfeld. Die systematische Auswertung der Erfahrungen lässt sich für künftige Maßnahmen zur Erfolgssteigerung nutzen.

Das gilt auch für die international agierenden Apollo-Optik, mit mehr als 800 Filialen die größte Optikerkette in Deutschland. Aus ihrem Projekt zur Neugestaltung des IT-Service-Managements zog sie einige nützliche Erkenntnisse.

Prozessverantwortung klar regeln

"Das IT-Service-Modell von früher ist nicht mehr zukunftsgerecht", betont Erich Ehbauer, IT-Leiter bei Apollo-Optik. Damals bildeten allein technisch fokussierte Mitarbeiter das Thema ab - in der Administration, im Helpdesk etc. "Es wird immer wichtiger, dass auch jemand die Prozesse verantwortet und als Motor für das IT Service Management fungiert", fordert Ehbauer. "Auch die Infrastrukturen und Anwenderlandschaften verändern sich permanent, wodurch sich das IT-Service-Management ebenfalls ständig neuen Herausforderungen gegenüber gestellt sieht", ergänzt Ehbauer.

Die Protagonisten des Projekts (von link): IT-Chef Erich Ehbauer, Robert Zellner als Vorstand der COC AG und der frischgebackene Service-Manager Gerad Ringel
Die Protagonisten des Projekts (von link): IT-Chef Erich Ehbauer, Robert Zellner als Vorstand der COC AG und der frischgebackene Service-Manager Gerad Ringel
Foto: Apollo Optik

Aus dieser Einschätzung zog Apollo-Optik Konsequenzen: Im Verlauf des Projekts wurde die Position des Service-Managers neu geschaffen. Gerald Ringel sieht sich nun vor eine Vielfalt interessanter Aufgaben gestellt. "Die Bedeutung der IT-Services für die Verfügbarkeit und Performance der marktnahen Geschäftsprozesse steigt kontinuierlich", sagt er, "dementsprechend anspruchsvoll ist auch der weitere Entwicklungsbedarf." Themen wie Effizienz, Qualität oder Kundenorientierung der IT-Services blieben dauerhaft aktuell, weil sie noch erhebliche Potenziale zur Optimierung böten.

Zu den Zielen gehört, dass künftig jeder Prozess in seinen Ergebnissen messbar sein soll. Nur so lassen sich nach Einschätzung von Apollo Optik der jeweilige Reifegrad und seine Performance belastbar darstellen, also der Optimierungsbedarf konkret bewerten. Dazu gehören auch Kennzahlen zu den einzelnen Prozessen, die über Reports regelmäßig den betroffenen Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden sollen.

Kleinere Schritte statt komplexe Ziele

Eine wesentliche Erkenntnis aus dem Vorhaben betrifft die Projektkonzeption. Wie der Beratungspartner der Apollo-Optik, die COC AG, anmerkt, wird in ITSM-Projekten häufig versucht, die ideale, theoretisch perfekte Lösung in einem einzigen großen Sprung zu erreichen.

"Komplexe Anforderungen erzeugen hohe Anstrengungen und führen meist zu größeren Veränderungen, die auf verschiedenen Ebenen hohe Widerstandspotentiale in sich bergen", so der COC-Consultant Hans-Peter Schernhammer. Wie sich auch bei dem Apollo-Projekt bestätigt habe, lassen sich Lösungen in praktikablen Einzelschritten erfolgreicher realisieren.

Zudem rät Schernhammer, bereits in der Planungsphase die möglichen Abhängigkeiten verschiedener Projekte untereinander zu berücksichtigen - angesichts einer sich fortlaufend ändernden Umgebung mit vielen durch das Business oder durch Technologie ausgelösten Vorhaben. Nur durch eine solche Abschätzung sei es möglich, negative Folgen - beispielsweise hinsichtlich des Ressourcenbedarfs oder der Projektzeiten - zu verhindern oder abzumildern.

Projekt-Marketing nicht vergessen

Auf einen weiteren Aspekt weist der IT-Verantwortliche Ehbauer hin: "Es ist es wichtig, die Projektfortschritte gegenüber den Verantwortlichen und Mitarbeitern öffentlich zu machen". Ansonsten könne es passieren, dass allgemein gültige Definitionen für Prozesse im Tagesgeschäft untergingen. Die Folge: Aus Sicht des Managements oder auch der Mitarbeiter lassen sich dann trotz des Projektaufwands keine Verbesserungen spüren.

