Dateisystem Fat 32 birgt Kompatibilitätsprobleme

Neues Windows-Release verwirrt die DV-Branche

23.01.1997

Ob bei PC-Anbietern oder Softwareherstellern - in der deutschen DV-Branche herrscht derzeit Katerstimmung, kommt man auf das Thema Windows 95 zu sprechen. Der Grund: Mit OSR 2, das ausschließlich vorinstalliert über die Rechner sogenannter Original Equipment Manufacturers (OEMs) auf den Markt gebracht wird, führt der Softwareriese aus Redmond nahezu kommentarlos ein komplett neues Dateisystem mit der Bezeichnung Fat 32 ein. Das System muß bei der Installation des neuen Betriebssystem-Release nicht zwingend verwendet werden, bietet aber den Vorteil, daß sich größere Festplatten effektiver partitionieren lassen. Dies ist allerdings mit erheblichen Einschränkungen verbunden: Fat 32 ist mit bestehenden Fat-16-Dateistrukturen existierender DOS- oder Windows- und ebenso Linux- und OS/2-Systeme nicht kompatibel. Das bedeutet, daß insbesondere Datenbanken sowie Utilities unter Umständen nicht mehr problemlos einsetzbar sind.

"Wir haben keinerlei Unterlagen von Microsoft über die Pläne für Fat 32 bekommen", fühlt sich etwa Neil Robinson, Technischer Direktor des Datenbankanbieters Superbase aus Düsseldorf, überrumpelt. Ähnlich negative Erfahrung mit Microsofts Informationspolitik mußte kürzlich auch der Datenbankspezialist Borland machen: Der Anbieter von "Delphi" und "Dbase" habe "weder aus externen noch aus internen Quellen" eine Ankündigung über das veränderte Dateisystem im Windows-95-Upgrade erhalten, beschwert sich Benny Scheich, Technikspezialist für Datenbanken im Hause Borland.

Die fehlenden Informationen über OSR 2 beziehungsweise Fat 32 bekam das Unternehmen aus Langen, ähnlich wie andere Entwickler von Datenbanken oder Utilities, denn auch prompt zu spüren. So sah sich Borland wegen der plötzlichen Umstellung von Fat 16 auf Fat 32 kürzlich dazu gezwungen, ein Update der Datenbank-Kerntechnologie "Borland Database Engine" (BDE) aus dem Boden zu stampfen und Anwendern auf seiner Web-Seite zur Verfügung zu stellen. Laut Borland hatte die bisherige BDE-Version beim Zugriff auf Dateien unter Fat 32 mit den Fehlermeldungen "Invalid File Name" und "Invalid Table Name" auf sich aufmerksam gemacht.

Sorgen ganz anderer Art plagen hingegen PC-Anbieter, geht es um das neue Windows-Release. Zwar haben sich fast alle PC-Verkäufer dazu bereit erklärt, OSR 2 vorinstalliert auszuliefern - sie leiden dabei jedoch "unter erschwerten Bedingungen".

Ebenso wie etwa Dell oder Gateway 2000 vermarktet auch der Großdistributor Vobis aus Würselen neue PCs inklusive OSR 2. Dafür sorge "eine entsprechende Vereinbarung mit Microsoft".

Im Rahmen eines sogenannten Marketing Development Agreements ist Vobis nach den Worten von Vincent Muer, Geschäftsbereichsleiter Software, mehr oder minder dazu verpflichtet, Microsofts neueste Releases schnellstmöglich an die Kundschaft zu bringen. Im Gegenzug dazu "gibt es finanzielle Mittel, wenn wir die Programme innerhalb eines bestimmten Zeitraums auf unsere Rechner bringen", äußert sich der Manager über die von Microsoft auferlegten Restriktionen. Muer prägnant: "Wenn wir das nicht tun, bekommen wir keine Mar- keting-Gelder."

Von Fat 32 scheint Vobis, ebenso wie andere Anbieter, allerdings nicht sonderlich überzeugt: "Das bekommen die meisten normalen Anwender nicht in den Griff", erklärt der Vobis-Manager. Sein Unternehmen partitioniere Festplatten vorerst nicht mit Fat 32 sondern mit dem älteren Fat 16.

"Da steckt der Teufel im Detail"

Bei Gateway 2000 verfolgt man eine ähnliche Strategie. Der PC-Anbieter aus Frankfurt am Main liefert nach Angaben von Pressesprecherin Christine Weiland sämtliche Systeme mit OSR 2 und vorinstallierten Fat-16-Dateisystemen aus. Dadurch gebe es, so Weiland, weniger Probleme. Anwendern bleibe es - genauso wie beim Konkurrenten Vobis aus Würselen - anschließend selbst überlassen, sich an das auf der Backup-CD des OSR 2 mitgelieferte Fat 32 zu gewöhnen.

Über die Beweggründe Microsofts, das OSR 2 ausschließlich über OEMs zu verbreiten, ist sich nicht nur Vobis-Manager Muer im klaren: So sei im Fehlerfall "nicht Microsoft, sondern Vobis für den Kundensupport verantwortlich". Den Vorwurf, Microsoft gebe den Schwarzen Peter an die OEMs weiter, will Patrick Tensil, Produkt-Manager für Windows 95 in der Unterschleißheimer Microsoft-Dependance, jedoch nicht gelten lassen: "Welche Supportkosten entstehen da schon", spielt der Marketier das Problem herunter. Microsoft habe das neue Release einzig und allein deshalb nicht als Retail-Version im Laden angeboten, weil "derjenige, der die Fat 32 installieren möchte, seinen ganzen Rechner komplett neu einrichten müßte". Das sei normalen Windows-Usern nicht zuzumuten.

