DGIR unterstützt gütliche Einigung:

Neutrale Fachleute schlichten DV-Streitigkeiten

10.06.1988

ST. MARTIN - Wenn in Zukunft Vertragspartner der Computerbranche untereinander oder mit ihren Anwendern in Streit geraten, soll ein Schlichtungsverfahren die hohen Kosten für ein Gerichtsverfahren vermeiden. Dieses Ziel verfolgt die Deutsche Gesellschaft für Informationstechnik und Recht e. V. (DGIR) mit der Einrichtung einer Schlichtungsstelle.

Seine Jahresmitgliederversammlung in St. Martin/Pfalz nahm der Verein zum Anlaß, die neugegründete Schlichtungsstelle vorzustellen. Neutrale, fachkundige Schlichter - Juristen und Vertreter der DV-Branche - versuchen hier, eine gütliche Bereinigung des Streits herbeizuführen, bevor die Gegner vor Gericht ziehen müssen. "Verschwiegenheitspflicht, fachliche Kompetenz und ein zügiges Verfahren " - so hörte man in St. Martin - sind die Eigenschaften, die die DGIR im Sinne ihrer Vereinsziele zu der Installation einer Schlichtungsstelle berechtigen. Bestellt werden die Schlichter von der Geschäftsstelle der DGIR.

Bei den Schlichtungsverfahren wird nicht auf sachverständigen Rat verzichtet: Die DGIR sieht vor, für jeden Fall zwei vereinsfremde oder vereinszugehörige Schlichter zu benennen, von denen einer Jurist, der andere EDV-Sachverständiger ist - beide Spezialisten auf dem Gebiet, auf dem sie schlichten sollen. "Für Streitigkeiten im EDV-Bereich empfiehlt sich ein solches Schlichtungsverfahren ganz besonders", erläutert der Karlsruher Rechtsanwalt Michael Bartsch, Vorstandsvorsitzender der DGIR. "Meistens haben die Parteien schon viel Zeit, Geld und Kraft in die Zusammenarbeit investiert und sind grundsätzlich an einer langfristigen Kooperation interessiert." Und die will die Schlichtungsstelle auch weiterhin ermöglichen.

Was die Kosten für ein solches Verfahren betrifft, nennt Bartsch einen Satz von 200 Mark pro Stunde Schlichtungsarbeit einschließlich des Sachverständigen-Gutachtens. Bei

einer normalen Abwicklungsstörung, die durchaus fachlich tiefgreifend sein könne, sei mit einigen Tagen Aufwand zu rechnen. Geht man von einem Streitwert von rund 100 000 Mark aus, würde ein Gerichtsverfahren in erster Instanz mit Beweisaufnahmen schon auf ungefähr 15 000 Mark kommen, wobei die Streithähne dann noch die Kosten für die Sachverständigen zu tragen hätten, die sich nach Aufwand und nicht nach Streitwert berechnen. Realistisch sei dafür in der genannten Größenordnung ein Betrag von 5000 Mark und mehr.

Die DGIR rechnet damit, daß der Bedarf an Schlichtungsverfahren in der kommenden Zeit steigen wird. Denn auch die Gerichtsbarkeit wappnet sich für die steigende Prozeßflut, die ihr aus der EDV-Branche entgegenströmt. Allein das Landgericht München I hat schon drei Kammern - eine für Handelssachen und zwei Zivilkammern - für EDV-Streitigkeiten eingerichtet.

Spruch gilt nur, wenn beide Parteien zustimmen

Nach Angaben des Vorsitzenden Richters am Landgericht München, Rüdiger Wendel, waren 1987 insgesamt 170 Fälle vor der Kammer für Handelssachen anhängig. Der gewerbliche Rechtsschutz, Wettbewerbs-, Urheber- und sonstige EDV-Streitigkeiten gehören unter anderem zu den Zuständigkeiten der Zivilkammern. "Zwar gibt es Fälle, die nicht für eine Schlichtung in Frage kommen, zum Beispiel Verbindlichkeiten zwischen Händler und Hersteller. Aber kommt von den übrigen nur ein kleiner Teil davon vor dem Prozeß zu einer gütlichen Einigung durch ein Schlichtungsverfahren, bedeutet das schon stattliche Einsparungen für die betroffenen Vertragspartner", meint Bartsch. Ein Schlichtungsspruch durch den Ausschuß der DGIR wird nur bei Einverständnis beider Parteien wirksam. Andernfalls steht der Weg zum Gericht noch offen.

Die Deutsche Gesellschaft für Informationstechnik und Recht e.V. (DGIR) wurde 1986 gegründet. Sie wendet sich laut Satzung an Juristen, EDV-Bereich tätige Wirtschaftsunternehmen und versteht sich als "Schnittstelle" zwischen Technik und Recht. Die ständigen Ausschüsse zu Vertragsrecht, Informationsrechtspolitik, Strafrecht, Schlichtungswesen, Softwareschutz und den Themenkreisen "elektronisches Publizieren" und "juristischer Arbeitsplatz" wurden zur Diskussion und Lösung anstehender Fragen aus Informationstechnik und Recht eingerichtet. Zu den Mitgliedern der DGIR gehören neben Juristen Softwarehäuser, große Hersteller und Verbände wie der ADAC und die Datev. An die Öffentlichkeit wendet sich die DGIR unter anderem mit Fachveranstaltungen sowie Aus- und Fortbildungsmaßnahmen. Der Sitz der DGIR ist München, die Geschäfte führt Dr. Jürgen W. Goebel, Offenbach.