Neue Runde bei Highend-Servern

18.10.2001
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Kriemhilde Klippstätter ist freie Autorin und Coach (SE) in München.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Fast zeitgleich präsentierten Sun und IBM jetzt ihren neuen Server im Highend-Unix-Markt. Obwohl sich beide Hersteller für eine Architektur des symmetrischen Multiprocessing (SMP) entschieden, verfolgen sie doch unterschiedliche Philosophien.

IBM siedelt den Top-Unix-Server "690" mit dem Codenamen "Regatta" am obersten Ende der p-Serie und damit unterhalb der Mainframe- und SP-Klasse an. Sun Microsystems zielt mit der "Sun Fire 15K", auch als "Starcat" bekannt, dagegen genau auf Benutzer von Großrechnern. Sie soll, wie auch schon der Vorgänger "Starfire E 10000", Mainframe-Kunden zum Umstieg auf kostengünstigere Unix-Systeme bewegen. Außer der Marktpositionierung unterscheiden sich die Systeme im Prozessor und dem Architekturdesign - obwohl beide als Maschine für symmetrisches Multiprocessing (SMP) konzipiert sind.

IBM verfolgt dabei den Ansatz, ein Highend-System mit wenigen, aber leistungsstarken Prozessoren aufzubauen. "SMP-Systeme jenseits von 30 Prozessoren skalieren nicht mehr", erklärt Klaus Gottschalk, e-Server Architect bei IBM. Deshalb bietet Big Blue die neuen Rechner mit maximal 32 CPUs an. Die für wissenschaftliche Anwendungen konzipierte HPC-Version der Regatta-Server (HPC = High-Performance-Computing) kommt sogar mit 16 CPUs aus, wobei die maximale Hauptspeichergröße von 256 GB Bestand hat.

Benötigt ein Anwender mehr Rechenleistung, muss er eine Numa-(Non-Uniform-Memory- Architecture-)Konfiguration realisieren. Im kommenden Jahr wird es mit dem "Federation"-Adapter einen entsprechenden Anschluss an den GX-Bus geben. Die mit 500 Megahertz getakteten GX-Kanäle stellen die internen Kommunikationsverbindungen dar. Der Adapter, der über zwei Ausgänge verfügt, erlaubt eine Dreiecks-Konfiguration aus drei Regatta-Servern mit insgesamt 96 Prozessoren. Für IBM-Manager Gottschalk bietet Numa nach dem derzeitigen Stand der Technik die einzige Möglichkeit, mehr Rechenleistung zu gewinnen: "Auch Sun wird irgendwann darüber nachdenken müssen."

Dieser Meinung ist offenbar auch Hewlett-Packard, dessen "Superdome"-Server die SMP-Boards ebenfalls über Numa koppelt. Allerdings enthalten die einzelnen Knoten nur vier CPUs - viel zu wenig nach Ansicht von Experten. Beim eigentlichen SMP-Knoten müsse man bis an die Grenze der Skalierbarkeit gehen.

Dass es sinnvoll sein kann, große SMP-Konstruktionen mit mehr als 32 CPUs aufzubauen, zeigen die Erfolge von Suns "E 10000" und insbesondere Fujitsu-Siemens mit den "Primepower"-Servern, die bis zu 128 Sparc-kompatible Prozessoren beherbergen können. Wolfgang Kroj, bei Sun Direktor für den Produktvertrieb, verteidigt damit auch das hauseigene SMP-Design, das beispielsweise bei Datenbankanwendungen der Numa-Architektur überlegen sei. "Hersteller tendieren dazu, die Grenzen der eigenen Produkte als Grenzen der Technologie zu bezeichnen", kommentiert Joseph Reger, Direktor Unternehmensstrategie und E-Business Center beim Systemhaus m+s AG. Zudem hänge die Skalierbarkeit sehr von der Art der Anwendung ab. Sun habe in der Vergangenheit mit

der E 10000 in vielen Projekten die gute Skalierungsfähigkeit der eigenen Architektur bewiesen.

Partitionierung ist Trumpf

Ähnlich beurteilt Henrik Klagges, Analyst bei TNG Consulting, das Konzept von Sun, die Starfire-Maschinen mit bis zu 106 Prozessoren zu bestücken. Der Vorteil vieler CPUs in einem Rechner komme allerdings nur zum Tragen, wenn numerische Probleme in einer großzahligen Simulation zu lösen seien. In diesem Umfeld sieht Klagges Probleme auf Sun zukommen: "Wenn es um Numbercruncher geht, dann haben Sun-Server starke Konkurrenten." Der Analyst beurteilt primär die Fähigkeit zur Server-Konsolidierung durch Partitionierung als Argument für sehr große SMP-Systeme.

Auf den ersten Blick nehmen sich die neuen Server von IBM und Sun in puncto Partitionierung wenig: IBM erlaubt die Aufteilung der Systemressourcen in bis zu 16 logische Partitionen (LPARs), Sun unterteilt in bis zu 18 Domains. Jede Partition des Regatta-Servers muss aus mindestens einem Prozessor und 4 GB Hauptspeicher bestehen. Sun ist restriktiver: Pflicht sind mindestens vier CPUs je Domain. Diese lassen sich dynamisch konfigurieren, sind aber physikalisch voneinander abgeschottet: Eine dedizierte Netzverbindung zwischen System-Controller und den 18 Domains ist in der "Fireplane"-Interconnect verankert. Dieser 18x18-Switch regelt die Kommunikation zwischen den Rechenknoten.

