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New Economy: Was bleibt nach der Kündigungswelle?

17.08.2001
MÜNCHEN (CW) - Das Ende trat für viele Startup-Mitarbeiter überraschend ein und war schmerzlich. Nach der betriebsbedingten Kündigung zieht so mancher Bilanz und fragt sich, wie es so weit kommen konnte.

"Nach gerade einmal acht Monaten stehe ich wieder auf der Straße mit einem fetten Fußabdruck in meinem Hinterteil." "Acht Monate? Da hattest du ja noch Glück. Mich hat es schon nach drei Monaten erwischt." Dieser Wortwechsel stammt aus dem Online-Forum der COMPUTERWOCHE, in dem Leser seit drei Wochen über die Kündigungswelle in der New Economy diskutieren. Dabei macht den Betroffenen nicht nur der abrupte Rausschmiss zu schaffen. Viel schwerer wiegt nach einer betriebsbedingten Kündigung die Enttäuschung, zumal "man sich für etwas Neues mit Haut und Haaren eingesetzt hat und zum Schluss zusehen muss, wie eine Idee den Bach runterrutscht, die mit so viel Begeisterung in Angriff genommen wurde" - so eine Diskussionsteilnehmerin.

Selbst finanzielle Zugeständnisse von Seiten der Angestellten konnten manchen Jobverlust nicht verhindern, wie eine andere berichtet: "Alle Mitarbeiter wurden gefragt, ob sie auf ihr Gehalt für die nächsten drei Monate verzichten könnten (Schenkung ohne Gegenleistung!). Danach wurde per E-Mail verkündet, wer sich dazu bereit erklärt hat. Ich habe den Betrag nur gestundet. Anscheinend war das zu wenig, denn zwei Wochen später erhielt ich die Kündigung."

Überforderte Visionäre

Als Verantwortliche für die wirtschaftliche Misere der Startups und damit auch für die Kündigungen machen die meisten Diskutanten die Führungskräfte aus. Einst als junge Pioniere mit großen Visionen gefeiert, scheint ihnen von diesem Image inzwischen nicht mehr viel geblieben zu sein. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie "ohne Rücksicht auf Verluste nur schnell an das große Geld gelangen" wollten. Dazu kam, dass viele der jungen Firmengründer mit dem schnellen Wachstum überfordert waren, wie einer der Forumsteilnehmer analysiert: " Das Problem liegt darin, dass diese ´Unternehmer´ so lange erfolgreich waren, wie sie selbst ihr Fachwissen anbringen konnten. Man programmierte selbst, hatte ein kleines Team, abends wurde Pizza bestellt, und man programmierte fröhlich weiter. Dann kam der Erfolg, neue Leute wurden eingestellt, und plötzlich mussten diese ´Kinder´ Unternehmer spielen - mit allem, was dazugehört. Cashflow, Controlling, Budgetplanung, Personalgespräche, Finanz- und Rechnungswesen. Jetzt aber waren die Kameraden reichlich überfordert, denn von diesen Dingen hatten sie eigentlich nur mal an der Uni gehört."

Den jungen Chefs wird auch eine mangelnde Bereitschaft zum Umdenken angelastet, so eine Diskussionsteilnehmerin: "Ein hervorragendes Produkt und eine absolut chaotische Unternehmensstruktur, inzwischen bereits frustrierte Mitarbeiter, überforderte Geschäftsführer und immer noch keine Bereitschaft zum Change. Sie suchen sich auch keine Mitarbeiter, die die notwendige Erfahrung mitbringen, sondern solche, die sie nicht ´stören´. Eine Unternehmensstrategie oder eine Ausrichtung wird schlichtweg nicht kommuniziert, weil nicht existent."

Einer zu pauschalen Verurteilung der Firmengründer widersprechen aber andere Diskussionsteilnehmer. Schließlich hätten die heute gescholtenen Jungunternehmer einst genau das gemacht, was von ihnen erwartet wurde: "Sie hatten eine innovative Idee und gründeten ein Unternehmen. Der Pferdefuß bei der Sache: Sie hatten keine Zeit und mussten schnell wachsen. Und die Investoren standen Schlange. Wenn so viele Profis dir Geld geben wollen, muss die Idee einfach gut sein, dachte sich da mancher, der über seinen eigenen schnellen Erfolg überrascht war. Während bis vor kurzem jeder beliebige Möchtegern-Gates mit Geld zugeschmissen wurde, reißt die jetzt eingesetzte Panik auch die Solideren in den Abgrund. Oder wer kann verstehen, dass jahrelang hochgelobte Firmen wie Brokat plötzlich dermaßen abstürzen? So ist die Welt der Börsenzocker."

Auch ein Inhaber einer Multimedia-Agentur warnt vor einer Verteufelung aller jungen Firmen. Er gibt zu, dass rabiate Entlassungsmethoden den Ruf der New Economy noch weiter beschädigen: "Der Glaube an eine ganze Branche schwindet zusehends, und in absehbarer Zeit werden wir wieder Personalmangel haben. Nicht weil Fachkräfte knapp sind, sondern weil keiner mehr in der Internet-Branche arbeiten will." Eine Einschätzung, die übrigens eine aktuelle Studie der Universität Witten/Herdecke bestätigt. Aus der Befragung von 450 New-Economy-Beschäftigten ging hervor, dass 80 Prozent wegwollen, da ihnen die Perspektiven fehlen.

Entlassen, was nun?

Nicht nur in der New Economy, sondern auch bei großen IT-Herstellern wie Compaq, Hewlett-Packard oder Siemens werden im großen Stil Stellen gestrichen. Sagen Sie uns Ihre Meinung dazu - im Online-Forum "Entlassen, was nun?" unter www.computerwoche.de (Rubrik Job & Karriere).