Neue Suchsoftware: Fischen in den Tiefen des Internets

05.02.2002
Von Lars Reppesgaard
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Wie lange sind meine geschalteten Banner und Popups tatsächlich „aktiv“? Was läuft gerade in Online-Foren? Braut sich Ungemach in der weltweiten Internet-Gemeinde zusammen? Fast alle Unternehmen dürfte dies und vieles mehr interessieren. Eine Reihe noch kleiner Softwareanbieter und Dienstleister verspricht hier Antworten – gegen Bezahlung.

Vor der Detektivleistung der Digitalen Hanse würde sogar Sherlock Holmes seinen Hut ziehen. Banner, Bannerrotationen, Popups, Richmedia, Affiliate-Buttons, Micro-Sites oder Keyword-abhängige Werbung auf Suchmaschinen – das Hamburger Unternehmen beobachtet alle grafischen Werbemittel, die über Browser angezeigt werden. 350-mal am Tag durchforsten digitale Suchagenten für die Hanseaten 4000 Internet-Angebote. Aus ihnen herauszulesen, wie lange eine bestimmte Banneranzeige tatsächlich geschaltet war, gleicht der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. „Wir haben es nicht mit statischen HTML-Seiten, sondern mit komplexen Redaktionssystemen zu tun“, erklärt Geschäftsführer Andreas Sappelt. Beim Internet-Auftritt eines Senders wie RTL beispielsweise kommen die Daten, aus denen eine Internet-Seite besteht, von etlichen Servern. Die Suchsoftware „W3Scan.com“ fischt aus diesem sich

ständig verändernden Datenmeer haargenau das Stück HTML-Code heraus, aus dem zum Beispiel die Anzeige einer Online-Bank besteht. Dann misst sie, wie lange die Anzeige auf welchem Server von RTL wirklich aktiv ist.

Was taugt die Online-Werbung?

Die Digitale Hanse hat sich darauf spezialisiert, etwas in den Untiefen des Internet zu finden, was Unternehmen wirklich interessiert: Die tatsächliche Lebensdauer flüchtiger Online-Werbekampagnen. Internet-Agenturen wie die Argonauten bezahlen dafür, dass sie beobachtet, wie Wettbewerber im Netz werben; Internet-Seiten-Vermarkter wie ActiveAgent nutzten das Monitoring, damit sie ihren Kunden den Erfolg ihrer Online-Banner vorrechnen können.

„Gefischt“ wird in einem Bereich, den Fachleute des Suchsoftwareentwicklers Brightplanet Corp. aus South Dakota als das „Deep Web“ bezeichnet. Das Tiefe Netz besteht aus den Inhalten der Datenbanken, die dynamische Internet-Auftritte füttern, aber auch aus den Einträgen laufend aktualisierter Datensätze wie den Regierungs- und Patentdatenbanken, aus Online-Foren oder Dateien auf FTP-Servern. Das „Deep Web“ ist Brightplanet-Researcher Michael Bergmann zufolge 400- bis 550-mal größer als das allgemein bekannte, vor allem HTML-basierte World Wide Web und soll 7500 Terabyte Information enthalten – ein Wissensrohstoff, den heute noch kaum ein Unternehmen anzapft.