Aktionärsschützer gehen gegen umstrittenen Verkauf des US-Geschäfts vor

Neue Vorwürfe gegen SER-Manager

05.07.2002
MÜNCHEN (wh) - Im Zusammenhang mit dem umstrittenen Ver-kauf des US-Geschäfts sieht sich die SER Systems AG schweren Vorwürfen ausgesetzt. Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) will die Transaktionen rückgängig machen lassen und notfalls SER-Manager auf Schadensersatz in Millionenhöhe verklagen. Gert Reinhardt ist aus dem Vorstand ausgeschieden.

Der Finanzskandal beim Softwarehaus SER Systems zieht immer weitere Kreise. Wie berichtet hat der ehemalige SER-Vorstandschef Reinhardt entgegen einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Koblenz das US-Geschäft und weitere Vermögensteile an die Firma KES Acquisitions LLC verkauft (siehe CW 25/02, Seite 1). Die US-amerikanische KES gehört dem ehemaligen SER-Finanzvorstand Carl Mergele. Reinhardt hat trotz mehrmaliger Anfragen nicht zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung genommen.

Nach Schätzungen der SdK beträgt allein der Wert der veräußerten Unternehmen mindestens 66 Millionen Euro. Dabei handelt es sich neben den US-Tochtergesellschaften SER Systems Inc. und SER Solutions Inc. auch um die SER Technology Deutschland GmbH. Hinzu kommen millionenschwere Rechte an SER-Technologien wie der Knowledge-Management-Software "SER Brainware". Einen angemessenen Kaufpreis für die Transaktion hatte Mergeles KES dabei nicht zu bezahlen, berichtet die SdK. Das geht auch aus Unterlagen hervor, die der COMPUTERWOCHE vorliegen.

Besonders dreist ging Reinhardt offenbar bei der Veräußerung von Vermögenswerten der SER Technology Deutschland vor, die zum Zeitpunkt der Veräußerung von einer Firma HG Becker GmbH gehalten wurden. Aus einer Nachtragsurkunde des Notars Michael Wagner ergibt sich, dass der ursprünglich zur Hauptversammlung am 25. April 2002 bekannt gegebene Kaufpreis nachträglich reduziert wurde. Am 2. Mai 2002 erschienen demzufolge Reinhardt, handelnd als Geschäftsführer der SER Technology Deutschland GmbH, und Kurt-Werner Sikora, heute SER-Vorstandschef, als "Vertreter ohne Vertretungsmacht" für die KES Acquisitions LLC bei dem Notar. "Bei der Bezifferung des Kaufpreises ist den Vertragsbeteiligten ein Irrtum unterlaufen", steht in der Änderungsurkunde, die der COMPUTERWOCHE vorliegt. Zur Berichtigung desselben änderten sie den Kaufpreis: von fünf Millionen Dollar auf 50 000 Euro.

Gläubigern und Anteilseignern drohe nun ein Schaden in Millionenhöhe, erklärt die SdK; 400 Arbeitsplätze seien in Gefahr. Die Aktionärsschützer haben Zweifel an der Rechtmäßigkeit der geschlossenen Verträge und lassen derzeit unter anderem prüfen, ob diese wegen Sittenwidrigkeit unwirksam sind. Sollte die von Reinhardt vorgenommene Vermögensübertragung nicht mehr rückgängig zu machen sein, werde die SdK "die in Deutschland noch greifbaren Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der SER Systems AG" auf Schadensersatz verklagen.

In einer Pressemitteilung fordern die Aktionärsvertreter alle betroffenen Anteilseigner der SER Systems AG sowie alle durch die SER eventuell geschädigten Gläubiger auf, sich bei ihr zu melden. Die Aktionärsvertreter haben dazu eine Hotline eingerichtet (E-Mail: ser-systems@sdk.org, Telefon: 089/59 99 87 33).

Der Fall SER: Ein Ende ist nicht absehbar

Der Fall SER ist damit noch längst nicht beendet, betont SdK-Anwalt Clemens Jobe: "Das ist nur die Spitze des Eisbergs."

Reinhardt ist zwischenzeitlich aus dem Vorstand der SER Systems AG ausgeschieden. In einer Ad-hoc-Mitteilung erklärt das Unternehmen, der Aufsichtsrat habe am 28. Juni 2002 dem von Reinhardt vorgetragenen Wunsch nach Entbindung von seinen Vorstandspflichten entsprochen.

Unterdessen melden sich neben den Aktionären auch aus der Softwarebranche erste Opfer der Geschäftspraktiken Reinhardts zu Wort. "Die haben uns um unsere Forderungen betrogen", klagt Karl Schneebauer, geschäftsführender Gesellschafter der Softwarefirma AMI-IT Consulting GmbH. Seit Ende Februar warte er auf ausstehende Zahlungen von der SER Technology GmbH. Die Forderungen beliefen sich mittlerweile auf rund 100000 Euro.

SER-Geschäftspartner steht mit leeren Händen da

Schneebauers Unternehmen hatte einen Partnerschaftsvertrag mit der SER Technology Deutschland geschlossen, damals eine Tochtergesellschaft der SER Systems AG. Als er versuchte, auf gerichtlichem Weg an das Geld zu kommen, ergab sich ein Problem. "Die SER Technology Deutschland GmbH gibt es in dieser Form nicht mehr", so Schneebauer. Reinhardt habe das Unternehmen im Rahmen der Veräußerung des US-Geschäfts an die US-Firma KES Acquisitions LLC verkauft. Damit war die deutsche SER nicht mehr zuständig. Die neue SER Technology Deutschland GmbH agiere nun als hundertprozentige Tochter der KES. AMI-IT habe jetzt Ansprüche gegen eine de facto nicht mehr existierende Firma und sei damit in eine ausweglose Lage geraten. Schneebauer: "Das Geld ist weg. Wir sind finanziell am Ende."