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New Yorker Staatsanwalt hat nicht nur Merrill Lynch im Visier

16.04.2002

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der New Yorker Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer, der derzeit in Sachen Aktionärsbetrug gegen Merrill Lynch ermittelt, hat auch andere Investment-Banken im Visier. Verschiedenen Presseberichten zufolge müssen sich unter anderem Credit Suisse First Boston (CSFB), Bear Stearns, Goldman Sachs, Lazard Frères, Lehman Brothers, Morgan Stanley, Salomon Smith Barney und UBS Paine Webber auf Ermittlungen gefasst machen.

Spitzer veröffentlichte in der vergangenen Woche Beweise dafür, dass große Wallstreet-Banken ihre Analysten- und Forschungsabteilungen nicht wie stets behauptet streng von ihrem Investment-Banking-Bereich trennen. Stattdessen wird aus den von Spitzer präsentierten Unterlagen deutlich, dass die Banken die von ihnen betreuten Kunden mit günstigen Ratings unterstützen.

Der New Yorker Generalstaatsanwalt ermittelt seit rund zehn Monaten gegen Merrill Lynch und förderte schockierende Beweise zutage. So hat beispielsweise der ehemalige Staranalyst Henry Blodget gerade in Zeiten des Internet-Booms einige Aktien in internen E-Mails als "piece of shit" ("Stück Scheiße") oder "powder keg" ("Pulverfass") bezeichnet, sie extern aber zum Kauf empfohlen. Einem Bericht des "Wall Street Journal" zufolge wollen sich die Banker von Merrill Lynch, dessen Aktienkurs aufgrund des Skandals um über zehn Prozent sank, nun mit Spitzer außergerichtlich einigen. Der Investment-Bank drohen dabei Strafen und Entschädigungszahlungen von insgesamt bis zu 100 Millionen Dollar.

Angeblich will Spitzer zudem durchsetzen, dass Merrill Lynch seine Schuld eingesteht. Ferner soll das Unternehmen Wege einführen, um Kleinanlegern ihre Verluste, die sie aufgrund der Aktienempfehlungen von Merrill Lynch erlitten haben, zumindest teilweise erstatten zu können. Des weiteren will Spitzer durchsetzen, dass die Investment-Bank ihre Analystenabteilung neu organisieren. Ursprünglich soll der Staatsanwalt sogar die komplette Auslagerung des Forschungsarms gefordert haben. Dieser Vorschlag sei von Merrill Lynch jedoch als unerfüllbar abgetan worden, da das Analystengeschäft zu wenig Geld abwerfe, um es unabhängig zu betreiben.

Dass Spitzer seinen Feldzug gegen die Banken zu Ende führen will, steht außer Zweifel. Der an den US-Eliteuniversitäten Princeton und Harvard ausgebildete Jurist hat in seiner bislang vierjährigen Amtszeit als New Yorker Generalstaatsanwalt bereits hochkarätige Firmen erfolgreich verklagt und in einigen Branche heftige Unruhe ausgelöst. Die New Yorker Supermarktketten wurden beispielsweise verurteilt, ihren illegalen Mitarbeitern die ausstehenden Löhne zu bezahlen. Die Online-Porno-Industrie musste 30 Millionen Dollar an Schadensersatz für Kreditkartenbetrug locker machen und General Electric ging es 1999 wegen Umweltverschmutzung an den Kragen. (ka)