Kolumne

"Neuer Handel nach alten Regeln"

07.08.1998

Billiger geht es nicht. Per Internet können Unternehmen ihre physischen Produkte unter Umgehung von Wiederverkäufern weltweit vermarkten, ohne zusätzlich in Logistik, Warenhaltung und Vertriebsleute zu investieren. So zumindest argumentieren die Verkäufer von E-Commerce-Lösungen.

Hört sich preiswert an. Wenn nicht zu den erheblichen Investitionen in Technik und Design des Web-Auftritts sowie natürlich in Logistik noch die Kosten für das Bekanntmachen der Web-Präsenz hinzukämen. Daß die mitunter auch enorm budgetfressend sind, zeigt ein Beispiel aus den USA: Kürzlich kassierte America Online (AOL) von drei amerikanischen Online-Brokern insgesamt 75 Millionen Dollar, damit diese im Finanzkanal von AOL ihre Dienste anbieten können.

Obwohl diese Summe sicher eine Ausnahme darstellt, belegt sie doch, wie erbittert der Kampf um die Aufmerksamkeit der Internet-Nutzer mittlerweile geführt wird. Anbieter klassischer Produkte und Services mit Online-Präsenz versuchen sich deshalb auf stark frequentierten Sites wie Internet-Portalen und Suchmaschinen ein Plätzchen zu sichern. Doch trotz der immer stärkeren Angebotsdifferenzierung in sogenannte Channels werden die geeigneten Plattformen rar und teuer. So schrieb das US-Magazin "Fortune" treffend: Das Steuern des virtuellen Distributionssystems ist inzwischen genauso teuer und schwierig geworden, wie das traditionelle Vertreiben von Waren. Wer also heute noch keine starke Online-Präsenz hat, muß viel investieren. Mit der Konsequenz, daß die Einsparungen durch das Ausschalten des klassischen Zwischenhandels durch Ausgaben für die Online-Mittler zunichte gemacht werden, die etwas Ordnung in das Web bringen.

Dabei gilt: Je kleiner und unbekannter die anbietende Firma ist, desto teurer der Kampf um die Augen der Surfer. Große Unternehmen mit bekannten Marken tun sich da auch deshalb leichter, weil sie es sich im Zweifelsfall eher leisten können, ihre Web-Präsenz publik zu machen.

Zu Beginn der Web-Euphorie wurde die Wettbewerbsregel, wonach "die Großen die Kleinen fressen", umgewandelt in "die Schnellen fressen die Langsamen". Inzwischen gelten im neuen Wirtschaftssektor E-Commerce offenbar wieder die uralten Regeln des Volksmunds: "Der Teufel sch... immer auf den größten Haufen."