Microsoft-Pressereferent Thomas Baumgärtner konkretisiert: "Unter Berücksichtigung der Umstände spielen die Supportkosten selbstverständlich auch eine Rolle." Der Gesamtaufwand im Verhältnis zum Ergebnis für User und Hersteller würde es nicht rechtfertigen, das OSR 2 als Retail-Version auf den Markt zu bringen.

Der Rattenschwanz an Problemen für normale Anwender sei unübersehbar und treibe als Konsequenz die Supportkosten in die Höhe. Selbst in eigenen Microsoft-Tests habe es je nach Hardware die unterschiedlichsten Fälle gegeben, in denen "es nicht funktioniert hat". Baumgärtner: "Da steckt der Teufel im Detail."

Vor- und Nachteile von Fat 32-Fat 32 unterstützt Festplatten mit einer Kapazität von bis zu 2 Terabytes.-Festplatten, die mit Fat 32 partitioniert wurden, nutzen den Speicherplatz effizienter als Medien unter Fat 16: So lassen sich Partitionen von bis zu 8 GB in Zuordnungseinheiten (Cluster) von 4 KB je Cluster einteilen. Festplatten mit einer Größe zwischen 8 und 16 GB werden in Cluster von 8 KB, Medien mit einer Kapazität zwischen 16 und 32 GB in Cluster mit jeweils 16 KB partitioniert. Festplatten, die die Größe von 32 GB überschreiten, werden in Zuordnungseinheiten von 32 KB eingeteilt. (Fat 16, unterstützt lediglich Festplatten von bis zu 2 GB.)-Fat 32 bewirkt in den meisten Fällen eine Performance-Steigerung und läuft robuster als sein Vorgänger.-Das Root-Verzeichnis eines Fat-32-Mediums kann, anders als unter Fat 16, an einem beliebigen Ort auf der Festplatte positioniert werden. Damit entfällt die Limitierung der bisherigen Verzeichniseinträge im Root-Pfad.

Nachteile:

-Fat 32 ist inkompatibel mit dem originalen, im Herbst 1995 vermarkteten Release von Windows 95 sowie mit sämtlichen anderen Betriebssystemen wie DOS, OS/2 oder Windows NT.-Ein simples Update der originalen Windows-Version auf das OSR 2 mit Fat 32 ist nicht möglich.-Alle Applikationen müssen nach der Neuinstallation des Betriebssystems erneut eingerichtet werden. Eine Wiederherstellung existierender Daten mit Hilfe von Backup-Medien funktioniert nicht, weil sämtliche Einträge in der Systemregistrierung mitkonvertiert werden-Dual-Boot-Konfigurationen, die es bislang ermöglichten, entweder Windows 95 oder Windows 3.x während des Startvorgangs mit Hilfe der F4-Taste zu starten, sind nicht mehr ablauffähig. Ebenso lassen sich Fat-32-Medien nicht mehr unter MS-DOS sowie der Originalversion von Windows 95 booten.-Sämtliche Programme, die auf den Master-Boot-Record (MBR) von Fat 16 zugreifen, laufen nicht mehr. Dazu gehören etwa die "Norton Utilities 1.0" von Symantec. Auch Microsofts 16-Bit-Office-Applikationen wie "Word 6" oder "Excel 5" sind nicht mehr einsetzbar. Ebenso sind manche existierenden MS-DOS-Gerätetreiber wie etwa Aspidisk.sys inkompatibel zu Fat 32.-Viele 486- und 386- sowie einige Pentium-Motherboards mit IDE-Festplattenunterstützung arbeiten nicht mit Fat 32-Fat-32-Festplatten können nicht mehr mit existierenden Komprimierungs-Tools wie "Drivespace" und "Drivespace 3" von Microsoft gepackt werden.

Das Dateisystem Fat 32

Die "File Allocation Table 32" (Fat 32) ist Bestandteil des Service-Packs 2 (OSR 2), das Microsoft kürzlich als sogenanntes Service-Release 2 oder "Windows 950B" ausschließlich an Original Equipment Manufacturer (OEMs) ausgeliefert hat. Fat legt quasi als Inhaltsverzeichnis fest, wo Dateien auf der Festplatte gespeichert werden. Trotz der Zahlen 16 und 32 hat das Upgrade des Dateisystems nichts mit dem Umstieg des Betriebssystems von 16 auf 32 Bit zu tun. Bei Fat 32 handelt es sich um ein neu entwickeltes Dateisystem, das den unter DOS- und Windows-3.x- sowie der Originalversion von Windows 95 verwendeten Vorgänger Fat 16 ablösen soll. Festplatten, die die Vorteile von Fat 32 nutzen sollen, müssen vor der Installation des Betriebssystems mit Hilfe des Partitionierungs- "(FDisk") sowie Formatierungs-Tools ("Format") vorbereitet werden. Das OSR 2 wird in die nächste Version von Windows 95 (Codename "Memphis") integriert. Fat 32 ist nicht via Download oder im Handel erhältlich.