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Neuer Schlag für Siemens: EU bestraft Kartellsünder mit Rekordbußgeld

24.01.2007
Bei Siemens jagt ein Skandal den nächsten.

Nach der Affäre um Schmiergelder in Millionenhöhe, der Pleite des an BenQ weitergereichten früheren Handygeschäfts und der öffentlichen Empörung über kräftige Gehaltserhöhungen für den Vorstand kommt die nächste Hiobsbotschaft aus Brüssel: Wegen illegaler Preisabsprachen verhängte die EU-Kommission am Mittwoch eine Rekordstrafe von fast 419 Millionen Euro gegen den größten deutschen Elektrokonzern. Die Kartellwächter der EU verkündeten ihre Entscheidung nach jahrelangen Ermittlungen ausgerechnet einen Tag vor der Hauptversammlung bei Siemens.

"Immer wenn man denkt, jetzt hat sich Siemens etwas berappelt, kommt der nächste Nackenschlag", sagte Aktionärsschützerin Daniela Bergdolt. Als Sprecherin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) wird sie dem Management bei der Hauptversammlung an diesem Donnerstag in München vor mehr als 10.000 Aktionären kein gutes Zeugnis ausstellen können.

Die Auftritte der resoluten Rechtsanwältin gehören dank ihrer Wortgewalt selbst in normalen Zeiten zu den Höhepunkten der Aktionärstreffen. Aber an eine vergleichbare Stimmung bereits vor einer Siemens-Hauptversammlung kann sie sich nicht erinnern, dabei ist Bergdolt seit fast 20 Jahren im Geschäft. "Das wird eine denkwürdige Veranstaltung." Viele Aktionäre seien entzürnt und enttäuscht von dem Unternehmen, das bisher stets als deutscher Vorzeigekonzern galt. "Sie haben das Gefühl, da blättert alles ab."

In normalen Zeiten würden die operativen Fortschritte bei Siemens unter Führung von Konzernchef Klaus Kleinfeld auf der Hauptversammlung für Lob sorgen. Aber in diesen Zeiten wird das im Frust untergehen. BenQ Mobile, Schmiergeldaffäre, Gehaltserhöhungen, Rekord-Kartellstrafen: Jeden einzelnen dieser Skandale hätte ein Schwergewicht wie Siemens ohne langfristigen Image-Schaden verkraftet. Aber die Masse der Negativ-Nachrichten innerhalb weniger Monate hat ihre Spuren hinterlassen.

Vor allem Kleinfeld steht ein harter Tag bevor - selbst wenn sowohl die Schmiergeldaffäre als auch die beanstandeten Preisabsprachen lange vor seiner Zeit lagen. Zwischen 1988 und 2004 sollen Siemens und andere Konzerne nach den Ermittlungen der Wettbewerbshüter Preisabsprachen bei Schaltsystemen für Stromnetze getroffen haben. Die elf an dem Kartell beteiligten Unternehmen müssen Strafgelder von insgesamt 750,7 Millionen Euro zahlen. Der größte Brocken davon entfällt auf Siemens.

Die betroffenen Mitarbeiter sind nach Angaben von Siemens inzwischen suspendiert worden. "Wir tolerieren das Fehlverhalten Einzelner nicht", sagte Udo Niehage, Chef des betroffenen Siemens-Bereichs Power Transmission & Distribution. Die Höhe der Strafen hält Siemens aber für völlig überzogen und will dagegen vor Gericht ziehen.

Dass die EU-Kommission ihre Entscheidung unmittelbar vor der Hauptversammlung verkündete, ist für Siemens doppeltes Pech. Ihre Rede wird Aktionärsschützerin Bergdolt jedenfalls bis zum Schluss offen halten - vorsichtshalber. "Ich werde um fünf Uhr morgens aufstehen und erst einmal nachsehen, ob noch etwas bei Siemens passiert ist." (dpa/tc)