ISO-Norm versus ECMA-Standard

Neue Wendung bei der Standardisierung von Java

13.12.1996

Wenn ein Normungsinstitut wie ISO auf ein Industriekonsortium stößt, gelten die Regeln des bayerischen Kartenspiels Schafkopf, wonach der Ober den Unter sticht. In diesem Fall heißt das, daß die ISO-Untergruppe 22 Java Study Group (JSG) eine Java-Norm auch ohne die Zustimmung des Lizenzeigners Sun Microsystems etablieren könnte. Tatsächlich steht die Organisation nach Informationen des britischen Nachrichtendienstes "Unigram-X" kurz vor der Entscheidung, Java im Eilverfahren, sprich: binnen zwei Jahren, zu spezifizieren.

Für ECMA kommt das ISO-Interesse zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Eigentlich schien die Standardisierung unter Dach und Fach zu sein, da einige Mitbewerber wie Netscape dem Standardisierungsvorschlag von Sun bereits zugestimmt hatten. Es sollte eigentlich nur noch geklärt werden, auf welche Weise die Sun-Tochter Javasoft im Besitz der Markenbezeichnung "Java" bleiben kann (vgl. CW Nr. 49, vom 6. Dezember 1996, Seite 1).

Aus der Sicht der ISO-Leute handelt es sich bei ECMA um eine kurzlebige europäische Gruppe, deren Ergebnisse über kurz oder lang sowieso bei der ebenfalls in Genf angesiedelte Weltorganisation landen. Diese Einschätzung beruht offensichtlich auf dem Scheitern der ECMA bei dem Versuch, Microsoft mit der Public Windows Initiative (PWI) die Rechte an Windows zu entreißen, um die Weiterentwicklung dieses den Desktop beherrschenden Betriebssystems einem offenen Gremium zu übergeben.

Wie um die Sache zusätzlich zu komplizieren, diskutieren alle beteiligten Parteien darüber hinaus noch, inwieweit Java bereits reif für eine Standardisierung ist. Laut Sun gelte das für die Java Virtual Machine, die Sprache sowie ein Set an Klassen und APIs.

Bei der Beurteilung der Standardisierungsreife spielen aber auch Marktüberlegungen eine Rolle. So spekuliert "Unigram-X", daß Sun versucht, mit einer raschen Standardisierung proprietären Plänen von Microsoft zuvorzukommen und so den bisherigen Vorsprung zu halten.

Tatsächlich soll noch in diesem Jahr Microsofts Win-32-Implementierung einer Java Virtual Machine in die Betatestphase eintreten. Damit sollen in Windows-95-Umgebungen Klassenbibliotheken und Just-in-time-Compiler den Ablauf von Java-Programmen stärker beschleunigen als in anderen Umgebungen. Dennoch wolle man sich an die Verträge mit Javasoft halten, beteuert Microsofts Internet-Program-Manager Charles Fitzgerald. Darin würden die Java-Lizenznehmer verpflichtet, aktuelle Anwendungsprogrammier-Schnittstellen (APIs) auf ihren Web-Seiten zu veröffentlichen. Wo immer es jedoch möglich ist, so der Manager, "pushen wir unsere eigenen Schnittstellen". Laut "Computergram" hat das Unternehmen zudem ein Plug-in für den Navigator-Browser in petto, der um 30 Prozent schneller sein soll als das Netscape-Produkt.

Makros für Java

So sehr sich Microsoft und Sun beziehungswiese ECMA und ISO um die Java-Standardisierung streiten, so einig sind sie sich offenbar bei der Makrosprache für den C++-Abkömmling. Nach Meldungen der "Computer Reseller News" haben sich 13 Internet-Anbieter im Rahmen von ECMA weitgehend auf einen Standard geeinigt. Die Grundlage bildet Netscapes "Javascript"-Produkt, das um Elemente aus Microsofts "Jscript" ergänzt wird. Hinzu kommen eine Reihe von Scripting-Funktionen von Borland für Server-Systeme sowie "Script Ease" von Nombas. Als Herausgeber des Standards sollen Borland und Spyglass agieren. Die IBM, die keine eigene Makrosprache für Browser anbietet, hat sich bereits zu dem anpeilten Standard bekannt.