US-Handelsbeauftragte beklagt Buy-national-Politik

Neue Warnung an Bonn wegen mangelnden Softwareschutzes

24.04.1992

WASHINGTON (swd/CW) - Alle Jahre wieder gibt das Büro der US-Handelsbeauftragten (USTR) einen Bericht über angebliche Verstöße der Wirtschaftspartner gegen Grundsätze des freien Warenaustausches heraus. Wie in den Vorjahren stehen Japan und die EG, insbesondere Deutschland, Frankreich sowie Italien, am Pranger.

Die Japaner müssen sich auf 20 Seiten ihre Untaten vorhalten lassen. Das Sündenregister der Europäischen Gemeinschaft ist im "1992 National Trade Estimate Report on Foreign Trade Barriers" von 14 Seiten im Vorjahr auf 18 Seiten angeschwollen. Stein des Anstoßes ist vor allem die staatliche Beschaffungspolitik im Bereich der Stromerzeugungsanlagen. Auch bei Telekommunikation und Kraftwerkseinrichtungen wird Buy-national-Politik in Frankreich, Italien und Deutschland kritisiert.

Ein gewichtiger Punkt sind angebliche Mängel im deutschen Urheberrecht, weshalb gut die Hälfte der in Deutschland verkauften Software keinen Urheberrechtsschutz genießt. Die US-Handelsbeauftragte Carla Hills zeigt sich darüber erleichtert, daß es eine strengere EG-Richtlinie zum Copyright gibt und die notwendige Umsetzung in bundesdeutsches Recht erfolgen wird. Der entsprechende Gesetzesentwurf liegt derzeit dem Rechtsausschuß des Bundestages vor.

Der Bericht über die Freiheitsbeschneidungen für Firmen aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten stellt bereits die dritte massive Attakke innerhalb weniger Monate in Sachen deutscher Softwareschutz dar. Deutsche Stellen sehen sich seit Januar 1992 wachsender Kritik ausgesetzt, als ein Report der Software Publishers Association (SPA) erschien.

Anfang März erklärte Robert Holley, Geschäftsführer der SW-Schutzorganisation Business Software Alliance (BSA), vor dem Senatsausschuß für internationalen Handel, Deutschland sei in dieser Hinsicht führend in der Welt. Die internationale Software-Industrie habe durch Raubkopien auf dem deutschen Markt Umsatzausfälle von 1,86 Milliarden Dollar hinnehmen müssen. Auf 721 Millionen Dollar seien die Einbußen allein der US-Produzenten zu veranschlagen. Die BSA hatte von Bush die Verhängung von Sanktionen gefordert.

Das Büro der US-Handelsbeauftragten (USTA) hat die Aufgabe, nicht die Handelspolitik der USA, sondern die der restlichen Staaten der Welt zu beobachten. Eine im Ton zurückhaltende Presseerklärung aus dem USTR-Büro hat für die Amerikaner, denen bekanntlich jede Buy-national-Kampagne abhold ist, einen Trost parat: "Wegen der Erfolge der Bush-Administration beim Abbau ausländischer Handelsbarrieren sind heute weit mehr ausländische Märkte für US-Firmen offen als noch vor drei Jahren." Leider sind das vor allem die nicht sehr kaufkräftigen einstigen sozialistischen Staaten Europas.