Newtron

Newtron: Trommeln für den Welthandel

22.01.2001
Von Christian Blees

Das Transaktionsvolumen der von Newtron direkt betreuten Handelsplattformen betrug im Jahr 2000 mehr als 700 Millionen Mark, inzwischen sind es mit der seit Dezember vergangenen Jahres gestarteten Plattform für Automobilzulieferer rund zwei Milliarden Mark jährlich. Von sieben bis 19 Uhr ist die Beratungs-Hotline werktags besetzt, und im Gegensatz zu so manchem Service Center geht es zumindest an diesem Freitag nachmittag in der Serviceabteilung recht ruhig zu. Wobei die relative Stille in den mit dunkelblauem Teppichboden ausgelegten Räumen ohnehin angenehm überrascht. Von hektischer Atmosphäre keine Spur. Stattdessen sitzen die Mitarbeiter ebenso entspannt wie konzentriert an ihren Schreibtischen. Hin und wieder dringen leise Gesprächsfetzen aus einer der überwiegend geöffneten Türen auf den langen Flur, oder es schreitet ein mit Headset ausgerüsteter Kollege über den Gang, ganz vertieft in ein Kundengespräch. Umso erstaunlicher, wenn plötzlich Trommelrhythmen zu vernehmen sind, die offenkundig aus einem verschlossenen Büro herüberdringen. “Das sind unsere Entwickler”, lächelt Jacobi, “die toben sich jeden Tag auf diese Weise für fünf Minuten aus. Das Trommeln entspannt angeblich wunderbar.”

Auch sonst gehe es bei dem sächsischen Vorzeige-Startup äußerst locker zu, bestätigt der Informatiker Herwig Weidle: “Solange man sein Pensum schafft, darf man morgens ruhig später anfangen. Überhaupt herrscht ein tolles Betriebsklima.” So gibt es eine Firmen-Volleyballgruppe, einen regelmäßigen Stammtisch und auch andere gemeinsame Freizeitaktivitäten. Nach seinem Studium an der Fachhochschule Zittau/Görlitz ist der 24-Jährige jedoch nicht nur wegen des lockeren Umgangs nach Dresden gekommen: “Hier kann ich mich ohne große Umstände in Java und E-Commerce weiterbilden, zudem lockt mich die Möglichkeit, ins Ausland zu gehen - mehr kann ich wohl kaum verlangen.” Wem das tägliche Gratis-Obst sowie die freien Getränke nicht genügen, für den hält Gründungsmitglied Jacobi (“Unsere Einstiegsgehälter bewegen sich generell auf sehr gutem Marktniveau”) gegebenenfalls auch noch einen Firmenwagen und Aktienoptionen bereit. “Das gilt dann aber in erster Linie für Kollegen mit viel Berufserfahrung”, schränkt er sicherheitshalber ein. Letztere zählen bei Newtron eher zur Ausnahme. Das Durchschnittsalter liegt bei 26 Jahren, selbst Vorstand Jacobi ist gerade einmal 25 Jahre alt. “Das hat den Vorteil, dass man hier auch als Neueinsteiger sehr schnell Karriere machen kann”, wirbt Personalmann Steiner. So sei es theoretisch überhaupt kein Problem, innerhalb kurzer Zeit vom Assistenten über den Teamleiter bis zum Projekt-Manager aufzusteigen. Vorausgesetzt, man verfüge über ein ausreichendes Maß an sozialer Kompetenz, Teamfähigkeit sowie guten Englischkenntnissen. Angesichts der Expansionspläne darf es ruhig ein wenig mehr als das bisweilen mühsam erlernte Schulenglisch sein, um im Dialog mit den Geschäftspartnern und Kollegen aus Fernost nicht schon nach dem ersten Small Talk Schiffbruch zu erleiden.

“Dafür bieten wir einen krisenfesten Arbeitsplatz”, behauptet der IT-Chef. So sei “die Marke Newtron” in Fachkreisen bereits außerordentlich populär - was sicherlich auch am Teilhaber, der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, liegen dürfte, der über Anzeigenschaltungen und Bannerwerbung im hauseigenen “Handelsblatt” und dem entsprechenden Online-Ableger fraglos zum Bekanntheitsgrad beigetragen hat. Weitere Geldgeber sind das Berliner Venture-Capital-Unternehmen bmp AG sowie die Commerzbank AG. Wer statt Geld lieber die eigene Arbeitskraft einbringen möchte, benötigt nach Angaben von Steiner keineswegs ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Beispielsweise sei es durchaus möglich, zunächst einmal ein Praktikum zu absolvieren oder das Thema der eigenen Diplomarbeit quasi vor Ort im Unternehmen zu recherchieren. Zu diesem Zweck stehe Newtron ohnehin in ständigem Kontakt mit der TU und HTW Dresden. “Natürlich können sich auch Interessenten von anderen Hochschulen bewerben”, stellt der Personalleiter klar. “Wer dann im Laufe der Zeit das Gefühl hat, gut zu uns zu passen, dem werden wir irgendwann schon ein passendes Angebot unterbreiten.” Es müsse ja nicht immer so schnell wie bei Nicole Tietz gehen.