Ausbildung zu IBM-Host- und z/OS-Experten

Neue Wege im Mainframe-Studium

23.03.2015
Von 
Franz Xaver Fuchst ist freier Journalist in Königsbrunn.
Mainframe-Spezialisten sind rar und gesucht. Da Universitäten sie kaum mehr ausbilden, bieten private Institutionen wie die European Mainframe Academy (EMA) Host-Lehrgänge an.

Mainframes sind immer dann unverzichtbar, wenn die Anforderungen an Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit, Sicherheit, Datenanalyse und Rechenleistung außergewöhnlich hoch sind. Zum Beispiel bei Banken und Versicherungen, großen Industriebereichen wie der Automobilindustrie und bei Verwaltungsrechenzentren. Ohne Großrechner würde in diesen Branchen eine Vielzahl von Geschäftsprozessen lahmgelegt. So wundert es auch nicht, dass nach Angaben von IBM die 25 weltweit größten Banken mit Mainframes arbeiten, ebenso wie neun der zehn weltgrößten Versicherungen sowie 70 Prozent der Global-500-Unternehmen.

Der Mainframe steht für Datenintegrität

Finanzdienstleister solcher Größenordnung zum Beispiel verarbeiten täglich im Durchschnitt bis zu 50 Millionen Transaktionen; an Spitzentagen sogar über 100 Millionen. Damit diese Transaktionen auch nach den "ACID"-Eigenschaften (Atomarität, Konsistenz, Isolation, Dauerhaftigkeit) ausgeführt werden, die als Voraussetzung für die Verlässlichkeit von Systemen gelten, sichern bestimmte Sperrmechanismen die Datenintegrität. Für einen Mainframe stellen diese Anforderungen kein Problem dar. Andere Plattformen hingegen gehen in die Knie, sobald die Anzahl der Transaktionen eine bestimmte Menge übersteigt. "Kaum eine andere Plattform wie der Mainframe gewährleistet eine schnellere Verarbeitung", sagt Gerhard Hauser, Planer des Rechenzentrums bei der Fiducia IT AG in Karlsruhe. Die Fiducia ist IT-Dienstleister für über 650 Volksbanken und Raiffeisenbanken. Auch rund 50 Privatbanken setzen auf das Mainframe-Rechenzentrum des Providers.

Mainframe-Wissen ist gefragt. Unternehmen strecken deshalb die Fühler und Hände nach jungen IT-Spezialisten mit Großrechner-Know-how aus und/oder investieren in deren Ausbildung.
Mainframe-Wissen ist gefragt. Unternehmen strecken deshalb die Fühler und Hände nach jungen IT-Spezialisten mit Großrechner-Know-how aus und/oder investieren in deren Ausbildung.
Foto: WavebreakMediaMicro - Fotolia

Sicherheit durch Cluster-Technik und Rollback

Finanzdienstleister wie die Fiducia IT AG und die Großindustrie erwarten zudem von ihrem Rechenzentrum eine unterbrechungsfreie Verfügbarkeit rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr. "Dies ermöglichen nur Mainframes mit ihrer speziellen Cluster-Technologie. Hierbei werden mehrere Betriebssysteme auf unterschiedlichen physischen Rechnern so gekoppelt, als wären sie ein einziges großes Betriebssystem", sagt Wolfram Greis, einer der renommiertesten deutschen Mainframe-Experten. Da in diesem Fall sämtliche Komponenten redundant ausgelegt sind, laufen die Anwendungen bei einem Ausfall unterbrechungsfrei weiter. Diese Cluster-Technologie, so Greis, erfülle auch die Forderungen des Bundesamts für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nach einem "Rollback". Demzufolge müssen im Katastrophenfall an entfernten Lokalitäten Datensicherungen verfügbar sein, die gewährleisten, dass bereits abgeschlossene Transaktionen nachgefahren und noch nicht abgeschlossene so zurückgesetzt werden, als hätten sie gar nicht stattgefunden.

Das Rechenzentrum braucht Mainframe-Experten

"Die Mainframe-Technologie ist bei uns nicht wegzudenken", sagt Hauser von der Fiducia und fügt hinzu: "Unser Kernprodukt ‚agree‘ für Banken ist in PL1-, Cobol- oder Assembler-Programmen geschrieben, die so nur auf der Mainframe-Plattform laufen." Das Banksystem, für das unter anderem auch Anwendungen auf dezentralen Systemen wie Windows oder Solaris entwickelt wurden, erfülle damit alle Anforderungen an ein modernes Bankgeschäft.

Die Fiducia verwaltet über 17 Millionen Kontokorrentkonten und verarbeitet nahezu vier Milliarden Buchungsposten. Der IT-Dienstleister garantiert zudem an rund 23.000 Selbstbedienungsautomaten die Versorgung der Bankkunden mit Bargeld. Mit dem Rechenzentrum im Hintergrund können Bankkunden mobil mit Smartphone oder Tablet-PC ihre Bankgeschäfte erledigen. Mittels "Finanzmanager" ist es möglich, Budgets zu planen und Rechnungen per Smartphone und eingescannten QR-Code zu begleichen. All diese Dienstleistungen, genauso wie das SEPA-Überweisungssystem mit den im Vergleich zu früher größeren Datensätzen, erfordern hohe Transaktionsraten, die zuverlässig auf Mainframe-Basis abgewickelt werden müssen. "Schon aufgrund der Service-Level-Agreements sind wir unseren Kunden gegenüber verpflichtet, eine definierte Leistung in einem vorgegebenen Rahmen zu erbringen", begründet Hauser, warum das Rechenzentrum der Fiducia IT nicht ohne Mainframe-Experten auskommt.