Ohnehin ist es unerlässlich, wie sich in dem Apollo-Projekt wieder einmal bestätigte, dass mit allen Beteiligten einschließlich der externen Berater eine offene Kommunikation gepflegt wird. Bereitschaft zur konstruktiven Lösung vorausgesetzt, stellen Konflikte im Projektverlauf dann auch keine bloßen Störungen dar, sondern werden als Impulse zum genauen Hinschauen verstanden.

Allerdings muss sich die Diskussionskultur bei einem derartigen Reorganisationsprojekt erst einmal entwickeln, und sie benötigt Moderationskompetenz. "Liegt diese Aufgabe zunächst bei den Beratern, so sollte sie im Projektverlauf sukzessive auf die internen Führungskräfte übertragen werden", empfiehlt Ehbauer.

Support-Mitarbeiter beim Kunden platzieren

Hinsichtlich der fachlichen Ressourcen mit ihren veränderten Rollen und Verantwortlichkeiten galt es zunächst, die Eignung der Mitarbeiter zu prüfen. Abgeleitet aus den künftig notwendigen Kompetenzen für Technik und Organisation wurden Schulungs- und Entwicklungspläne entworfen.

Doch darauf beschränkten sich die Maßnahmen nicht. Es wurden auch Veränderungen in der räumlichen Platzierung der Support-Einheiten vorgenommen, um die Sichtbarkeit der Teams zu erhöhen. In ihrer Neuanordnung folgen die Arbeitsplätze dem Prinzip der Kundenorientierung: So wird beispielsweise ein Service-Desk mit Kundenpräsenz so positioniert, dass er leicht zu finden ist, die Mitarbeiter ihre Aufgaben erfüllen können und die Kunden ein unmittelbares Serviceerlebnis bekommen.

ITSM-Tool vorwärtsgerichtet auswählen

Mit dem ITSM-Projekt verbunden war die Einführung eines neuen Tools zur Steuerung der IT-Prozesse. Der Nutzen dieser Software besteht darin, die Mitarbeiter in den Prozessen zu unterstützen und die Abläufe zu beschleunigen. Dadurch verbessert sich aber auch die Dokumentationsqualität. Last, but not least können Auswertungen über die umfangreiche Datenbasis erzeugt werden.

Bei Apollo-Optik bestehen unterschiedliche Leistungsanforderungen - durch den Filial-Support einerseits und den Support in der Filiale andererseits. Beide Nutzergruppen und ihre Anforderungen müssen aufeinander abgestimmt sein.

In den Evaluierungsprozess flossen neben den funktionalen Erfordernisse aber auch das Handling und die Ergonomie der Software sowie die Servicequalität der Hersteller ein. Das vorhandene System wurde bewusst nicht als Basis für die Produktevaluierung herangezogen, denn das Tool sollte ja künftige statt rückwärtsgerichteter Anforderungen abbilden.

Die Aufgaben der Berater definieren

Eine externe fachliche Hilfestellung ist nach Ansicht von Ehbauer bei Maßnahmen dieser Komplexität fast unumgänglich. Wichtig ist dabei eine klare Definition, worin deren Aufgaben bestehen und Verantwortlichkeiten sie übernehmen. Wie der IT-Chef berichtet, haben Apollo-Optik und COC "zunächst gemeinsam die Critical Success Factors ermittelt, deren Überwachung einschließlich der möglichen Eskalationsverfahren anschließend den Consultants überantwortet wurde."

Zu den Aufgaben der Berater gehörte es, die Messbarkeit im Projekt zu etablieren, um mit Hilfe dieses Kontrollinstruments den Projektfortschritt kontinuierlich abzubilden. Da die Berater typischerweise eine neue Sicht auf die Organisation mit Erfahrungswissen aus ähnlichen Projekten verbinden, erhielten sie noch einen anderen Auftrag: Sie in einer offenen Gesprächskultur den Veränderungsprozess kommunizieren und moderieren. (qua)