Neue Software-Preise als "Dezentralisierungs-Motor"

06.02.1987

"Eine auf den Anwendungsnutzen bezogene Kalkulation hätten wir lieber gesehen", kommentiert Erwin Büsching von der Arbeitsgemeinschaft Kommunale Datenverarbeitung, Düsseldorf, die neu regulierte Software-Preispolitik der IBM. Doch räumt er ein, daß die abgestuften Lizenzgebühren einerseits, die Mengenrabatte andererseits die Dezentralisierung von Hard- und Software-Funktionen forcieren sowie eine günstigere Kosten/Nutzen-Relation als bisher schaffen könnten. Auch Hans Dechert, Leiter Informationssysteme bei den Didier Werken in Wiesbaden, sieht sich durch die Kostenstruktur der IBM-Programme in den Dezentralisierungsbestrebungen seines Unternehmens bestätigt. Eine preiswertere Lösung als das Verkaufsangebot des Marktführers kennt dagegen Werner Schulz von der Apollinaris Brunnen AG, Bad Neuenahr-Ahrweiler: Er plädiert für Software-Leasing.

Hans Dechert

Leiter Informationssysteme Didier Werke AG, Wiesbaden

Bei Didier ist zur Zeit eine IBM-Anlage 3081 K 24/32 installiert. Hieran sind über ein SNA-Netz zehn Werke angeschlossen. Die Umstellung der meisten noch unter VM-DOS/VSE betriebenen Anwendungen auf MVS ist für dieses Jahr geplant. Für IDV-Zwecke kommen unter anderem Personal Computer zum Einsatz.

Den Didier-Werken kommt die Preisstruktur, für die sich die IBM bei ihrer Lizenz-Software entschlossen hat, entgegen.

Angesichts des sich verstärkenden Trends zugunsten von dezentralen Installationen hat sich auch unser Unternehmen der Frage "zentral oder dezentral" gestellt. Die Preisnachlässe sowie Mengenrabatte der IBM haben uns die Entscheidung erleichtert: Unsere Projektplanung sieht jetzt die Installation dezentraler Systeme vor. Auf einen zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen diese Pläne verwirklicht werden, möchte ich mich im Moment jedoch noch nicht festlegen. Sehr wahrscheinlich ist allerdings, daß wir dann für die neuen, vorwiegend kleineren Rechner die von der IBM angebotene Software einsetzen werden.

Wir hoffen, daß die IBM diese Strategie auch bei der Anwendungssoftware fortsetzen wird.

Erwin Büsching

Geschäftsführer, Arbeitsgemeinschaft Kommunale Datenverarbeitung, Düsseldorf

Die Arbeitsgemeinschaft Kommunale Datenverarbeitung (AKD) ist ein Zusammenschluß von 25 Kommunalen Datenverarbeitungszentralen, die mit IBM- oder IBM-kompatiblen DV-Anlagen arbeiten. Gemeinsame Verfahrensentwicklung und gemeinsame Interessenvertretung sind unter anderem Ziele unseres Zusammenschlusses.

Zur gemeinsamen Interessenvertretung gehört auch, daß wir die IBM seit langem bedrängen, bei der Software zu einer anderen Preisgestaltung zu kommen. Viele ihrer Produkte hängen voneinander ab oder ergänzen sich. Es war für uns bislang nicht einzusehen und betriebswirtschaftlich nicht begründbar, daß beispielsweise Funktionen, die im IMS und im CICS enthalten sind, auch doppelt bezahlt werden müssen, nur weil ein anderes IBM-Produkt ausschließlich mit IMS oder mit CICS arbeitet. Bei der Struktur unserer Anwender - selbständige Städte und Gemeinden und organisatorisch starke Ämter von Großstädten - sind die Verfahrenswünsche und -notwendigkeiten so vielfältig, daß eine Begrenzung auf einige wenige Software-Komponenten nicht möglich ist. Außerdem macht die Ausweitung unseres Leistungsangebotes auf Bereiche der Bürokommunikation oder besser gesagt auf den gesamten Bereich der technikunterstützten Informationsverarbeitung eine große Breite an Software und deren Zusammenspiel sowohl auf zentralen wie dezentralen DV-Anlagen und PCs notwendig.