Switch oder Bus?

IBM erlaubt bei den Regatta-Servern ebenfalls die flexible Zuordnung von Prozessoren, Memory und I/O-Anschlüssen an die einzelnen logischen Partitionen, erledigt das aber per Software. Die dynamische Verteilung der Ressourcen auf die Partitionen soll - ab dem zweiten Halbjahr 2002 - mit der neuen Version von AIX 5 erlaubt werden. Schon jetzt ist es möglich, neben AIX auch Linux in einer Partition zu fahren, ein Vorteil, auf den Sun verzichtet. Bei den Kaliforniern kommt ausschließlich Solaris zum Zug.

Das LPAR-Konzept ist eine deutliche Verbesserung, da Big Blue früher nur mit Cluster-Konfigurationen eine Form von physikalischer Partitionierung erreichte. Architekturspezialist Reger begrüßt IBMs Entwicklung, aber: "IBM fängt gerade mit dieser Technologie an, Sun hat jahrelange Erfahrung." Ebenso sieht Reger beim Systemdesign, also der Frage, wie die Systemressourcen untereinander kommunizieren, Vorteile für Sun. Der Fireplane Crossbar-Switch mit 18x18-Matrix ist eine Weiterentwicklung der ursprünglich von Cray entwickelten Verbindungstechnik. Mit der redundanten Fireplane lassen sich Spitzenbandbreiten von 172,8 GB/s erzielen.

IBM hat sich dagegen vom Switch-Konzept verabschiedet und setzt ein "verschränktes" Bussystem ein. "Ein Switch würde durch seinen elektronisch bedingten Verzögerungseffekt (Latency) den Vorteil der hohen Prozessortaktrate zunichte machen", erklärt Gottschalk. Der stattdessen verwendete GX-Bus ist mit 500 Megahertz, also etwa der halben CPU-Schlagfrequenz, getaktet. Der GX-Slot dient auch zum Einklicken von Anschlüssen an das Memory oder zukünftig des Federation-Adapters. Vorsichtig beurteilt Analyst Klagges die von den Herstellern propagierten Interconnect-Geschwindigkeiten: "Die muss man im Detail nachmessen." Für tauglich hält er unter anderem die Angabe von Latenzzeiten für das Message Passing Interface.

Prozessorpower

Einig sind sich die Kenner von Systemtechnologien und Architekturen beim Vergleich der jeweils eingesetzten Prozessoren "Power4" (IBM) und "Ultrasparc III+" (Sun): Hier hat Big Blue allem Anschein nach nicht nur hinsichtlich der geplanten Entwicklungszeit eindeutig die Nase vorn. Während Sun die Vorstellung seiner Risc-CPU mehrmals verschieben musste, unterschritt der Konkurrent den selbst gesteckten Zeitplan um rund ein Vierteljahr.

Der Power-4-Chip ist aus zwei Prozessorkernen mit jeweils integriertem Level-1-Cache aufgebaut und enthält insgesamt 174 Millionen Transistoren. Beide Doppelprozessoren teilen sich den integrierten Level-2-Cache. Außerdem haben die IBM-Ingenieure das Cache-Directory für den Level-3-Cache sowie den Chip-to-Chip-Interconnect auf dem Basisbaustein untergebracht. Vier der Basisbausteine mit insgesamt acht CPU-Kernen bilden zusammen das Multi-Chip-Modul, das ergänzt um Level-3-Cache und Memory-Controller den "Central Electronic Complex" (CEC) bildet. Die interne Bandbreite von 125 GB/s soll zusammen mit neuester Fertigungstechnik - Kupferleiterbahnen sowie Silicon-on-Insulator - für Schnelligkeit sorgen.

IBM bietet den Power-4 mit Taktraten von 1,1 und 1,3 Gigahertz an. Sun taktet den Ultrasparc-III derzeit mit 900 Megahertz. Vergleichbare Benchmark-Ergebnisse von Prozessoren oder Systemen sind noch nicht zu erhalten, nur ein paar Einzelergebnisse: Sun rühmt sich, mit der Sun Fire 15K derzeit den Spitzenplatz beim SAP-SD-Test erreicht zu haben. IBM veröffentlicht auf seiner Homepage eine Gegenüberstellung beider Architekturen, allerdings ohne genaue Angaben über die getesteten Systeme. Danach erreichte ein p690-Server mit Power-4-Prozessoren 808 Specint 2000 und 1169 Specfp 2000. Ein nicht näher bezeichnetes Konkurrenzsystem mit Ultrasparc-III-Chips kam auf 467 Specint 2000 und 482 Specfp 2000.

Technologiekenner Reger hält wenig davon, nur die bloßen technischen Attribute zu bewerten. Wichtig sei es, dass beide Maschinen die technische Oberklasse im Unix- oder sogar im Unternehmensumfeld neu definieren werden. "Kein Anwender wird eine Kaufentscheidung nur anhand technischer Daten treffen."

SMP und Numa

SMP steht für symmetrisches Multiprocessing. Bei diesem Konzept befindet sich im gemeinsamen Speicher eine Kopie des Betriebssystems. Jede CPU kann Code des Betriebssystems ausführen.

Bei Numa (Non Unifom Memory Architecture) wird unter der Annahme gearbeitet, dass ein Zugriff auf einen lokalen Speicher schneller erfolgt als auf einen entfernt liegenden.