Dürftiges Studienangebot der Universitäten

Für den großen Bedarf an Mainframe-Spezialwissen gibt es in Deutschland allerdings zu wenig Nachwuchs. Fachkräfte sind am Arbeitsmarkt kaum verfügbar. Der Grund: Zum einen sind über 60 Prozent der Großrechner-Experten bereits älter als 50 Jahre, zum anderen beschränken sich die wenigen Hochschulen, die Mainframe-Technik lehren, bei der Ausbildung zumeist in relativ dürftigem Umfang auf die Theorie des z/OS-Betriebssystems.

Gute Karrierechancen für Großrechner-Profis

Dabei bieten sich Mainframe-Fachkräften hervorragende Karrierechancen. "Der Mainframe ist technologisch in vielen Bereichen die modernste, sicherste sowie anspruchsvollste Umgebung und in zahlreichen Geschäftsprozessen nicht zu ersetzen", sagt Volker Falch. Allein schon deshalb, so der Geschäftsführer der auf die Aus- und Fortbildung von Mainframe-Know-how spezialisierten European Mainframe Adacemy GmbH (EMA) in Augsburg, "ergeben sich enorm gute Chancen für Nachwuchskräfte".

Ausbildungskonzept "Host Just Do IT"

Um künftiges Mainframe-Wissen beziehungsweise den Fortbestand ihrer hochqualifizierten Fachkräfte zu sichern, vertraut die Fiducia IT in Sachen Mainframe ebenfalls auf die Aus- und Fortbildung der EMA, auch in Verbindung mit dem in der Fiducia entwickelten Ausbildungskonzept "Host Just Do IT". "Im Mainframe-Umfeld ist ein breit gefächertes Wissen mit entsprechend fundierter Ausbildung vonnöten, das aber keine Universität oder Schule bereitstellt", betont Hauser, der sich bei der Fiducia auch um die Koordination der technischen Aus- und Weiterbildung zusammen mit der Personalentwicklung der Mitarbeiter im IT-Umfeld kümmert.

Drei spezielle Ausbildungswege für z/OS

Mit drei praxisbezogenen Trainee-Programmen bietet die EMA einen Weg zur gezielten Mainframe-Ausbildung. Die Lehrgänge dauern zwischen 18 und 24 Monate; am Ende steht ein Abschluss entweder als z/OS-Spezialist, -Operator oder -Developer. Teilnehmer müssen die Fach- beziehungsweise Hochschulreife vorweisen können, alternativ einen sehr guten mittleren Bildungsabschluss mit Vorkenntnissen oder eine Ausbildung in der IT-Programmierung sowie mittlere Englischkenntnissen.

Trainee-Programme im Blended-Learning-Verfahren

Die Trainee-Programme der EMA sind nach dem "Blended-Learning"-Verfahren konzipiert, einer Mischung zwischen virtuellen und Präsenzveranstaltungen. Letztere finden im zwei- bis dreimonatlichen Rhythmus in Form von Workshops statt. Der Unterricht in virtuellen Klassenzimmern dauert zweimal pro Woche jeweils 90 Minuten. Mit Hilfe einer speziellen Software können Inhalte, Präsentationen etc. von den Teilnehmern synchron und gemeinsam bearbeitet werden. Fragen werden unmittelbar behandelt. Einzige Voraussetzung für diese lokal völlig unabhängigen Online-Sitzungen ist ein Browser mit schnellem Internet-Zugang. Die Sitzungen werden aufgezeichnet und lassen sich damit jederzeit von jedem Teilnehmer wiederholt zur Auffrischung beziehungsweise Vertiefung aufrufen.

Neben der Fiducia setzen namhafte Großunternehmen aus den Bereichen Versicherung, Banken, Automobil und IT wie zum Beispiel BMW, Generali oder Wüstenrot auf die Mainframe-Fortbildung der EMA. Auch Steffen Möllring hat die zweijährige Ausbildung zum "EMA Certified IBM Mainframe System Specialist" in diesem Jahr erfolgreich abgeschlossen. Sein Arbeitgeber, die Volkswagen AG in Wolfsburg, hatte den 29-Jährigen angemeldet, denn der Konzern braucht dringend junge Fachexperten mit Mainframe-Wissen. "Die EMA-Ausbildung vermittelt einen guten Überblick über die ganze Themenpalette des Mainframes", berichtet Möllring, der heute Systemprogrammierer für CICS und verantwortlicher IMS DB Admin bei Volkswagen ist.

Schulung am IBM-Mainframe Typ z9

Basis der praxisorientierten EMA-Ausbildung ist ein IBM-Mainframe vom Typ z9, den die Universität Leipzig betreibt und die EMA uneingeschränkt nutzen kann. Zudem werden den Teilnehmern der Trainee-Programme auf einem Lernserver Lehrmaterialien, Lerntexte etc. zur Verfügung gestellt. Bei den Dozenten greift die EMA auf Spezialisten zurück, die allesamt über jahrelange Mainframe-Erfahrung aus der Tätigkeit unter anderem für große und namhafte IT-Unternehmen und Kreditinstitute verfügen.

Bis heute haben über 70 Teilnehmer die berufsbegleitenden Trainee- und Fortbildungsprogramme der EMA erfolgreich abgeschlossen. Für alle zeichnen sich ausgezeichnete berufliche Perspektiven im Mainframe-Umfeld ab.

Für EMA-Geschäftsführer Falch keineswegs eine Überraschung: "Die gesamte IT-Struktur inklusive des Mainframe-Managements eines Unternehmens bilden die strategische Basis künftiger IT-Entwicklungen. Wer diese Komplexität beherrscht, nimmt auch entsprechende Rollen im Unternehmen ein." (pg)