Bill Gates' Alternative zum Network Computer

Neues Windows für Handheld-PCs

20.09.1996

Windows CE ist mittlerweile Microsofts dritter Versuch innerhalb fünf Jahren, den Markt für Handheld-Computer anzugehen. Weder "Pen-Windows" noch "Winpad" hatten ausreichende Marktakzeptanz erlangt: wohl vor allem wegen ihrer unzureichenden Texterkennungsfähigkeiten. Das neue Betriebssystem ist insbesondere für mobile Rechner gedacht, die als Ergänzung zu ihren Desktop-Pendants eingesetzt werden, um Terminpläne, Telefonnummern und andere wichtige Daten auch unterwegs nutzbar zu machen.

Die ersten Portables, auf denen Windows CE laufen soll, werden dem Vernehmen nach auf der Herbst-Comdex in Las Vegas zu sehen sein. Als angestrebten Preis nennt Microsoft 500 Dollar, Analysten rechnen allerdings anfangs mit Preisen zwischen 500 und 1000 Dollar. Zu den ersten Herstellern der "HPCs" (Handheld- PCs) gehören Hewlett-Packard, NEC, die koreanische LG Electronics sowie Casio und Philips. Auch der US-Marktführer bei PCs, Compaq, will Handhelds unter Windows CE bauen.

Die Referenzspezifikationen für die Hardware stammen von Microsoft. Dazu gehören unter anderem ein RISC-Prozessor, ein Einschub für PC-Karten, ein Graustufen-LC-Display und eine alphanumerische Tastatur. Die Prozessoren werden unter anderem von NEC, Philips und Hitachi geliefert, woraus für den Desktop- Marktführer Intel neue Konkurrenz erwachsen könnte. Die Geräte werden je nach Hersteller unterschiedlich aussehen. Allen gemeinsam dürften aber ein Gewicht von etwa 500 Gramm und Gehäusemaße von zirka 8 x 13 Zentimetern sein. Mehr als 33 Softwarehersteller haben bereits erste Entwicklungen angekündigt.

Windows CE ähnelt von seiner Benutzer-Schnittstelle her Windows 95, basiert aber nach Aussagen von Microsoft-Sprechern auf einem komplett neuen und eigenständigen Kernel. Das Betriebssystem soll sowohl Flash-Speicherkarten als auch statischen Arbeitsspeicher unterstützen, 4 MB Hauptspeicher für sich beanspruchen und mit einer 32-Bit-Entwicklungsumgebung versehen sein. Zum Lieferumfang werden neben Pocket-Versionen von Word und Excel auch ein E-Mail- Client sowie eine spezielle Version des "Internet Explorer" gehören, so daß auch ein Zugang zum World Wide Web möglich sein wird.

Von den meisten Analysten wird Windows CE daher mitsamt der dazu passenden Hardware als Bill Gates' Antwort auf den von Oracle-Boß Lawrence Ellison proklamierten Network Computer (NC) gesehen. So meint Rob Enderle von der Giga Information Group aus Santa Clara, Kalifornien: "Microsofts Sicht eines Network Computer heißt Windows CE. Bill Gates hat schon mehrfach kundgetan, daß seine Vision für ein Internet-Gerät ein kleiner Handheld-Apparat ist."