Cloud Computing

Nicholas Carr über den "Big Switch"

17.11.2008
Von 
Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.

Was das Internet unserem Gehirn antut

CW: Neulich in der Sendung "The Colbert Report" und auch in einem Essay für "The Atlantic" haben Sie gesagt, Google habe uns alle "verblödet". Es gibt aber auch Forschung, die zu dem Ergebnis kommt, dass das Internet tatsächlich bestimmte neurale Aktivität stimuliert. Wie bringt man diese beiden Sichtweisen unter einen Hut?

CARR: Das Internet kann wohl beides. Die Studie, von der Sie sprechen, kommt von einer kalifornischen Uni und zeigt auf, dass wenn wir das Internet verwenden, viele Bereiches unseres Gehirns aktiv sind, darunter Teile für das Treffen von Entscheidungen, die nicht aktiv sind, wenn man liest. Es könnte also durchaus gut dafür sein, das Gehirn in Schwung zu halten, wenn man älter wird. Die Wissenschaftler haben das mit dem Lösen eines Kreuzworträtsels verglichen.

Solche Übungen haben aber nichts zu tun mit der Qualität des Denkens, die in Ihrem Gehirn stattfindet. Ich frage mich, ob die Tatsache, dass so viele Teile des Hirns aktiviert sind, wenn man online ist, womöglich genau die Konzentration und Reflexion verhindert, die eintritt, wenn man sich in Ruhe zum Lesen hinsetzt.

CW: Stört denn die Internet-Nutzung zum Beispiel Ihre eigene Fähigkeit, über längere Zeiträume hinweg zu schreiben?

CARR: Ja, egal ob ich lese oder schreibe. Man gewöhnt sich im Netz sehr stark diese Dinge an, man nimmt ständige Ablenkung in Kauf und checkt alle drei Sekunden seine E-Mails. Es wird dann sehr, sehr schwer, sich hinzusetzen und das nicht mehr zu tun.

Ich habe für mich festgestellt, dass man sich dazu zwingen muss, sein E-Mail-System und seine Internet-Verbindung abzuschalten und sein Gehirn, Nervensystem oder was auch immer wieder umzugewöhnen. Es dauert eine Zeit, bis man die Fähigkeit zurückgewinnt, wieder einige Stunden am Stück zu schreiben. Ich schreibe auch ein Blog und stelle fest, dass diese Schreibtätigkeit eine ganze andere ist als ein Buch oder einen längeren, ausführlichen Artikel zu Papier zu bringen. Dafür muss man verschiedene Gänge des Gehirns einschalten, und man hört regelrecht das Krachen aus dem Getriebe.

CW: Bei dieser Konferenz ging es sehr stark darum, dass CIOs ihre Einstellung gegenüber der IT ändern müssen, insbesondere im Licht der aktuellen Finanzkrise. Was sind Ihre Vorschläge dazu?

CARR: Auf jeden Fall bleiben die Kosten ein wichtiger Faktor - daran haben sich CIOs in diesem Jahrzehnt so oder so längst gewöhnt. Eine vernünftige Nutzung der Cloud kann in dieser Hinsicht helfen, weil sie Ihnen erlaubt, Kapitalinvestitionen zu vermeiden.

Andererseits tendieren Unternehmen gerade in wirtschaftlich unruhigen Zeiten dazu, besonders konservativ zu agieren, so dass selbst das Experimentieren mit neuen Modellen wie Cloud Computing sich möglicherweise schwierig gestaltet. Aber im Vergleich zu vor ein paar Jahren gibt es auf jeden Fall mehr Möglichkeiten, mehr IT-Kapazität für das gleiche oder sogar für weniger Geld zu bekommen. Firmen sollten sich nicht scheuen, diese Möglichkeiten auszuprobieren und damit zu experimentieren.