Aus diesen Bedürfnissen heraus hätten wir bei einer neuen Preispolitik eine auf den Nutzen bezogene Kalkulation lieber gesehen. Preisänderungen in dieser Richtung waren uns auch in Gesprächen mit IBM-Mitarbeitern in Aussicht gestellt worden. Wir sind uns aber auch der Problematik bewußt, die sich bei der Feststellung des Nutzens zur Lizenzberechnung ergibt. Für unsere Gemeinschaft stellt aber auch die jetzt für einige Software-Produkte bereits getroffene und zukünftig auf andere Programme auszudehnende Regelung eine Vergünstigung dar. Einsparungen ergeben sich bereits bei Datenzentralen mit Anlagen kleinerer Größenordnung.

Die neuen Kostenstrukturen erlauben es jedoch allen Datenzentralen der AKD, die immer stärker angestrebte Dezentralisierung von Hard- und Softwarefunktionen mit den abgestuften Lizenzgebühren leichter zu realisieren. Weiter führen die Mengenrabatte der AKD zu günstigeren Kostenrelationen.

Zusammenfassend erfüllt die neue Preispolitik der IBM zwar nicht alle unsere Wünsche, sie hilft uns jedoch, Kosten zu sparen oder zusätzliche Investitionen zu leisten.

Werner Schulz

DV-Leiter Apollinaris Brunnen AG, Bad Neuenahr-Ahrweiler

Was ich von der IBM-Preispolitik bei der Software halte?

1. IBM ist nicht mein Hersteller, sondern der derzeitige Lieferant von mir benötigter Hardware, Software und Service -Leistungen.

2. Es ist das legitime Recht eines Lieferanten, seine Ware so teuer wie möglich zu verkaufen.

3. Es ist das legitime Recht eines Käufers, eine Ware so preiswert wie möglich einzukaufen.

Diese kaufmännischen Grundsätze lernt ein Datenverarbeitungskaufmann schon im ersten Lehrjahr.

Was macht ein Lieferant, der mehr Umsatz haben muß? Der heutigen Mentalität entsprechend einfach eine getarnte oder ungetarnte Preiserhöhung. Und er sucht natürlich neue Märkte, das kann auch eine Nicht-EDV-Abteilung sein. Viele dieser Abteilungen ergeben dann ja auch einen Markt.

Was macht ein Käufer, der seine Kosten halten oder vielleicht sogar senken möchte? Er zieht sich in sein Büro zurück, stellt sein Telefon mit Durchwahl ab und überlegt, wie er denn das schöne neue Angebot der "alten Dame" Mother Blue zu beurteilen habe (er kennt sie nämlich schon lange und läßt sich von gelegentlichen Charmeausbrüchen längst nicht mehr täuschen).

Er untersucht das Problem von der kaufmännischen Seite und stellt fest, daß der Break-even-Point bei etwa dreißig Monaten liegt - das ist doch sehr gut.

Aber worin besteht nun also der Haken an der Sache? Vielleicht auf der fachlichen Seite?

Systemsoftware kaufen heißt, einen Augenblickszustand in einen statischen Zustand umwandeln. Mögliche Folgen können sein, daß neue Maschinen nicht zu der gekauften Software passen. Oder daß benötigte Software-Ergänzungen hinzugekauft werden müssen mit der offenen Frage, ob "alte" und "neue" Software zusammenpassen. Wer bezahlt die Anpassung? Auch die Übernahme neuer Software-Entwicklungen des Marktes oder des Herstellers sind in Frage gestellt. Wie sieht es mit der Realisierung neuer Anforderungen, beispielsweise Netzwerk-Erweiterungen, des eigenen Unternehmens aus? Alles offene Fragen, die mit gemieteter Software auf jeden Fall leichter und möglicherweise auch preiswerter zu beantworten sind.

Zusätzlich gibt es noch andere Möglichkeiten, dieser Software-Preispolitik entgegenzuwirken. Es soll da nämlich auf dem Leasingmarkt und gelegentlich auch im Wissenschaftsbereich noch recht neue, aber doch sehr preisgünstige Hardware mit Wartungszertifikat geben. Es muß ja nicht unbedingt gleich Mixed-Hardware sein. Was ich von der Software-Preispolitik des Lieferanten halte? Ich halte sie ganz gelassen - auf.